Dem sogenannten „Wolkenkratzer-Index“ (Skyscraper Index) zufolge gilt eine Häufung von Höhenrekorden bei Bauwerken als wichtiges Indiz dafür, dass eine Phase wirtschaftlichen Aufschwungs in Kürze einem Abschwung beziehungsweise einer Finanzkrise Platz machen wird.
Die vom Immobilienanalysten Andrew Lawrence Ende der 1990er Jahre aufgestellte Theorie ist aufgrund mehrerer Faktoren umstritten, hat aber im historischen Rückblick tatsächlich einige Parallelen zwischen Wirtschaftszyklen und der Bauaktivität aufdecken können.
Beispielsweise fällt die Planung und der Bau der weltweit höchsten Gebäude zu Beginn des 20. Jahrhunderts – des Singer Building und des Metropolitan Life Insurance Company Tower in New York – mit der Börsenpanik von 1907 zusammen. Ähnliches gilt für das Empire State Building im Umfeld der im Jahr 1929 beginnenden Weltfinanzkrise, dem World Trade Center im Umfeld der Ölkrise und eines Börsen-Crashs in der ersten Hälfte der 1970er Jahre sowie für den Bau der Petronas Doppeltürme in Kuala Lumpur kurz vor Beginn der Asienkrise 1997.
Der Burj Khalifa – Rekordhalter seit 2009
Im Jahre 2009 schließlich übertraf der anfangs noch Burj Dubai genannte Burj Khalifa im Emirat Dubai der Vereinigten Arabischen Emirate alle anderen Hochhäuser bei Weitem und rangiert seitdem mit einer Höhe von 828 Metern unangefochten auf Platz 1 der weltweiten Rangliste.
Nimmt man den Wolkenkratzer-Index ernst, hätte es im zeitlichen Umfeld des Baus einen wirtschaftlichen Abschwung geben müssen. Tatsächlich brach Mitte 2008 nicht nur die Weltfinanzkrise aus, sondern Dubai selbst geriet kurz vor der Einweihung des Riesengebäudes in Geldnot, sodass der Herrscher des benachbarten Emirats Abu Dhabi – Scheich Khalifa bin Zayid Al Nahyan – einspringen musste und als Gegenleistung die Umbenennung in Burj Khalifa einforderte.
Pleite der Baufirma ist böses Omen
Hier endet die Geschichte jedoch noch nicht. Denn wie das Handelsblatt berichtet, musste die Baufirma des Burj Khalifa, das an der Dubaier Börse gelistete und in Abu Dhabi sitzende Unternehmen Arabtec vor einigen Tagen Insolvenz anmelden. Die Eigner beschlossen daraufhin, die Firma aufzulösen. Allein im ersten Halbjahr sollen Verluste in Höhe von 226 Millionen Euro erwirtschaftet worden sein. Insgesamt sitzt Arabtec auf Verbindlichkeiten in Höhe von etwa 2,4 Milliarden Euro.
Die ohnehin seit einigen Jahren (insbesondere nach dem Ölpreis-Einbruch des Jahres 2014) in finanzielle Schieflage geratenen Emirate am Golf müssen derzeit nicht nur die von den Corona-Maßnahmen ausgelösten Konjunktureinbrüche verkraften – sondern auch einen neuerlichen Einbruch der Weltmarktpreise für Rohöl. Überdies war der Immobilienmarkt in Emiraten wie Dubai und Abu Dhabi schon vor Ausbruch der Pandemie heiß gelaufen und wies hohe Überkapazitäten auf, weil die Nachfrage nicht mit der massiven Bautätigkeit Schritt halten konnte. Mit Blick auf den Wolkenkratzer-Index muss die Auflösung von Arabtec – dem Erbauer des höchsten Gebäudes der Welt – deshalb als Warnzeichen erster Güte verstanden werden.
Golfmonarchien werden zu Schuldnern
Im Nachgang des Einbruchs der Ölpreise im Jahr 2014 nahmen die reichen Emirate am Persischen Golf erstmals Schulden über die Emission von Staatsanleihen auf. Seitdem verstärkte sich dieser Trend. Wie das Portal oilprice.com berichtet, emittierte Abu Dhabi Anfang September Anleihen mit einer Laufzeit von 50 Jahren über 5 Milliarden Dollar, welche mehrfach überzeichnet waren. Auch Dubai konnte Mitte September Anleihen im Volumen von rund 2 Milliarden Dollar an den Märkten platzieren.
Je länger die Weltmarktpreise für Rohöl so vergleichsweise niedrig wie derzeit sind, umso schwieriger dürfte die Situation für die Staaten der Region werden, schreibt Oilprice
„Alle Golfmonarchien außer Katar werden im laufenden Jahr weiterhin Haushaltsdefizite schreiben oder diese erstmals nach Jahren wieder bekommen, erwartet der Internationale Währungsfonds. Saudi-Arabien – die größte Volkswirtschaft der Region – wird mit einem Defizit von 11,4 Prozent noch am besten und Oman mit etwa 16,9 Prozent am schlechtesten davonkommen. Defizite kommen vor. An ihnen ist nichts Außergewöhnliches. Was aber außergewöhnlich ist, ist der enge finanzielle Spielraum der Regierungen. Das Interesse der Geldgeber an den Anleihen war zwar stark, aber wie stark wird es in der Zukunft sein, wenn die Ölpreise weiter um die Marke von 40 Dollar pro Barrel schwanken? Dieser Wert liegt weit unter den Break Even-Marken der Golfmonarchien, sogar der niedrigsten. So brauch Saudi-Arabien einen Ölpreis von mindestens 76,10 Dollar, um überhaupt Geld zu verdienen. Dieser Wert könnte nächstes Jahr auf 66 Dollar gedrückt werden, läge dann aber immer noch über der Preisprognose von Goldman Sachs von 65 Dollar pro Barrel.“