Finanzen

Karlsruhe macht Draghi zum mächtigsten Mann Europas

Lesezeit: 2 min
14.02.2014 00:31
Nachdem Karlsruhe die Entscheidung über das OMT-Programm dem Eurpäischen Gerichtshof überlassen hat, eröffnet sich der EZB in eine völlig neue Rolle. Sie könnte zum „Kreditgeber der letzten Instanz“ werden und bedingungslos Staatsanleihen der Krisenländer kaufen.
Karlsruhe macht Draghi zum mächtigsten Mann Europas

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Zum Beschluss des Bundesverfassungsgerichts, die Frage des umstrittenen OMT-Programms der EZB im Vorabentscheidungsverfahren dem Europäischen Gerichtshof vorzulegen, gibt es unterschiedliche Interpretationen.

Gunnar Beck, der an der Universität London EU-Recht und Rechtstheorie lehrt, kommt zu der Einschätzung: „Artikel 123 Abs. 1 AEUV untersagt der Notenbank, (EZB), Staatsanleihen unmittelbar von den emittierenden Mitgliedstaaten zu erwerben. Das hat auch das Verfassungsgericht richtig erkannt und erklärt: „Es liegt auf der Hand, dass dieses Verbot nicht durch funktional äquivalente Maßnahmen umgangen werden darf“, mehr dazu hier.

Karl Albrecht Schachtschneider, emeritierter Staatsrechtler und einer der Kläger vor dem Bundesverfassungsgericht bewertet im Handelsblatt die Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts: „das BVerfG hat klargestellt, dass das Programm, so wie es formuliert ist, ein ausbrechender Rechtsakt ist, also das demokratierechtliche und für die europäische Integration wesentliche Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung missachtet“.

Die Folge dieses Gerichts-Beschlusses sei nun, dass das beabsichtigte EZB-Programm OMT dessen ökonomische Wirksamkeit nimmt.

Zu ähnlichen Bewertungen kommen indessen Stimmen aus den USA.

Professor Ashoka Mody, Dozent für internationale ökonomische Politik an der Princeton University, erklärt in Project Sydicate: „Die Weitergabe des Bundesverfassungsgerichts an das EuGH bleibt zweifelhaft. Während es (das BVerfG) seine endgültige Entscheidung aus Rücksicht auf den EuGH vorenthalten hat, bestätigt es die Bundesbank in seiner Ansicht, dass das OMT in seiner jetzigen Form den Vertrag von Lissabon verletzt. Das OMT mag noch überleben, aber wenn es funktioniert, wird es wahrscheinlich verdünnt werden. So dass die Probleme, weswegen das OMT-Programm aufgelegt wurde, wieder auftauchen werden“.

Dies könne allerdings problematisch für die Anhänger des OMT-Programms sein. Und das sollte nicht überraschen. „Denn das OMT-Programm ist schlecht durchdacht und wurde im Grunde als Taschenspielertrick verkauft“.

Das Bundesverfassungsgericht habe zu Recht die sachliche Grundlage der Behauptung der EZB in Frage gestellt, nämlich dass die Risikoprämien auf Staatsanleihen der Krisenstaaten unbegründete Ängste auf den Märkten hervorriefen – eine Forderung, die auf handverlesenen Beweisen basiere. Tatsächlich beruhe die öffentliche Verteidigung des OMT-Programms nur auf einer Vermutung des Spekulationsdrucks.

Das Design des OMT-Programms beinhalte jedenfalls, dass die Marktbewertung der Kreditwürdigkeit (eines Krisenstaats) einem echten Ausfallrisiko Rechnung trägt.

Ashoka Modys Einschätzung geht jedoch noch einen entscheidenden Schritt weiter.

Die vorgesehene Verknüpfung mit dem permanenten „Rettungsschirm“ ESM und der Bedingung, dass die EZB nur dann auf dem Sekundärmarkt Staatsanleihen kauft, wenn der jeweilige Staat einen Antrag beim ESM stellt und sich Reformen unterzieht, sei der falsche Weg.

