Weltwirtschaft

Nachhaltig teuer: Die Ära der „grünen Inflation“ hat begonnen

Lesezeit: 10 min
02.04.2022 09:30  Aktualisiert: 02.04.2022 09:30
Unter den Stichworten Energiewende, ökologisches Wirtschaften und nachhaltige Finanzen macht der Staat in allen Lebensbereichen Vorschriften, wie man heizen, produzieren, konsumieren und investieren darf – und treibt damit letztlich nur die Preise nach oben. Die künstliche „Greenflation“ macht sich immer mehr in unserem Alltag bemerkbar.

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Die Erzeugerpreise in Deutschland sind explodiert. Per Januar 2022 stiegen die Preise der Produzenten um 24 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat und damit so stark wie seit vielen Jahrzehnten nicht mehr. Die Energiepreise stiegen im letzten Jahr sogar um 69 Prozent.

Das befeuert die Inflation. Erzeugerpreise sind der wichtigste Frühindikator für die Konsumentenpreise, die im Januar um 4,9 Prozent zum Vorjahr zulegten. Deutschland und Europa insgesamt droht eine grassierende Geldentwertung.

Neben der ultralockeren EZB-Geldpolitik, den vor allem durch Corona-Maßnahmen entstandenen Lieferengpässen und einem allgemeinen Aufwärtstrend bei Rohstoffpreisen, ist hierfür ein vierter großer Faktor verantwortlich: Die Klimapolitik. Im Englischen spricht man in diesem Zusammenhang auch von der „Greenflation“, der grünen Inflation. Mit ideologisch getriebenen umweltpolitischen Entscheidungen arbeiten Regierungen letztendlich gegen und nicht für die Bevölkerung. Die zahlt am Ende gleich doppelt: Erstens mit dem Geldbeutel für die immer höheren Preise und zweitens mit der eigenen Lebenszeit für die aufwendige Erfüllung der stetig zunehmenden und immer absurder werdenden Umwelt-Vorschriften.

Teure Umrüstungen von Häusern ohne ersichtlichen Nutzen für die Umwelt

Neubauten in Deutschland müssen seit einigen Jahren so gebaut werden, dass ein Mindestanteil des Wärmeenergie-Bedarfs aus erneuerbaren/ umweltschonenden Energiequellen gedeckt wird. Zudem müssen Immobilien-Eigentümer für ein Mindestniveau an Wärmedämmung sorgen. Das Ganze firmiert unter dem Namen „Erneuerbare-Energien-Wärmegesetz“. Für Altbauten gibt es zunächst eine Übergangsphase, in der erst einmal nur beim Heizungstausch bestimmte Vorgaben gemacht werden. Die genauen Anteile und Fristen variieren je nach Bundesland. In einigen Bundesländern ist es heute – unter gewissen Bedingungen – noch möglich, beim Heizungstausch auf konventionelle Energien zu setzen.

Man sieht: Dem Bürger wird nicht einmal mehr in der Frage der Heizungsart seiner eigenen vier Wände die freie Wahl gelassen. Unzählige Ressourcen werden in die Wärmedämmung und Installation neuer Heizungs-Anlagen gesteckt, auch wenn viele Eigentümer das gar nicht freiwillig machen würden. Ältere Gebäude sind häufig überhaupt nicht auf Wärmepumpen, Solarthermie, Geothermie und andere nicht klimaschädliche Heizungs-Formen ausgerichtet und müssen deshalb zunächst für hohe fünfstellige Beträge umgebaut werden. Der Umwelt ist mit solchen Maßnahmen wohl kaum geholfen.

Die Verbraucherzentrale schreibt beispielsweise zur Effizienz von Wärmepumpen: „Eine Wärmepumpenheizung eignet sich nur für Häuser mit gutem Wärmeschutz. Wer ungedämmte Wände hat, kann eine Wärmepumpe nicht günstig und klimafreundlich nutzen. Wasser-Wasser-Wärmepumpen, die das Grundwasser nutzen, haben die beste Energiebilanz. Häufiger zum Einsatz kommen aber die ebenfalls sehr effizienten Erdwärmepumpen. Die am wenigsten aufwendigen Luftwärmepumpen haben im Schnitt die schlechteste Bilanz.“

Auf deutsch: Entweder man hat genügend nutzbares Grundwasser vor Ort und kann damit eine Wasser-Wasser-Wärmepumpe betreiben, oder aber die eigene Heizung ist horrend ineffektiv, ergo viel zu teuer und vollkommen kontraproduktiv. Immerhin könne laut Verbraucherzentrale „eine Photovoltaikanlage unter guten Bedingungen einen spürbaren Anteil des Stroms für die Wärmepumpe liefern“.

