Politik

Japans stellvertretender Verteidigungsminister warnt vor neuem Pearl Harbor

Die jüngsten Manöver von Russland und China im Pazifik beunruhigen nicht nur Taiwan. Ein hochrangiger japanischer Politiker warnt nun sogar vor einem neuen Pearl Harbor.
04.07.2021 17:21
Lesezeit: 4 min
Japans stellvertretender Verteidigungsminister warnt vor neuem Pearl Harbor
Am 07. Dezember 1941 begann mit dem japanischen Luftangriff auf den US-Marinestützpunkt Pearl Harbor auf Hawaii auch in Ostasien der Zweite Weltkrieg. (Foto: dpa) Foto: UPI

Die jüngsten Marine-Manöver von Russland und China im Pazifik bedrohen nach Ansicht von Japans stellvertretendem Verteidigungsminister nicht nur Taiwan, sondern auch die USA. Es drohe ein Überraschungsangriff auf Hawaii im Stil von Pearl Harbor, sagte Yasuhide Nakayama dem Hudson Institute. "Wir müssen gegenüber China Abschreckung demonstrieren, aber nicht nur gegenüber China, sondern auch gegenüber den Russen, weil sie ihre Manöver gemeinsam durchführen."

Taiwans Verwundbarkeit gegenüber einer chinesische Invasion beunruhigt Militärs, Politiker und Analysten im indopazifischen Raum und im Westen immer mehr. In den letzten Wochen und Monaten haben die Manöver der Volksbefreiungsarmee rund um die Insel an Zahl und Intensität zugenommen. "Wir müssen Taiwan als demokratisches Land schützen", sagte Nakayama und deutete an, dass Russland und China einen großangelegten Konflikt vorbereiten könnten - als Verbündete.

China betrachtet Taiwan schon seit 1949 als abtrünnige Provinz. Die meisten anderen Staaten folgen dieser Ansicht insofern, als dass sie keine formellen diplomatischen Beziehungen zu der 23,5-Millionen-Einwohner-Eiland unterhalten. Auch nicht die USA - allerdings unterhalten sie freundschaftliche Beziehungen zu dem Inselstaat, der etwas kleiner als Dänemark ist, und beliefern ihn mit schweren Waffen.

Gegen Nakayamas Bezeichnung Taiwans als "Staat" hat Chinas Außenministerium scharf protestiert. Tokio versuche, die Volksrepublik als Bedrohung darzustellen, um seine eigene militärische Aufrüstung zu rechtfertigen. Das sei "extrem unverantwortlich und gefährlich", sagte der Sprecher des chinesischen Außenministeriums, Wang Wenbin. Nakayama verstoße mit seinen Aussagen "massiv gegen [...] die Gemeinsame Erklärung von China und Japan und die feierliche und wiederholte Verpflichtung, Taiwan nicht als souveränen Staat zu betrachten". China bitte "Japan um eine glasklare Klarstellung und eine Versicherung, dass so etwas nicht wieder vorkommt".

Nakayama hatte gesagt, dass die Spannungen im indopazifischen Raum auch eine Gefährdung der amerikanischen Sicherheit darstellen, insbesondere die Kooperation zwischen China und Russland. Er unterstrich dies, indem er das Gespenst des japanischen Angriffs auf Pearl Harbor heraufbeschwor, der letztlich den Eintritt der USA im Zweiten Weltkrieg auslöste.

"Vor siebzig Jahren haben wir Pearl Harbor angegriffen, aber jetzt sind die USA und Japan sehr gute Verbündete, einer der besten Verbündeten auf der ganzen Welt", sagte er und verwies auf Russlands kürzliche Marineübungen im Pazifik. "Ich möchte nicht an den Angriff vor 70 Jahren erinnern, aber wir müssen vorsichtig sein mit den Manövern der Russen." Diese fänden vor der Westküste von Hawaii statt.

Die Pressestelle der russischen Pazifikflotte teilte am Mittwoch mit, dass "eine Gruppe von Schiffen der russischen Pazifikflotte im Pazifik Raketen- und Artillerieschüsse abgegeben" habe. Weiter hieß es: "Im Rahmen der praktischen Maßnahmen wehrten die Kriegsschiffe gemeinsam einen fiktiven feindlichen Luftangriff ab."

Die Übung habe dazu gedient, "den zuverlässigen Betrieb schiffsgestützter Waffen in einem heißen Klima zu überprüfen", so die Pressestelle. Darüber hinaus habe man Maßnahmen zur elektronischen Kriegsführung durchgeführt. Das Flaggschiff der Pazifikflotte führte auch Artilleriebeschuss gegen ein Seeziel durch, das ein kleines Schiff simulierte.

