Wirtschaft

Südostasien kommt besser durch die Corona-Krise als Europa

Südostasien verzeichnet weniger Corona-Infektionen und Todesfälle als die meisten Staaten Europas. Offenbar war die Region besser auf die Krise vorbereitet.
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13.03.2021 10:52
Lesezeit: 4 min
Südostasien kommt besser durch die Corona-Krise als Europa
In Asien ist der Anblick von Masken bereits seit Jahren Alltag. (Foto: dpa) Foto: Rolex Dela Pena

Seit über einem Jahr beschäftigt Corona die Welt, und mit jeder Woche scheint sich die Lage (wirtschaftlich) weiter zu verschlimmern. Lockdowns gehören inzwischen zur neuen Normalität. Zwar wurden so schnell wie nie zuvor Impfstoffe produziert, doch ob diese den versprochenen positiven Effekt haben werden, muss sich erst noch zeigen.

Infolge der Krise sind erhebliche Teile der Wirtschaft geschädigt worden. In den Entwicklungsländern sind viele Millionen Menschen gestorben, weil sie wegen der Lockdowns ihren Lebensunterhalt nicht mehr verdienen konnten oder weil ihnen infolge der unterbrochenen Lieferketten Nahrung und Arzneimittel fehlten.

Die verheerenden wirtschaftlichen Auswirkungen von Corona werden uns voraussichtlich in den kommenden Jahren weiter verfolgen. Denn Hunderte Millionen Menschen haben ihr Einkommen verloren, die Ernährung von Millionen Menschen weltweit ist ernsthaft bedroht, extreme Armut hat sich ausgebreitet.

Corona hat die Unfähigkeit der Politik gezeigt, die Gesundheit der Bürger zu schützen. Die politischen Maßnahmen waren widersprüchlich, kamen zu spät oder waren übertrieben und zeitigten so einen gegenteiligen Effekt. Das heißt, teilweise hatten sie Nebenwirkungen, die um ein Vielfaches schlimmer waren als das ursprüngliche gesundheitliche Risiko durch das Coronavirus.

Südostasien hat im globalen Vergleich vergleichsweise wenig Todesopfer zu beklagen, doch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie trafen die Region, die stark von Exporten und vom Tourismus abhängig ist, natürlich auch. So wie in den meisten Ländern der Welt ist auch in den Staaten Südostasiens das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr geschrumpft.

Eine nennenswerte Ausnahme ist Vietnam, wo die Wirtschaft nach Angaben der Weltbank um 2,9 Prozent gewachsen ist. Dies ist allerdings nicht nur auf den erfolgreichen Kampf des Landes gegen Corona zurückzuführen, sondern vor allem auch auf Produktionsverlagerungen aus China nach Vietnam infolge des Handelskonflikts mit den USA.

Dank gezielter Tests, eines zentralisierten Quarantäneprogramms und frühzeitiger Grenzschließungen hatte Vietnam bei einer Bevölkerung von 98 Millionen im letzten Jahr nur 35 Todesfälle mit dem Coronavirus zu beklagen – zumindest offiziell. Dies war weit weniger als jedes andere vergleichbare Land der Welt, auch wenn die echten Zahlen etwas höher liegen dürften.

„Das bisherige erfolgreiche Management der Pandemie hat das Land bereits in die Lage versetzt, im Jahr 2020 seinen Anteil am Welthandel und an den ausländischen Direktinvestitionen zu vergrößern“, zitiert Reuters Carolyn Turk, die Direktorin der Weltbank für Vietnam.

Erfahrungen mit anderen Pandemien

Der Verband Südostasiatischer Nationen (ASEAN) hat im Umgang mit Corona auf Erfahrungen mit anderen Pandemien zurückgreifen können, darunter SARS im Jahr 2003 und die Schweinegrippe (H1N1) im Jahr 2009. Die Behörden konnten wichtige Maßnahmen sofort umsetzen, als die Nachricht von einem neuartigen Virus aus China eintraf.

Das ermöglichte den ASEAN-Staaten einen rechtzeitigen und genauen Austausch von Informationen über die Krankheit sowie das gemeinsame Festlegen von Verfahren zu Tests, Kontaktverfolgung, Isolierung und Quarantäne. Die Labore der ASEAN-Mitgliedstaaten erhielten Fachwissen und technische Unterstützung.

Die Schnelligkeit, mit der die gemeinsamen Verfahren zu präventiven Maßnahmen und zur Bekämpfung von Coronavirus und Lungenkrankheit festgelegt wurde, half den ASEAN-Staaten erheblich dabei, frühzeitig Maßnahmen zu ergreifen, um die Verbreitung des Coronavirus zu verhindern.

Auf mehreren ASEAN-Gipfeltreffen im letzten Jahr wurden regionale Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie vereinbart. Dazu gehörte die Schaffung eines gemeinsamen Vorrats an lebenswichtigen medizinischen Gütern und Ausrüstungen sowie die Einrichtung eines gemeinsamen Wiederaufbaufonds zur Unterstützung der Mitgliedstaaten.

Um die wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise abzumildern, haben sich die ASEAN-Staaten zudem darauf geeinigt, vorübergehend auf unnötige Handelsbarrieren zu verzichten. Dies soll die Lieferketten stärken und den reibungslosen Fluss von lebenswichtigen Gütern sicherstellen.

Dennoch gab es vor allem in der frühen Phase der Pandemie durchaus Schwierigkeiten bei der Umsetzung der gemeinsam beschlossenen Verfahren sowie Verzögerungen bei der Unterstützung von Mitgliedstaaten mit medizinischen Hilfsgütern.

Die schnell verhängten Grenzschließungen und Lockdowns waren immer schwieriger aufrechtzuerhalten. Denn Tausende von Bürgern, darunter vor allem die zahlreichen Wanderarbeiter, mussten aus dem Ausland zurückkehren, da sie dort ihre Arbeit verloren hatten. In der Folge stiegen auch die Infektionszahlen.

Die Erfolge waren in den verschiedenen ASEAN-Ländern sehr unterschiedlich. Vietnam und Singapur schnitten zum Beispiel viel besser ab als Indonesien und die Philippinen. Dies ist unter anderem auf die unterschiedliche Qualität und Durchsetzung der nationalen Maßnahmen zurückzuführen.

Auch die unterschiedlichen Kapazitäten im Bereich der öffentlichen Gesundheit waren von entscheidender Bedeutung. Denn während SARS und H1N1 nur von kurzer Dauer waren, hat die langwierige Corona-Pandemie die öffentlichen Gesundheitssysteme der meisten Länder in der Region an ihre Grenzen gebracht.

Doch auch wenn die Gesundheitssysteme in Südostasien in der Regel weniger gut entwickelt sind als in Europa oder in den USA, so ist die Zahl der Infektionen und Todesfälle dort trotzdem vergleichsweise niedrig geblieben. Es ist aber noch unklar, welche Staaten am meisten von den weltweit begonnenen Impfungen profitieren werden.

Nach den Ausbrüchen von SARS, H1N1 und MERS wurden in Südostasien die Normen im Hinblick auf Krankheitsüberwachung, schnelle Berichterstattung, Transparenz, Informationsaustausch, soziale Distanzierung und anderer Maßnahmen oft in die nationalen Pandemiepläne eingearbeitet.

Diese Erfahrungen mit früheren Pandemien haben Südostasien offenbar dabei geholfen, die Ausbreitung des Coronavirus besser einzudämmen als andere Regionen. Dennoch hat die aktuelle Krise auch in den ASEAN-Staaten langfristigen Schaden angerichtet, der nun Stück für Stück wieder behoben werden muss.

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