Politik

Militärexperte: Eskalationsgefahr in Transnistrien eher gering

Der ukrainische Nachbarstaat erinnert mit seinen Lenin-Statuen und der allgegenwärtigen Hammer-und-Sichel-Symbolik an ein Sowjetmuseum, doch zur Kriegspartei dürfte Transnistrien laut dem Militärexperten Marcus Keupp vorerst eher nicht werden.
27.04.2022 16:28
Lesezeit: 1 min
Militärexperte: Eskalationsgefahr in Transnistrien eher gering
Das Separatistengebiet Transnistrien gilt seit Jahrzehnten als Hebel für Moskau, um Druck auf die kleine südwestliche Ex-Sowjetrepublik Moldau auszuüben. (Foto: dpa)

Ein Übergreifen des russischen Krieges in der Ukraine auf das benachbarte Transnistrien schätzt der deutsche Militärexperte Marcus Keupp von der Militärakademie an der ETH Zürich aktuell als eher unwahrscheinlich ein. Die dort stationierten russischen Truppen seien viel zu schwach, um gegen die Republik Moldau oder die Ukraine vorzurücken. Es handle sich dabei zum einen um 1500 Mann an Besatzungstruppen, die ein riesiges Waffen- und Munitionsdepot aus Sowjetzeiten an der heutigen Grenze zur Ukraine bewachten.

"Dort stehen Panzer und Radfahrzeuge, die seit 30 Jahren nicht mehr bewegt wurden", betont Keupp. Bedeutender sei hingegen die Menge an Munition, die dort lagere. Zum anderen seien in der von Moldau abtrünnigen Region rund 5000 pro-russische Soldaten der Streitkräfte des transnistrischen Separatistengebiets als eigentliche Kampfverbände stationiert. Diese Truppe sei aber wiederum logistisch isoliert und verfüge wohl nur über zwei Kampfhubschrauber, wie Keupp ausführt. Ihnen stünden in Moldau rund 20 000 Soldaten gegenüber.

Hinzu komme, dass rund ein Drittel der rund 500 000 Bewohner Transnistriens ukrainische Wurzeln habe und ein Teil von ihnen zum Partisanenkampf übergehen würde. Bei der aktuell undurchsichtigen Entwicklung könnte es sich um den Versuch eines Ablenkungsmanövers handeln, erörtert Keupp. Dabei würden die Russen versuchen, ukrainische Truppen aus dem Raum Odessa zu binden und so die Verteidigung der wichtigen Hafenstadt zu schwächen.

Der eingefrorene Konflikt auf dem schmalen Landstreifen zwischen dem Fluss Dnister und der Grenze zur Ukraine ist einer der ältesten auf dem Gebiet der früheren Sowjetunion. Die mehrheitlich russische und ukrainische Bevölkerung in Transnistrien spaltete sich 1990 ab, als die Nationalbewegung der Moldau eine Vereinigung mit dem Nachbarn Rumänien anstrebte. Bei einem Krieg im Jahr 1992 starben etwa 1000 Menschen.

Seitdem existiert Transnistrien mit der Hauptstadt Tiraspol als nicht anerkannter Staat mit einer halben Million Einwohnern und ist etwas größer als Luxemburg. Medien in Moskau berichten, dass dort mehr als 200 000 Menschen einen russischen Pass hätten. Das Gebiet lebt vom Weiterverkauf russischer Energie und vom Schmuggel. Viele Besucher fühlen sich an ein Museum der Sowjetunion erinnert: Lenin-Statuen und Hammer-und-Sichel-Symbolik sind dort keine Seltenheit.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
DWN
Politik
Politik Steuern, Deutschlandticket, Musterung – die Änderungen 2026 im Überblick
27.12.2025

2026 bringt spürbare Änderungen bei Lohn, Rente, Steuern und Alltag. Manche Neuerungen entlasten, andere verteuern Mobilität oder...

DWN
Panorama
Panorama Keine Monster, keine Aliens: Prophezeiungen für 2025 erneut widerlegt
27.12.2025

Düstere Visionen und spektakuläre Vorhersagen sorgen jedes Jahr für Schlagzeilen – doch mit der Realität haben sie meist wenig zu...

DWN
Unternehmen
Unternehmen E-Mail-Betrug im Mittelstand: Die unterschätzte Gefahr im Posteingang – und welche Maßnahmen schützen
27.12.2025

E-Mail-Betrug verursacht im Mittelstand mehr Schäden als Ransomware. Stoïk, ein auf Cybersecurity spezialisiertes Unternehmen, zeigt,...

DWN
Technologie
Technologie China überholt Europa: Wie europäische Energieprojekte den Aufstieg befeuerten
27.12.2025

Europa hat in den vergangenen Jahrzehnten erheblich zum Aufbau der chinesischen Industrie beigetragen, ohne die langfristigen Folgen zu...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Hoffnung auf den Aufschwung: Kann 2026 die Wirtschaftswende bringen?
27.12.2025

Nach mehreren Jahren der Stagnation und anhaltend schlechter Stimmung in vielen Branchen richtet sich der Blick der deutschen Wirtschaft...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Handelspolitik ist von Unsicherheit geprägt: Experten erwarten weniger Investitionen
27.12.2025

Die Unsicherheiten in der Handelspolitik lassen die Investitionen schrumpfen und führen zu Wachstumsverlusten. Zölle schaden der...

DWN
Finanzen
Finanzen KI-Blase: Warum der Hype um die Nvidia und Co. gefährlich werden könnte
27.12.2025

Die weltweite Euphorie rund um künstliche Intelligenz treibt Aktien wie Nvidia und Microsoft in immer neue Höhen und heizt die Diskussion...

DWN
Finanzen
Finanzen Inflationskrise USA: Warum 2026 zum gefährlichsten Jahr werden könnte
26.12.2025

Die Warnung eines führenden Ökonomen zeichnet ein düsteres Bild für die USA. Die Rückkehr einer hartnäckigen Inflationswelle könnte...