Ein teurer Umbau zum Zwecke des Wärmeschutzes ist für viele Altbauten aber in jedem Fall nötig. Und effizient angeheizt wird eher nicht das eigene Haus, sondern die Inflation, denn Millionen von Immobilien müssen in Zukunft mit jetzt schon knappen Baumaterialien für teures Geld umgerüstet werden. Zusätzlich gibt es auch interne Knappheiten bei den Baufirmen selbst, weil diese mit den Aufträgen nicht mehr hinterherkommen. Der von Klimaminister Habeck verordnete Förderstopp für Gebäude mit geringem Energieverbrauch (wodurch nach Angaben des Verbandes der Wohnungswirtschaft 300.000 Wohnungen nicht wie geplant gebaut oder modernisiert werden können) hilft auch nicht weiter. Eingesetzte Baustoffe wurden unter Umständen völlig verschwendet, wenn das Bauprojekt jetzt aufgrund des Förderstopps eingestellt wurde.

Unter dem Strich steigen die Baupreise, die höheren Kosten werden teilweise auf die Mieten umgelegt und erhöhen somit das allgemeine Preisniveau.

Energie, Industriemetalle, Nahrung: alles wird teurer

Das nächste große Thema ist die Stromversorgung. In Deutschland schafft das Prestige-Projekt „Energiewende“ durch das Abschalten zuverlässiger Stromquellen (Atomkraft, Kohle, perspektivisch Öl und Gas) und Ersetzen durch die unzuverlässigeren Erneuerbaren Energien (Wind, Solar) jetzt schon gewaltige Furcht vor Strom-Knappheiten und Blackouts. Insbesondere aus der regierungstragenden grünen Partei ist immer öfter von „Stromrationierung“ beziehungsweise „bedarfsgerechter Verteilung“ als Problemlösung die Rede.

Die Stromkosten verzeichnen schon seit vielen Jahren einen extremen Anstieg. Ein interessantes Detail hierzu: EEG- und andere Umlagen sowie Steuern machen in Deutschland knapp drei Viertel dieser Kosten aus. In vielen europäischen Ländern haben sich die Strompreise an den Energiebörsen in jüngster Zeit verdoppelt bis verdreifacht. Die Stromanbieter können die explodierenden Kosten nicht (mehr) stemmen und leiten es an die Kunden weiter, sofern sie im Zuge des Preis-Tsunamis nicht längst insolvent gegangen sind.

Energie ist generell exorbitant teuer geworden. Erdöl notiert bei rund 90 Dollar, nachdem es für viele Jahre in einer Bandbreite zwischen 40 und 60 Dollar lag. Einige Analysten halten es im aktuellen inflationären Umfeld für möglich, dass der Ölpreis noch in diesem Jahr die Marke von 100 Dollar knacken wird. Die Europäischen Gaspreise (als Referenzpreis wurde hier das in den Niederlanden gehandelte „Natural Gas EU Dutch TTF“ gewählt) sind zwischenzeitlich auf einen Rekordwert von 182 Euro gestiegen. Die Preise haben sich mittlerweile halbiert, sind aber im historischen Kontext immer noch enorm hoch. Im Vergleich zum Januar 2021 ist europäisches Gas ein Jahr später dreimal so teuer geworden.

In Deutschland ist von rapide sinkenden Gasvorräten die Rede. Dafür ist nicht in erster Linie die Umwelt-Politik verantwortlich, sondern es sind die Beschaffungsverhältnisse auf den internationalen Gasmärkten. Aber wie beim Strom besteht der Gaspreis zu erheblichen Teilen aus Steuern und Umlagen. Außerdem führt die europäische Bepreisung von Kohlendioxid (CO2-Emissionszertifikate) zu steigenden Kosten bei den Gas-Erzeugern. Der Preis dieser Zertifikate hat in den vergangenen Jahren ein Allzeithoch erklommen (allein im letzten Jahr kam es zu einer Verdreifachung), wobei die enormen Zusatzkosten von der Industrie in Form höherer Preise freilich an die Verbraucher weitergegeben werden. Diese Mechanismen gelten nicht nur für Heizgas, sondern auch für Benzin und sonstige Erdöl-Produkte. Die hohen Energiepreise ziehen sich durch die gesamte Wirtschaft, weil auch die Kosten von Produktion, Lagerung und Transport steigen.

