Politik

Juncker geht zu Media-Markt: „Ich bin doch nicht blöder (als die anderen)!“

Lesezeit: 1 min
29.06.2012 18:34
Der EU-Gipfel endete mit einem Eklat, den kaum einer bemerkte: Jean Claude Juncker will plötzlich nicht mehr so ohne weiteres den Vorsitz der Euro-Gruppe ausüben. Er will den Posten nur übernehmen, wenn gleichzeitig ein Luxemburger in das Direktorium der EZB einziehen darf.

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Bei einem großen deutschen Elektronik-Konzern heißt der Slogan „Ich bin doch nicht blöd!“ Bei der EU scheint dagegen das Motto zu lauten: „Ich bin doch nicht blöder (als die anderen)!“. Mit dieser Begründung zog der luxemburgische Regierungschef Jean Claude Juncker seine Bereitschaft zurück, die Euro-Gruppe weiter zu leiten. Juncker sagte, nachdem Angela Merkel abgereist war: „Ich lasse mich nicht aufs Eis führen, dass man mir jetzt mit Kusshand eine Weiterführung des Euro-Vorsitzes anbietet, um den ich mich nicht bemüht habe, und danach jemand anderem zu Frankfurter Glücksgefühlen verhilft“. Hier geht es um Juncker luxemburgischen Freund Yves Mersch, von dem Juncker möchte, dass er in die Leitung der Zentralbank eintritt.

Was das eine mit dem anderen zu tun hat, erschließt sich Außenstehenden freilich nicht. Es geht jedoch, wie meist bei den EU-Personalien, um simples Postengeschacher. Juncker war jedenfalls sichtlich erregt und sagte: „Ich bin nicht blöder als die anderen. Erst muss ich die Bestätigung haben, dass Herr Mersch für mehrere Jahre dem Direktorium der Zentralbank angehört. Und dann bin ich bereit, sechs Monate weiterzumachen.“

Die Posse zeigt, wie tief die EU gesunken ist: Ratspräsident Herman Van Rompuy hatte niemanden gefunden, der in der Euro-Gruppe den Vorsitz übernehmen wollte. Juncker sagte am Freitag stinkesauer, der Sch... Job koste ihn täglich vier Stunden und er wolle die Zeit lieber privat verbringen. Und überhaupt habe er die ganze Euro-Sch... satt usw.

Wer gedacht hat, dass die Leitung der EU eine Sache der Ehre wäre, oder aber wenigstens des idealistischen Engagements, der wird durch den Eklat eines besseren belehrt. Man muss sich schon fragen, wie es um ein politisches Gebilde bestellt ist, bei dem bei der ersten kleinen Krise partout keiner den Vorsitz übernehmen möchte.

Juncker, nach Kohl und vor Schäuble der vorletzte Euro-Visionär der alten Garde, hatte schon vor einigen Monaten mit besonderer Ehrlichkeit aufhorchen lassen. In einem Interview hatte er gesagt, dass Politiker lügen müssten, wenn es besonders ernst werde. Demnach ist die Lage offenbar besonders unernst. Denn selten bekommt das Publikum einen so ungeschminkten Einblick in die Mechanimen gewährt, die die Politik im Innersten zusammenhalten.


Mehr zum Thema:  

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Politik
Politik Mindestlohn: Neues Streitthema köchelt seit dem Tag der Arbeit
04.05.2024

Im Oktober 2022 wurde das gesetzliche Lohn-Minimum auf zwölf Euro die Stunde erhöht. Seit Jahresanfang liegt es bei 12,41 Euro, die von...

DWN
Technologie
Technologie Deutsches Start-up startet erfolgreich Rakete
04.05.2024

Ein deutsches Start-up hat eine Rakete von zwölf Metern Länge entwickelt, die kürzlich in Australien getestet wurde. Seit Jahrzehnten...

DWN
Politik
Politik DWN-Kommentar: Robert Habeck sollte endlich die Kehrtwende vollziehen - im Heizungskeller Deutschlands
03.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Finanzen
Finanzen Wirtschaftsstandort in der Kritik: Deutsche Ökonomen fordern Reformen
03.05.2024

Deutschlands Wirtschaftskraft schwächelt: Volkswirte geben alarmierend schlechte Noten. Erfahren Sie, welche Reformen jetzt dringend...

DWN
Politik
Politik Rheinmetall-Chef: Deutschland muss Militärausgaben um 30 Milliarden Euro erhöhen
03.05.2024

Armin Papperger, der CEO von Rheinmetall, drängt darauf, dass Deutschland seine Militärausgaben um mindestens 30 Milliarden Euro pro Jahr...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Indische Arbeitskräfte im Fokus: Deutschland öffnet die Türen für Fachkräfte
03.05.2024

Die Bundesregierung strebt an, einen bedeutenden Anteil der indischen Bevölkerung nach Deutschland zu holen, um hier zu arbeiten. Viele...

DWN
Finanzen
Finanzen Wie lege ich mein Geld an – wichtige Tipps für Anfänger
03.05.2024

Die Tipps zur Geldanlage können wirklich spannend sein, besonders wenn es darum geht, die eigenen finanziellen Ziele zu erreichen und eine...

DWN
Politik
Politik Die Bundesregierung macht Russland für den Cyberangriff auf SPD verantwortlich
03.05.2024

Im Januar des Vorjahres wurden die E-Mail-Konten der SPD von Hackern attackiert. Die Bundesregierung gibt nun "eindeutig" Russland die...