Bei einem großen deutschen Elektronik-Konzern heißt der Slogan „Ich bin doch nicht blöd!“ Bei der EU scheint dagegen das Motto zu lauten: „Ich bin doch nicht blöder (als die anderen)!“. Mit dieser Begründung zog der luxemburgische Regierungschef Jean Claude Juncker seine Bereitschaft zurück, die Euro-Gruppe weiter zu leiten. Juncker sagte, nachdem Angela Merkel abgereist war: „Ich lasse mich nicht aufs Eis führen, dass man mir jetzt mit Kusshand eine Weiterführung des Euro-Vorsitzes anbietet, um den ich mich nicht bemüht habe, und danach jemand anderem zu Frankfurter Glücksgefühlen verhilft“. Hier geht es um Juncker luxemburgischen Freund Yves Mersch, von dem Juncker möchte, dass er in die Leitung der Zentralbank eintritt.
Was das eine mit dem anderen zu tun hat, erschließt sich Außenstehenden freilich nicht. Es geht jedoch, wie meist bei den EU-Personalien, um simples Postengeschacher. Juncker war jedenfalls sichtlich erregt und sagte: „Ich bin nicht blöder als die anderen. Erst muss ich die Bestätigung haben, dass Herr Mersch für mehrere Jahre dem Direktorium der Zentralbank angehört. Und dann bin ich bereit, sechs Monate weiterzumachen.“
Die Posse zeigt, wie tief die EU gesunken ist: Ratspräsident Herman Van Rompuy hatte niemanden gefunden, der in der Euro-Gruppe den Vorsitz übernehmen wollte. Juncker sagte am Freitag stinkesauer, der Sch... Job koste ihn täglich vier Stunden und er wolle die Zeit lieber privat verbringen. Und überhaupt habe er die ganze Euro-Sch... satt usw.
Wer gedacht hat, dass die Leitung der EU eine Sache der Ehre wäre, oder aber wenigstens des idealistischen Engagements, der wird durch den Eklat eines besseren belehrt. Man muss sich schon fragen, wie es um ein politisches Gebilde bestellt ist, bei dem bei der ersten kleinen Krise partout keiner den Vorsitz übernehmen möchte.
Juncker, nach Kohl und vor Schäuble der vorletzte Euro-Visionär der alten Garde, hatte schon vor einigen Monaten mit besonderer Ehrlichkeit aufhorchen lassen. In einem Interview hatte er gesagt, dass Politiker lügen müssten, wenn es besonders ernst werde. Demnach ist die Lage offenbar besonders unernst. Denn selten bekommt das Publikum einen so ungeschminkten Einblick in die Mechanimen gewährt, die die Politik im Innersten zusammenhalten.