Zusätzlich ist die vor allem in Mitteleuropa und Nordamerika angeschobene Energiewende ein echter Preistreiber für Rohstoffe wie Aluminium (Windräder), Silizium (Solarzellen) und Kobalt (Elektroautos), welche zunehmend knapp und deshalb exorbitant teurer werden.

Die designierten Energie- und Transportmittel der Zukunft sind relativ zur Leistung deutlich teurer als ihre konservativen Vorgänger-Technologien. Große Technologie-Schübe, die eine billigere Massenproduktion ermöglichen würden, kann man allenfalls bei Batterien für E-Autos erwarten, die Hersteller von Solarzellen und Windrädern operieren hingegen jetzt schon an der Grenze des physikalisch möglichen Wirkungsgrads.

Der Bau von Windrädern erfordert einen solch gigantischen Rohstoff-Einsatz, dass man sie nur schwer als nachhaltig bezeichnen kann. Solarzellen sind auch relativ teuer, haben aber zumindest kein Entsorgungsproblem gewaltiger Größenordnung. Elektroautos haben sich derweil ursprünglich nicht von alleine am Markt durchgesetzt, gerade weil sie weniger effizient sind als Verbrenner-Autos, deshalb mehr Ressourcen verbrauchen und deutlich höhere Produktionskosten haben. Diese höheren Produktionskosten werden teilweise an die Verbraucher abgewälzt.

Und das ist noch nicht alles: Rhodium und Palladium haben im Zuge verschärfter Abgasnormen für Kraftfahrzeuge in den letzten fünf Jahren eine waschechte Preisexplosion erlebt.

Die sehr seltenen Metalle werden in Katalysatoren von Verbrennern verbaut, um den Schadstoffausstoß (vor allem Stickoxide) zu minimieren. Eigentlich eine sinnvolle Sache, aber die Umwelt-Auflagen werden zunehmend derart unrealistisch, dass die Autobauer dem nur noch unter Einsatz immer größerer Mengen an Rhodium und Palladium beikommen können, was sich entsprechend in den Preisen bemerkbar macht.

Auch Nahrungsmittel kosten immer mehr, weil Agrar-Rohstoffe wie Zucker und Weizen immer teurer werden. Die explodierenden Preise für Energie (siehe oben) sowie Düngemittel machen sich deutlich in höheren Kosten der Bauern bemerkbar. Ein direkter Zusammenhang mit ökologischen Vorschriften in der Landwirtschaft soll hier aber nicht unterstellt werden.

Ein Blick auf die Entwicklung des „CRB Commodity Index“ in den letzten 20 Jahren zeigt indes, dass der Aufwärtstrend bei den Rohstoffpreisen noch lange nicht am Ende angekommen sein muss.

Man bedenke auch: Die billionenschweren „Green Deals“ in den USA und der EU sind gerade erst angelaufen. Die gigantischen Investitionsvorhaben erfordern eben auch gigantische Mengen an Rohstoffen.

Die grüne Inflation ist von Dauer

Soviel zu den brandaktuellen Preistreibern in der Ära der grünen Inflation. Wie sieht es mit anderen Faktoren in der Zukunft aus?

  • Die Klimapolitik wird sich mittelfristig nicht ändern. Die hierzulande frisch zu Jahresbeginn eingeführte CO2-Steuer verteuert die Nutzung fossiler Energien noch mehr und treibt damit die ohnehin schon kaum noch tragbaren Energiepreise weiter nach oben. Die Grünen drängen darauf, die Sondersteuer – welche derzeit bei 25 Euro je ausgestoßener Tonne CO2 liegt – rasch in Richtung 100 Euro anzuheben. Dazu werden immer weitere Umwelt-Auflagen für die Industrie kommen – das bedeutet mehr regulatorische Kosten, die wiederum auf die Preise umgelegt werden, insbesondere im Rohstoff- und Energiesektor sowie in der Schwerindustrie.
  • Im Kampf gegen den Klimawandel wird ein Bruchteil des Kapitalstocks (Autos mit Verbrennungsmotoren, Öl- und Gasheizungen) mutwillig entwertet. Weil diese Vermögenswerte irgendwann ersetzt werden müssen, entsteht hier mittel- bis langfristig eine künstliche Nachfrage, der kein entsprechend gestiegenes Angebot gegenübersteht. Auch das wirkt letztlich inflationär.
  • In die Ernährung der Menschen will man sich nun ebenfalls einmischen. So ist seit vielen Jahren eine Fleisch-Steuer im Gespräch. Wenn es nach einigen Politikern geht, dann sollen Fleisch, Milch und Zucker künstlich verteuert werden, um die Menschen zu einer gesünderen Ernährung anzuregen.