„Als Kreditgeber der letzten Instanz für Staaten (as a lender of last resort)“, so Mody, „muss eine Zentralbank bereit sein, Staatsanleihen bedingungslos (unconditionally) zu kaufen, um die Auswirkungen von zeitweiligen Marktstörungen zu neutralisieren.“

Das OMT-Programm tendiere jedoch dazu, eine Kreditvergabe ähnlich wie der IWF zu betreiben – das heißt, eine bestimmte Regierung „konditional“ zu retten, indem sie bei Inanspruchnahme des OMT bzw. in Verknüpfung mit dem ESM bei ihren Geschäften den Gürtel enger schnallen soll.

Wenn die EZB wirklich davon überzeugt war, so Mody, dass die Risikoprämien unangemessen hoch und Schulden der notleidenden Länder „nachhaltig“ waren, wäre eine Konditionalität (also Verknüpfung mit dem ESM einschl. Reformauflagen) unnötig gewesen.

Im Umkehrschluss würde dies bedeuten, dass die EZB sich über die Staaten erhebt. Denn beim IWF geht mittels der globalen Kreditvergaberolle stets auch die politische Steuerung einher.

Bekannt ist jedenfalls, welche Rolle der IWF weltweit einnimmt hier und hier.

Im Grunde wäre dies eine völlig neue Definition einer Zentralbank, die sich als weitaus fortschreitender darstellte als es die US-amerikanische Fed ist oder die Bundesbank bisher war.

Gunnar Beck schätzt die Vorabentscheidung des Bundesverfassungsgerichts an das EuGH in Luxemburg folgendermaßen ein, indem er feststellt: „Es gilt als sicher, das der EuGH das (OMT)-Programm bestätigen und ein politische willfähriges und Euro-freundliches Urteil fällen wird. Das Verfassungsgericht ist dann europarechtlich gebunden, dem (Vor)-Urteil des EuGH zu folgen. Auch politisch ist nahezu undenkbar, dass das Verfassungsgericht dem EuGH nicht folgen wird und sich der EZB dann noch in den Weg stellen könnte.“

Damit wäre der Weg für die EZB in eine völlig neue Richtung vorgezeichnet.


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Halbzeit Urlaub bei ROBINSON

Wie wäre es mit einem grandiosen Urlaub im Juni? Zur Halbzeit des Jahres einfach mal durchatmen und an einem Ort sein, wo dich ein...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft LNG: EU-Sanktionen bedrohen Russlands Energiegeschäfte
07.05.2024

Russland steht vor möglichen schmerzhaften EU-Sanktionen im Zusammenhang mit seinen Geschäften im Bereich Flüssigerdgas (LNG). Die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freie Lehrstellen erreichen kritisches Niveau: Was Unternehmen jetzt tun müssen
07.05.2024

Der Lehrstellenmangel verschärft sich: Demografischer Wandel und veränderte Berufspräferenzen der Generation Z führen zu einem...

DWN
Politik
Politik Erbschaftssteuer: Droht durch Klage Bayerns ein Wettbewerb der Länder beim Steuersatz?
07.05.2024

In Karlsruhe wird es diesen Sommer mal wieder um den Dauerbrenner Erbschaftssteuer gehen. Schon zweimal hat das Verfassungsgericht von der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Investitionsschreck Deutschland: Internationale Investoren meiden deutsche Projekte
07.05.2024

Ausländische Unternehmen haben im vergangenen Jahr immer weniger in Deutschland investiert. Die Anzahl der Projekte ausländischer...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Nachlassende Nachfrage: Deutsche Industrie verzeichnet erneut weniger Aufträge
07.05.2024

Trotz einer vielversprechenden Entwicklung im März kämpfen Deutschlands Exporteure nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten.

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: US-Arbeitsmarktdaten lassen erneut Zinssenkungsfantasie aufkommen
07.05.2024

Die internationalen Finanz- und Rohstoffmärkte verbleiben im Spannungsfeld wechselnder Indikatoren hinsichtlich des zukünftigen Zinspfads...

DWN
Politik
Politik Israels Armee nähert sich dem Grenzübergang von Rafah
07.05.2024

Israels Regierung bleibt bei der geplanten umfangreichen Offensive gegen Rafah bestehen, während die Hamas einer Waffenruhe zustimmt -...

DWN
Immobilien
Immobilien Gesundheitsimmobilien: Investmentmarkt stolpert – wie sieht die Pipeline weiter aus?
07.05.2024

Nach robustem Transaktionsvolumen in den vergangenen Jahren herrschte auf dem Investmentmarkt für Pflegeheime, Seniorenimmobilien und...