Wirtschaft

Grönland blickt mit bangem Erwarten auf die Ankunft des Virus

Zwar hat Grönland bisher nicht einen einzigen Corona-Toten und die Intensivstationen sind leer. Doch die Erfahrungen mit den tödlichen Epidemien der letzten Jahrhunderte sitzen den Menschen in den Knochen.
08.04.2020 10:11
Aktualisiert: 08.04.2020 10:11
Lesezeit: 2 min

Auf Grönland, der größten Insel der Welt mit etwa 57.000 Einwohnern, ist bisher kein einziger Mensch an Corona gestorben. Bei keinem einzigen Menschen, der dort auf einer Intensivstation liegt, wurde das Virus festgestellt. Bisher wurde das Virus bei lediglich elf Personen in der Hauptstadt Nuuk nachgewiesen. Sie alle wurden unter Quarantäne gestellt und teils schon wieder freigelassen, nachdem sie ihre Zeit abgesessen hatten und wieder virusfrei waren.

Inzwischen ist Nuuk abgeriegelt. Niemand darf die Hauptstadt ohne Sondergenehmigung betreten oder verlassen, auch nicht mit privaten Booten oder Schneemobilen. Zudem ist der Verkauf von Alkohol verboten worden. Für Ausländer ist eine Reise nach Grönland jetzt fast unmöglich. Es gibt keine Flüge, Schiffe oder andere Reisemöglichkeiten, es sei denn, man reist mit einer Sondergenehmigung, und normale Menschen dürfen die Insel nicht verlassen.

Die wenigen Flugzeuge und Hubschrauber, die noch zwischen den 72 Städten und Dörfern Grönlands fliegen, die weder durch Eisenbahnen noch durch Straßen miteinander verbunden sind, befördern nur Post und den einen oder anderen Gesundheitsbeamten. Es ist unklar, wie lange die Sperren noch in Kraft bleiben werden. Am Freitag sind es zwei Wochen.

"Unsere Fähigkeiten, Atemwegsinsuffizienzen zu behandeln, sind begrenzt", zitiert EUobserver den früheren Gesundheitsminister des Landes Ove Rosing Olsen. "Wenn das System von zu vielen Patienten mit schweren Symptomen überrannt wird, werden viele sterben, die mit der richtigen Behandlung hätten gerettet werden können. Anstatt die Ausbreitung des Virus zuzulassen, geht es darum, es in Schach zu halten, bis ein Impfstoff zur Verfügung steht."

Ove Rosing Olsen glaubt, dass "wir für eine längere Zeit, vielleicht für weitere zwölf Monate, sehr wenig Kontakt mit anderen Menschen haben werden". Er befürchtet, dass viele Grönländer irgendwann gefährlich hohen Dosen des Coronavirus ausgesetzt sein könnten, was zu schweren Erkrankungen führen könnte, da viele große Familien in kleinen Wohnungen oder Häusern leben.

Die tödlichen Epidemien, die im 18. und 19. Jahrhundert von europäischen Kolonisten nach Grönland gebracht wurden, haben auf der Insel die Befürchtung geschürt, dass auch das Coronavirus schnell die vielen kleinen Dörfer in der Umgebung erreichen könnte und dass dadurch die Kapazitäten in Grönlands kleinen Krankenhäusern überfordert werden könnten. Im Jahr 1801 starben etwa 80 Prozent der Bürger von Sisimiut an einer Pockenepidemie. Im Jahr 1954 forderten die Masern einen hohen Tribut.

"In letzter Zeit hatten wir vor allem die Schweinegrippe im Jahr 2009 zu bewältigen, die fast ganz Sisimiut in Mitleidenschaft gezogen hatte. Ein Kind starb. Das war eine schwere Epidemie, und jetzt ist Corona, soweit ich weiß, viel schlimmer. Ich glaube, wir werden noch mindestens sechs Monate und vielleicht ein ganzes Jahr teilweise isoliert sein", sagt Ove Rosing Olsen.

Auch Anders Koch, medizinischer Epidemiologe in Kopenhagen und Universitätsprofessor in Grönland, ist in Sorge. "Der Grund, warum wir uns besonders um die Menschen in der Arktik sorgen, ist nicht unbedingt, dass sie anfälliger für schwerere Krankheitsverläufe wären", sagt er. Das Hauptproblem sei das Gesundheitssystem, das nicht auf eine solche Herausforderung vorbereitet ist. "Wenn man in Grönland eine Behandlung Beatmungsgerät benötigt, muss man in die Hauptstadt verlegt werden - und drei Viertel der Bevölkerung leben außerhalb von Nuuk."

"Sollte die Zahl der Patienten, die eine Intensivpflege benötigen, irgendwann Grönlands eigene Kapazitäten übersteigen, können die Patienten die 3.500 Kilometer zu Krankenhäusern in Dänemark geflogen werden, da die Grönländer immer noch dänische Staatsbürger sind", sagt Koch. Grönland ist innenpolitisch vollständig unabhängig, wird aber in allen außen- und verteidigungspolitischen Angelegenheiten von Dänemark vertreten.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Frühere AfD-Chefin: Frauke Petry kündigt Gründung neuer Partei an - Alternative für die FDP?
11.05.2025

Die frühere Vorsitzende der AfD will vom kommenden Jahr an mit einer neuen Partei bei Wahlen antreten. Ziel der Partei soll sein, dass...

DWN
Immobilien
Immobilien Deutschlands Zukunft? Wohnquartiere als soziale Brennpunkte: Armut, Migration und Überalterung
11.05.2025

Armut, Migration, Wohnungsmangel, Überalterung und Einsamkeit: Immer mehr Wohnquartiere in Deutschland sind überfordert. Eine neue Studie...

DWN
Finanzen
Finanzen Ölpreis: OPEC-Konflikt eskaliert – Saudi-Arabien warnt vor Marktchaos
11.05.2025

Ein gefährlicher Riss geht durch die mächtige Allianz der OPEC-Plus-Staaten. Statt mit geschlossener Strategie die Preise zu...

DWN
Politik
Politik Kann Deutschland Europa retten? Der neue Koalitionsvertrag offenbart alte Schwächen
11.05.2025

Zum Europatag 2025 richtet sich der Blick erneut nach Berlin. Die Erwartungen an Deutschland sind hoch – nicht nur innerhalb der Union,...

DWN
Finanzen
Finanzen Börsenkrisen: Warum Volatilität kein Risiko ist
11.05.2025

Wenn die Börsen Achterbahn fahren, zittern viele Anleger. Doch Panik ist oft der schlechteste Berater – denn was aussieht wie ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Strategien für Krisenzeiten: Wie Sie jetzt Ihre Unternehmensleistung steigern
11.05.2025

Steigende Kosten, Fachkräftemangel, Finanzierungsdruck – viele KMU kämpfen ums Überleben. Doch mit den richtigen Strategien lässt...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft USA vor Energieumbruch: Strom wird zum neuen Öl – und zur nächsten geopolitischen Baustelle
11.05.2025

Ein fundamentaler Wandel zeichnet sich in der US-Wirtschaft ab: Elektrizität verdrängt Öl als Rückgrat der nationalen...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Bill Gates verschenkt Vermögen – Symbol einer neuen Weltordnung oder letzter Akt der alten Eliten?
11.05.2025

Bill Gates verschenkt sein Vermögen – ein historischer Akt der Großzügigkeit oder ein strategischer Schachzug globaler Machtpolitik?...