Politik

Das Afghanistan-Chaos nimmt Konturen an, IS schickt Kämpfer

In verschiedenen Teilen Afghanistans toben Kämpfe zwischen den Taliban und afghanischen Regierungstruppen. Das Land wird bald im Chaos versinken, denn auch der IS schickt Kämpfer nach Afghanistan.
07.08.2021 10:25
Lesezeit: 2 min
Das Afghanistan-Chaos nimmt Konturen an, IS schickt Kämpfer
31.03.2018, Afghanistan, Farah Provinz: Das Propagandafoto der Taliban zeigt Absolventen eines Terror-Trainingscamps mit Maschinengewehren in Formation. (Foto: dpa) Foto: Ho

In Afghanistan sind heftige Kämpfe zwischen Regierungstruppen und den Taliban in zwei der wichtigsten Provinzhauptstädte des Landes ausgebrochen. In Laschkarga, Hauptstadt der südlichen Provinz Helmand, wurde in der vergangenen Woche in verschiedenen Stadtbezirken gekämpft, wie die Provinzbehörden mitteilten. Die Taliban hatten die Stadt vier Tage zuvor angegriffen. In der Stadt Herat in der gleichnamigen Provinz im Westen des Landes tobten die Kämpfe nur wenige Kilometer vom Stadtzentrum entfernt. Kleinere Zusammenstöße gab es auch in der südlichen Provinz Kandahar.

Helmand, Herat und Kandahar sind die drei flächenmäßig größten Provinzen Afghanistans. In Herat griffen die Taliban auch einen UN-Stützpunkt an, töteten einen Wachtposten und verletzten mehrere andere. Die UN verurteilten den Angriff aufs Schärfste. Bei den Kämpfen in den verschiedenen Provinzen gerieten auch Zivilisten in Gefahr. Der Provinzrat Abdul Majid Akhundzada sagte, es habe Tote und Verletzte unter der Zivilbevölkerung gegeben. Ein privates Krankenhaus, in dem sich Talibankämpfer versteckten, sei von Luftangriffen getroffen worden.

In Afghanistan geht dieser Tage nach fast 20 Jahren ein internationaler Militäreinsatz zu Ende, der im Herbst 2001 zum Sturz der damaligen Taliban-Herrschaft geführt hatte. Die deutsche Bundeswehr hat ihre Truppen schon vollständig abgezogen. Die US-Militärmission in dem Land soll am 31. August enden. Zuletzt haben die USA aber angesichts des Vormarsches der Taliban wieder verstärkt Luftangriffe geflogen, bei denen die Flugzeuge von außerhalb des Landes starteten.

Zum Abzug der US-Truppen aus Afghanistan schreibt die „Neue Zürcher Zeitung“ (NZZ):

„Zwar dürfte der Abzug aus Afghanistan momentan die Zustimmung der meisten Amerikaner geniessen, weil sich viele fragen, ob sich der langjährige Einsatz dort – wie auch jener im Irak – angesichts der hohen Kosten an Menschenleben und Geld wirklich gelohnt hat. 2300 amerikanische Militärangehörige wurden im Laufe der Jahre dort getötet. (...) Falls die Taliban tatsächlich die Hauptstadt Kabul einnehmen und über die Macht verfügen, ihre archaischen Strafen wie Steinigungen und Handabhacken wieder durchzusetzen, wird der Vorwurf der Gleichgültigkeit wohl auf Biden und nicht auf Trump zurückfallen, der den Rückzug initiierte. Dann wird man definitiv sagen, dass das zwanzigjährige Engagement umsonst gewesen sei und man ein Land schutzlos in die Barbarei habe zurückfallen lassen.“

Russland verstärkt angesichts der gespannten Lage in Afghanistan nach Angaben von Verteidigungsminister Sergej Schoigu das „Kampfpotenzial“ seiner Basen in Zentralasien. Die Stützpunkte in den früheren Sowjetrepubliken Tadschikistan und Kirgistan würden besser ausgestattet, „um auf die Krisensituation zu reagieren“, sagte Schoigu. Der Minister erörterte in der tadschikischen Hauptstadt Duschanbe mit Kollegen aus Nachbarstaaten, darunter Chinas Verteidigungsminister Wei Fenghe, die Lage in Afghanistan mit Blick auf den Abzug der Truppen der USA und ihrer Verbündeten.

Durch ihren „übereilten Abzug“ hinterließen die USA eine zunehmend gefährliche Situation in der Region, sagte Schoigu. Wie die russische Nachrichtenagentur Interfax meldete, verglich Schoigu bei einem Gespräch mit seinem chinesischen Kollegen Wei die USA mit einem „schlechten Dompteur in einem Wanderzirkus“. „Der Dresseur ist in Panik aus dem Käfig gerannt und schaut jetzt mit dem ganzen Publikum von außen zu, wie die Mitwirkenden der Vorstellung sich um ein Stück zurückgelassenes Fleisch kabbeln.“

Russland sieht den Vormarsch der der Taliban mit Sorge. Schoigu kündigte an, die Partner in Zentralasien mit „Waffen, Militärtechnik und der Ausbildung von Kadern“ zu unterstützen. Er sagte, dass die Anschlagsgefahr in der Region zunehme, weil immer mehr Mitglieder der Terrormiliz IS etwa aus Libyen und Syrien nach Afghanistan kämen. Der Minister sicherte Tadschikistan, wo Russland seine größte Auslandsbasis hat, Unterstützung gegen ein mögliches Eindringen von Terroristen zu. Zuletzt waren Hunderte Angehörige afghanischer Sicherheitsorgane aus Angst vor den Taliban nach Tadschikistan und Usbekistan geflohen. Die Massenflucht der Afghanen zeige, dass die Vereinbarungen der USA mit den Taliban nicht umgesetzt würden, sagte Schoigu. Russland beteiligt sich auch an einem Militärmanöver in der kommenden Woche vom 5. bis 10. August in Tadschikistan und Usbekistan an der Grenze zu Afghanistan. Dabei solle vor allem trainiert werden, wie etwa auch unter Nutzung der Luftaufklärung ein Eindringen von Kämpfern aus Afghanistan zu verhindern sei, sagte Schoigu.

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