Nach regierungskritischen Protesten rückt China von seiner strikten Null-Covid-Politik ab und stellt die Menschen darauf ein, mit dem Virus zu leben. Die Volksrepublik erlaube künftig bei milden Corona-Fällen, sich zu Hause zu isolieren und zu behandeln, teilte die Nationale Gesundheitskommission am Mittwoch mit. Sollte sich der Zustand verschlechtern, könnten sich die Menschen selbst in ausgewiesene Kliniken begeben.
Bislang hatte China nach positiven Corona-Tests ganze Orte und Stadtteile abgesperrt mit der Folge, dass es vermehrt zu Arbeits- und Produktionsausfällen kam. Das soll künftig vermieden werden.
Bereiche mit hohem Risiko sollten nach Gebäude, Einheit, Etage und Haushalt genau definiert werden und dürfen nicht willkürlich auf ganze Wohnanlagen und Gemeinden ausgedehnt werden, erklärte die Gesundheitsbehörde. Sie forderte die Kommunen auf, einfache Maßnahmen zur Prävention zu ergreifen, "entschlossen zu korrigieren" und "Formalismus und Bürokratie" zu überwinden.
"Diese Änderung der Politik ist ein großer Schritt nach vorne", kommentierte Zhiwei Zhang, Chefökonom bei Pinpoint Asset Management. "Ich gehe davon aus, dass China seine Grenze spätestens Mitte 2023 wieder vollständig öffnen wird."
Die strikte Null-Covid-Politik der Regierung unter Staatspräsident Xi Jinping hatte die Wirtschaft Chinas gebremst und die weltweiten Lieferketten gestört. Wegen der wochenlangen Abriegelung von Städten verdienten die Menschen zudem kein Geld mehr, weswegen sie in den vergangenen Wochen auf die Straße gingen. Öffentliche Proteste gegen die Regierung und Präsident Xi sind selten in China, und die jüngste Welle des zivilen Ungehorsams ist beispiellos.
In China sinkt die Zahl der täglichen Ansteckungen weiter. Das Land verzeichnete nach Angaben der Gesundheitsbehörde 25.321 Neuinfektionen nach 28.062 am Vortag. 5046 der Fälle seien symptomatisch und 23.016 seien asymptomatische Infektionen, die in China separat gezählt werden. Das Land meldete keinen weiteren Todesfall in den vergangenen 24 Stunden im Zusammenhang mit dem Virus. Die Zahl der Corona-Toten in China verharrt damit bei 5235.
Diese Corona-Lockerungen plant China
- Hochrisikogebiete dürfen nicht mehr willkürlich auf Wohnblocks und Gemeinden ausgedehnt werden. Sie müssen ganz genau umrissen werden - gezielt auf bestimmte Gebäude, Stockwerke und Haushalte.
- Es soll insgesamt weniger Corona-Tests geben - im Umfang und der Häufigkeit. Massentests sollen der Vergangenheit angehören.
- Negative Testergebnisse werden deutlich seltener zur Pflicht. Benötigt werden sie noch in Alten- und Pflegeheimen, medizinischen Einrichtungen, Kindergärten sowie in Schulen für jüngere Kinder.
- Bei Reisen innerhalb von China wird kein negatives Testergebnis oder kein Gesundheitscode mehr benötigt.
- Menschen, die sich mit dem Virus infiziert haben, aber keine oder nur milde Symptome aufweisen, sollen zu Hause bleiben. Freiwillig können sie sich aber auch in einer zentralen Spezialeinrichtung isolieren. Enge Kontakte dieser Personen sollten fünf Tage zu Hause bleiben oder ebenfalls in die Isolierungszentren gehen.
- In Hochrisikogebieten, in denen es fünf Tage in Folge keine Infektion mehr gegeben hat, sollen Lockdowns zügig aufgehoben werden.
- Apotheken dürfen bestimmte Verkäufe nicht mehr einschränken - weder im Internet noch im Laden. Dabei geht es unter anderem um Mittel gegen Fieber, Husten oder Erkältungen.
- Alle Regionen in der Volksrepublik sollen ihre Impfquoten bei älteren Menschen zwischen 60 und 79 Jahren verbessern. Besonderes Tempo soll es bei noch älteren Menschen ab 80 Jahren geben.
- Menschen mit Vorerkrankungen sollen besser identifiziert werden - etwa bei Herzerkrankungen, Diabetes, Nierenproblemen, Tumoren oder Immunschwächen. Ihr Impfstatus soll ebenfalls analysiert werden.
- In Gebieten, für die keine hohe Risikostufe gilt, darf die Mobilität der Bürger nicht mehr eingeschränkt werden. Auch dürfen hier Arbeitsabläufe, Fabriken und Geschäfte nicht mehr behindert werden.
- Innerhalb von Wohnblöcken, in denen keine Virusausbrüche verzeichnet werden, sollen Supermärkte, Lehreinrichtungen, Kantinen, Sportstätten und Büchereien geöffnet bleiben. In Wohnblocks mit Ausbrüchen sollen diese genau eingegrenzt werden und das normale Leben außerhalb der betroffenen Teile weitergehen. (Reuters)