Politik

Taliban erobern erstmals Provinzhauptstadt, Zivilisten fliehen aus Todesangst

Lesezeit: 1 min
06.08.2021 18:28  Aktualisiert: 06.08.2021 18:28
Die Taliban haben im Kampf gegen die Regierung in Kabul erstmals eine Provinzhauptstadt eingenommen.
Taliban erobern erstmals Provinzhauptstadt, Zivilisten fliehen aus Todesangst
Mullah Abdul Ghani Baradar (3.v.l), Vize-Chef der Taliban aus Afghanistan, kommt mit anderen Delegierten der Taliban zu Gesprächen. (Foto: dpa)
Foto: Alexander Zemlianichenko

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Die Taliban haben im Kampf gegen die Regierung in Kabul erstmals eine Provinzhauptstadt eingenommen und damit kurz vor Abzug der letzten US-Soldaten einen bedeutsamen Sieg errungen. Zudem töteten sie am Freitag den Chefsprecher der Regierung, Dawa Chan Menapal. Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen stellte die US-Sonderbeauftragte für Afghanistan, Deborah Lyons, den Friedenswillen der Taliban infrage und erklärte, der Krieg sei in eine neue, tödlichere und destruktivere Phase eingetreten.

Die Hauptstadt Sarandsch der Provinz Nimrus im Süden des Landes sei von den Taliban eingenommen worden, teilte die Provinzpolizei mit. Deren Sprecher machte das Ausbleiben von Verstärkungen durch die Zentralregierung in Kabul für die Niederlage verantwortlich. Ein Beobachter in der Provinz berichtete, die Taliban hätten den Gouverneurspalast, das Polizeipräsidium und einen Posten nahe der iranischen Grenze besetzt. Afghanische Zivilisten fliehen vor den Taliban in den Gebieten, die von der Regierung kontrolliert werden.

Ein Taliban-Kommandeur, der namentlich nicht genannt werden wollte, sah eine strategische Bedeutung in der Eroberung: „Dies ist der Anfang und Sie werden sehen, wie die anderen Provinzhauptstädte rasch in unsere Hände fallen.“ Die Taliban haben in den vergangenen Monaten Dutzende Bezirke und Grenzübergänge unter ihre Kontrolle gebracht. Ende August sollen die letzten US-Soldaten ausgeflogen werden, die Bundeswehr hat bereits alle Einsatzkräfte zurückgeholt, meldet Reuters.

Der enge Mitarbeiter des Präsidenten Aschraf Ghani, Regierungssprecher Menapal, wurde nach Angaben des Innenministeriums beim Freitagsgebet ums Leben gebracht. Die Taliban sprachen von einer gezielten Strafaktion. Die Tötung Menapals ist die jüngste in einer Reihe anderer, die darauf abzielen, Ghanis demokratisch gewählte, vom Westen unterstützte Regierung zu schwächen.

Im vergangenen Monat seien mehr als Tausend Zivilsten während der Offensive der Taliban getötet worden, sagte die Afghanistan-Beauftragte der USA. „Eine Partei, die aufrichtig einer vereinbarten Einigung verpflichtet wäre, würde nicht so viele zivile Opfer riskieren, denn sie würde wissen, dass der Prozess der Aussöhnung schwieriger wird, je mehr Blut geflossen ist“, sagte Lyons. Die Taliban hatten den USA zugesagt, mit der Kabuler Regierung eine Verhandlungslösung zu suchen.

Der Vertreter Russlands im Sicherheitsrat warnte, Kämpfer aus Afghanistan könnten verkleidet als Flüchtlinge in die Region einsickern. Dies sei eine Gefahr für alle zentralasiatischen Staaten. Der Vertreter Chinas rief die USA auf, die Bemühungen zum Erhalt der versprochenen Stabilität in Afghanistan zu verstärken.


Mehr zum Thema:  

DWN
Panorama
Panorama Notopfer Berlin: Historische Steuermarke als Symbol für Solidarität und Wiederaufbau
05.01.2025

Das „Notopfer Berlin“ half Westberlin nach dem Zweiten Weltkrieg, wirtschaftlich zu überleben. Die blaue Steuermarke brachte...

DWN
Panorama
Panorama Krebsrisiko: So können Sie Ihr Risiko um bis zu 40 Prozent senken
05.01.2025

Die Risikofaktoren für Krebserkrankungen sind häufig mit den gängigen Vorsätzen zum Jahresbeginn verbunden. In einer Studie der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Ciao Biene: Italien nimmt traurig Abschied von der multifunktionalen Ape
05.01.2025

Käfer, Ente und jetzt also auch die Biene: Von Europas Straßen verschwindet ein weiterer Klassiker. Künftig wird nur noch in Indien...

DWN
Finanzen
Finanzen Frühere Oberstaatsanwältin Brorhilker warnt: „Cum-Ex läuft weiter“
05.01.2025

Sie war Deutschlands wichtigste Ermittlerin im Cum-Ex-Skandal. Die frühere Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker ist überzeugt: Illegale...

DWN
Immobilien
Immobilien Punks und Bahnchaos: Verliert Sylts Image seinen Glanz?
05.01.2025

Sylt ist für seine weiten Strände, Luxus-Häuser und edlen Restaurants bekannt. Zuletzt haben geballte Negativ-Schlagzeilen von der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Wertvollste Börsenkonzerne der Welt: Nur drei deutsche Unternehmen unter den Top 100
05.01.2025

Im Jahr 2024 haben nur drei deutsche Unternehmen den Sprung unter die 100 wertvollsten Börsenkonzerne der Welt geschafft. SAP, Siemens und...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Schatzsuche im Müll - große Chancen im Rückbau von Deponien
05.01.2025

Früher waren große Mülldeponien der Standard im Abfallmanagement und als Endlager für die Ewigkeit gedacht. Doch inzwischen zeichnet...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Mittelstand geht in Rente: Der große Mangel an Nachfolgern - Wie viele übergabereife Unternehmen stehen bald vorm Aus?
04.01.2025

Viele deutsche Mittelständler finden keinen geeigneten Nachfolger und sehen sich perspektivisch zur Geschäftsaufgabe gezwungen, denn...