Die Goldindustrie in Deutschland arbeitet fast ausschließlich mit wiederverwertetem Material. Damit unterscheidet sie sich deutlich vom Weltmarkt, wo der Recyclinganteil nach Angaben der Fachvereinigung Edelmetalle mit Sitz in Pforzheim bei rund einem Drittel liegt. „Somit stammt das hierzulande produzierte Gold bis auf Kuppelprodukte aus Kupfererzen zu nahezu 100 Prozent aus Recycling“, sagte Geschäftsführer York Tetzlaff der Deutschen Presse-Agentur.
Das hat damit zu tun, dass Deutschland ein rohstoffarmes Land ist und es zwischen Minengold und recyceltem Gold keine Qualitätsunterschiede gibt. Edelmetalle lassen sich beliebig oft einschmelzen und wiederverwenden. Hinzu kommt der Nachhaltigkeitsaspekt. Studien zeigen Tetzlaff zufolge, dass recyceltes Gold einen um den Faktor 1000 günstigeren CO2-Fußabdruck hat als Material aus Minen.
„Vor einigen Jahren gab es noch die Einstellung, dass Recycling nicht gut zum emotionalen Faktor Gold passt“, sagte der Experte. Doch mit dem Wandel in der Modebranche habe sich auch im Goldbereich etwas getan: Die europäische Schmuckindustrie etwa setze immer mehr auf nachhaltige Produktion durch sogenanntes Re- und Upcycling von Altgold, manche Juweliere böten darüber hinaus spezielle Produktlinien mit sogenanntem Fairtrade-Gold an.
Doch wie seriös sind solche Angaben? Tetzlaff betonte, die hiesigen Scheideanstalten seien mehrfach zertifiziert. Dass die Vorgaben eingehalten werden, überprüften unabhängige Auditoren jährlich. Und 2021 trat eine EU-Verordnung zum verantwortungsvollen Rohstoffbezug in Kraft, in der es unter anderem um den Schutz der Menschenrechte, die Ablehnung krimineller Aktivitäten und Umweltschutz geht. Noch wartet die Branche aber darauf, dass Brüssel wie geplant die entsprechenden Zertifizierungsinitiativen offiziell anerkennt.
Größere Risiken beim Einhalten von Umwelt- und Sozialstandards sieht Tetzlaff vor allem im Kleinbergbau, aus dem ungefähr zehn Prozent des weltweiten Primärgoldes stammten. Im arabischen und asiatischen Raum etwa achte man häufig nicht so genau auf nachhaltige Lieferketten. Er räumte ein, dass solches Gold über Umwege nach Deutschland kommen kann. „Das ist leider nicht vollkommen auszuschließen.“
Michael Reckordt sieht das kritischer. Er ist Rohstoffexperte beim Verein PowerShift, der sich für eine ökologisch-solidarische Energie- und Weltwirtschaft einsetzt. „Als Verbraucher hat man leider kaum Chancen nachzuverfolgen, woher die Rohstoffe in Endprodukten - sei es IT oder Schmuck - herkommen.“ Eine Ausnahme sei zertifiziertes Fairtrade-Gold, da es hier meistens kurze Lieferketten und direkte Lieferbeziehungen gebe. „Ansonsten kennen nur Unternehmen - teilweise - ihre Lieferketten.“ Den Weg von Gold nachzuvollziehen, bleibe sehr schwer. Immer wieder gebe es Berichte über Gold aus problematischen Minen. Zertifikate erhöhen laut Reckordt zwar die Glaubwürdigkeit. Zu fragen sei aber immer, was zertifiziert wurde und wer befragt wurde.
Auch die EU-Konfliktmineralien-Verordnung habe Schwächen wie Schwellenwerte, ab denen Importeure erst ihre Sorgfaltspflicht nachweisen müssen. Sie ziele auch nicht auf verarbeitete Produkte ab, die diese Rohstoffe enthalten und außerhalb der EU gefertigt wurden.
Gold wird schon seit ewigen Zeiten wiederverwertet. „Über 90 Prozent von dem Gold, das jemals in der Menschheitsgeschichte gewonnen wurde, sind immer noch im Umlauf“, sagte Tetzlaff. Weltweit mache Altgold etwa aus Schmuck, Medaillen und Münzen 90 Prozent des recycelten Goldes aus. Der Rest stamme aus der Industrie. So steckten alleine in einem Handy im Schnitt 30 Milligramm davon, sagte der Fachmann.
Eine Sprecherin der ESG Scheideanstalt in Rheinstetten, die sich auf Ankauf, Recycling und Verkauf von Edelmetallen spezialisiert hat, erklärte: „Es wird immer mehr Gold in der Elektroindustrie verarbeitet. Die Lebenszyklen von Geräten werden immer kürzer, daher wird immer mehr Gold aus Elektronikschrott zurückgewonnen.“ Hingegen merke man bei Zahngold, dass seit Jahren kaum noch Goldkronen eingesetzt werden. Anders beim Schmuck: „In den 70er und 80er Jahren wurden in Deutschland große Mengen Goldschmuck gekauft und klassisch zu Geburtstagen und Festen wie Weihnachten verschenkt“, teilte sie mit. „Dieser Schmuck wird seither aufbewahrt, weitergereicht oder vererbt und bei gut stehendem Goldpreis zu Geld gemacht.“
In deutschen Scheideanstalten wird das angelieferte Altgold Tetzlaff zufolge geschmolzen und zunächst exakt analysiert, danach mittels chemischer Prozesse mit einem Mix aus Salz- und Salpetersäure, dem sogenanntem Königswasser, „geschieden“. Anschließend werde es wieder in seine reinste metallische Form umgewandelt, so entstehe Feingold der höchsten Reinheit von 99,99 Prozent. Weil Gold meist mit anderen Materialien wie Silber, Kupfer und Zink verbunden ist oder in Legierungen vorkommt, ist das teils ein hochkomplexer Prozess. Mit speziellen Analyseverfahren zur Bestimmung enthaltener metallischer Bestandteile und Verunreinigungen könne man sogar überprüfen, ob es Hinweise zur Herkunft des Goldes aus bestimmten Minen gibt.
Für die Wiederverwertung spiele es keine Rolle, ob das Gold ursprünglich mal in einer Leiterplatte steckte oder als Ring am Finger: „Gold ist Gold. Und durch den Kreislauf des Goldes bekommt Altgold ein neues Leben“, sagte Tetzlaff. Auch das Spektrum der Abnehmer ist breitgefächert und reicht von der Schmuckindustrie über private Investoren und Zentralbanken bis hin zu Herstellern zahnmedizinischer Produkte. „In Zeiten von Minuszinsen und Inflation investieren viele Kunden in Edelmetallsachwerte“, teilte die ESG-Sprecherin mit. Bei Investmentgold wie Barren und Münzen stiegen die angebotenen wie auch die nachgefragten Mengen seit Jahren.
Angebot und Nachfrage schwanken vor allem in Abhängigkeit vom Goldpreis. Das spürt man auch beim Recycling, wie Tetzlaff sagte: „Wenn der Goldpreis niedrig ist, ist der Anreiz nicht so groß, sich von einem Schmuckstück zu trennen und es als Altgold zu verkaufen.“
Zuletzt war der Goldpreis, auch wegen des Ukraine-Kriegs, immer weiter gestiegen. Im März näherte er sich sogar vorübergehend seinem Rekordhoch vom August 2020 - damals hatte eine Feinunze (rund 31,1 Gramm) rund 2075 Dollar gekostet. Dann sank er aber wieder. Am Donnerstagnachmittag lag er an der Börse in London bei 1969 Dollar.