Auch die USA und Japan führen Militärübungen durch

Auch die USA und Japan haben in letzter Zeit gemeinsame Militärübungen im Südchinesischen und Ostchinesischen Meer durchgeführt. Schon im letzten Jahr der Regierung von US-Präsident Donald Trump begannen die Militärs von Japan und der USA ernsthafte Planungen für einen möglichen Konflikt, wie die Financial Times unter Berufung auf Insider berichtet.

Shinzo Abe, der damalige Premierminister Japans, beschloss im Jahr 2019, die militärische Planung wegen der Bedrohung Taiwans und der Senkaku-Inseln im Ostchinesischen Meer deutlich auszuweiten. Diese Aktivitäten werden unter den Regierungen von Trumps Nachfolger Joe Biden und Abes Nachfolger Yoshihide Suga eifrig fortgesetzt.

Washington und Tokio sind vor allem auch deshalb beunruhigt, weil China regelmäßig mit Kampfjets und Bombern in Taiwans Luftverteidigungs-Identifikationszone eindringt, zuletzt im großen Stil am 15. Juni mit 28 Kampfflugzeugen. Auch ist die Volksrepublik im Gebiet der Senkaku-Inseln - die von Japan verwaltet, aber sowohl von China als auch von Taiwan beansprucht werden - mit ihrer Küstenwache, Marine und Luftwaffe zunehmend aktiv.

China sagt, es wolle eine friedliche Vereinigung mit Taiwan, hat aber auch die Anwendung von Gewalt nicht ausgeschlossen. Die USA wollten schon seit langem, dass Japan sich stärker an den militärischen Planungen beteiligt, aber das Land war durch seine pazifistische Nachkriegsverfassung eingeschränkt. Doch 2015 hat die Abe-Regierung die Verfassung neu interpretiert, um es Japan zu erlauben, Verbündete zu verteidigen.

Mark Montgomery, Admiral im Ruhestand, der die Flugzeugträger-Streikgruppe "USS George Washingto" kommandierte und zwischen 2014 und 2017 "Direktor für Operationen" beim amerikanischen Indo-Pazifik-Kommando war, sagte: "Wenn sich eine Krise ausweitet und Japan potenziell als Teilnehmer hinzugezogen wird, müssen die USA verstehen, wie Japan US-Operationen unterstützen oder ermöglichen könnte." Das dürfte ein Grund für die Ausweitung der amerikanisch-japanischen militärischen Zusammenarbeit in der Region sein.

Diplomaten prüfen derzeit die rechtlichen Fragen einer gemeinsamen Militäraktion, etwa den Zugang zu Stützpunkten und eine logistische Unterstützung, die Japan den US-Streitkräften in einem Konflikt mit China bieten könnte. Im Falle eines Krieges um Taiwan würden die USA auf Luftwaffenstützpunkte in Japan zurückgreifen. Aber das erhöht das Risiko, dass Tokio in den Konflikt hineingezogen wird.

Ein Beamter sagte, die USA und Japan müssten dringend einen trilateralen Mechanismus mit Taiwan schaffen, um Informationen über chinesische Marine- und Luftwaffenbewegungen auszutauschen, vor allem rund um die Miyako-Straße östlich von Taiwan, die von japanischen Sensoren aus dem Nordosten und taiwanesischen Sensoren aus dem Südwesten überwacht wird.

"Einige dieser Daten werden zwischen Taiwan und den USA sowie zwischen Japan und den USA ausgetauscht. Aber wir haben keinen direkten trilateralen Austausch. Man kann nicht mitten in einem Notfall damit beginnen, das einzurichten. Das muss jetzt getan werden." Ein anderer Beamter sagte, dass die drei Staaten im Jahr 2017 vereinbarten, militärische Flugzeugcodes zu teilen, um freundliche Flugzeuge zu identifizieren.

Taiwanesische Beamte sowie US-amerikanische und japanische Quellen sagen übereinstimmend, dass die Zusammenarbeit seitdem deutlich zugenommen habe, angetrieben durch das wachsende Bewusstsein in Japan hinsichtlich der Bedeutung Taiwans - das nur 110 Kilometer von Yonaguni, der westlichsten Insel des japanischen Archipels, entfernt liegt - für die Sicherheit Nippons.

"Die japanische Regierung hat zunehmend erkannt und gibt sogar öffentlich zu, dass die Verteidigung Taiwans gleichbedeutend mit der Verteidigung Japans ist", zitiert die Financial Times Heino Klinck, einen ehemaligen Top-Beamten im Pentagon, der die militärischen Beziehungen zu Japan und Taiwan von Ende 2019 bis zum Ende der Trump-Regierung beaufsichtigte.

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