Der Ausblick zeigt klar in Richtung einer weiter florierenden grünen Inflation. Noch gar nicht berücksichtigt wurde hier die weltweit aufkommende Agenda der „Sustainable Finance“ (nachhaltige Finanzwirtschaft). ESG (Environmental, Social, Governance) ist das Schlagwort der Stunde. In nicht allzu ferner Zukunft dürfen Anleger vermutlich nur noch Wertpapiere „nachhaltiger“ Unternehmen kaufen, welche bestimmte soziale und ökologische Faktoren berücksichtigen. Die großen Akteure der Finanzwelt positionieren sich jetzt schon für diese regulatorische Umwälzung.

Bis 2025 sollen laut der Unternehmensberatung PwC mehr als die Hälfte aller von Vermögensverwaltern gemanagten Assets nachhaltig sein. Schon heute kaufen Branchen-Umfragen zufolge etwa 70 Prozent der institutionellen Investoren (Vermögensverwalter, Pensionsfonds, Versicherer, Hedgefonds) nur noch Aktien und Anleihen ESG-konformer Unternehmen. Sofern Sie überhaupt wissen, was „ESG-konform“ genau bedeutet. Denn selbst innerhalb der Finanzwelt hat kaum jemand den vollen Durchblick.

Grüne Planwirtschaft und ihre Folgen

Was genau ist ein nachhaltig wirtschaftendes Unternehmen? Was ist unter dem Strich klimaförderlich und was klimaschädlich? Die ESG-Standards werden komplett von Politikern und Bürokraten bestimmt. Das heißt, den Erzeugern und Verbrauchern fossiler Energien sowie den Lieferanten dieser Unternehmen geht es an den Kragen – ob gerechtfertigt oder nicht.

Die Auswirkungen werden gravierend sein. Beispielsweise macht es der allgemeine ESG-Trend Ölfirmen (aufgrund perspektivisch fehlender Finanzierung durch Investoren) zunehmend schwerer, teurer und vor allem unsicherer, langfristige Investitionen in Öl- und Gasförderungsanlagen zu tätigen. Die großen Konzerne des Sektors investieren stattdessen schon heute zunehmend riesige Summen in Erneuerbare-Energien-Projekte. Hier winken nicht nur gesellschaftliche Akzeptanz und Kapital der Investoren, sondern unter Umständen auch staatliche Fördergelder.

Die Produktionsmengen fossiler Energieträger werden dadurch (vor allem in den Industrienationen) massiv unter Druck kommen und die Preise entsprechend steigen, denn Nachfrage besteht weiterhin mehr als genug – alleine durch die wachsende Weltbevölkerung in Kombination mit der immer noch sehr dominanten Rolle fossiler Brennstoffe in den Entwicklungs- und Schwellenländern.

Kapital und Ressourcen wandern stattdessen massenhaft an als ESG-konform definierte Abnehmer. Dass man diese Verteilung durch politische Eingriffe künstlich herbeiführen muss, ist ein Zeichen dafür, dass die profitierenden Firmen eben gerade nicht nachhaltiger sind. In einer Marktwirtschaft werden knappe Ressourcen über den Preismechanismus automatisch ihrer bestmöglichen Verwendung zugeteilt, ergo maximal effizient eingesetzt. Die grüne Planwirtschaft hingegen führt zu Ineffizienzen, Ressourcenverschwendung und hoher Inflation. Gut für die Umwelt ist das mit Sicherheit nicht, zumal nicht einmal der globale CO2-Ausstoß rückläufig ist, sondern nur von Mitteleuropa und Nordamerika nach Osteuropa und Asien verlagert wird. Alles, was die vermeintlichen Weltretter am Ende erreichen, ist die Verarmung der Bürger.

                                                                            ***

Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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