Die verhaftete ehemalige Vizepräsidentin des Europaparlaments Eva Kaili hat im EU-Korruptionsskandal Medienberichten zufolge ein Teilgeständnis abgelegt. Wie die Tageszeitungen „Le Soir“ und „La Repubblica“ am Dienstag unter Berufung auf Ermittlungsdokumente berichteten, gab die 44 Jahre alte Griechin unter anderem zu, ihren Vater vor ihrer Festnahme angewiesen zu haben, Bargeld zu verstecken.
Zudem wird der Untersuchungsrichter aus den Dokumenten zitiert: „Sie [Kaili, Anm. d. Red.] sagt aus, dass sie in der Vergangenheit von den Aktivitäten ihres Ehemanns mit Herrn Panzeri wusste und dass Koffer mit Geld durch ihre Wohnung geschleust wurden.“
Kailis Anwalt Michalis Dimitrakopoulos hatte kurz nach ihrer Festnahme im griechischen Fernsehen noch gesagt, seine Mandantin vertrete die Position, dass sie unschuldig sei. „Sie hat nichts mit Finanzierung aus Katar zu tun, nichts – ausdrücklich und unmissverständlich. Das ist ihre Position.“ Kaili habe „in ihrem Leben keine kommerziellen Handlungen“ unternommen.
Justiz: Katar und Marokko wollten EU-Parlamentarier kaufen
Wegen mutmaßlicher Korruption, Geldwäsche und Einflussnahme aus dem Ausland ermittelt die belgische Justiz seit Monaten im Umfeld des Europaparlaments. Im Raum steht, dass das Golfemirat Katar mit Geld- und Sachgeschenken versucht haben soll, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen. Berichten zufolge soll dies auch Marokko versucht haben.
Belgische Ermittler nahmen seit dem 9. Dezember mehrere Personen in dem Fall fest. Kaili sitzt derzeit in Belgien in Untersuchungshaft, ebenso ihr Lebensgefährte und der ehemalige italienische Europaabgeordnete Antonio Panzeri.
Kailis Lebensgefährte hat Medienberichten bereits ebenfalls ein Geständnis abgelegt. Der Italiener, der bislang Assistent im Büro eines italienischen EU-Parlamentariers war, gab demnach zu, Teil einer Organisation gewesen zu sein, über die Katar und Marokko sich in europäische Angelegenheiten einmischen wollten. Zudem beschuldigte er Panzeri, Kopf der mutmaßlichen Organisation gewesen zu sein.
Die italienische Justiz hatte am Montag der Auslieferung von Panzeris Ehefrau nach Belgien genehmigt. Die Verteidiger der 67-Jährigen wollen der Nachrichtenagentur Ansa zufolge gegen die Entscheidung in Berufung gehen. In Panzeris Wohnung hatten die Ermittler am 9. Dezember 600 000 Euro Bargeld gefunden.
Kaili wollte weitere EU-Politiker vor Ermittlungen warnen
Kaili selbst, die nach Bekanntwerden der Vorwürfe vom Europaparlament als Vizepräsidentin abgesetzt wurde, hatte bislang über ihren Anwalt ihre Unschuld beteuert. Ihr Vater war am 9. Dezember von Ermittlern bei dem Versuch festgenommen worden, einen Koffer voller Bargeld in einem Brüsseler Hotel zu verstecken. Kaili hatte ihn zuvor wegen des Großeinsatzes der belgischen Ermittler in dem Fall gewarnt, schreiben „Le Soir“ und „La Repubblica“. Sie habe zudem versucht, zwei Europaabgeordnete zu warnen.
Ihr Anwalt André Risopoulos sagte auf Anfrage von „Le Soir“ und „La Repubblica“, dass er persönlich empört sei, dass die Zeitungen Zugang zu den Dokumenten hätten. Er bestätigte nicht, dass es sich bei den Aussagen um ein Teilgeständnis handelt. Die belgische Justiz will an diesem Donnerstag darüber entscheiden, ob Kaili im Gefängnis bleiben muss. Ein Termin in der vergangenen Woche für die Haftprüfung war kurzfristig verschoben worden.
Scholz hält trotz Vorwürfen am Gasdeal mit Katar fest
Bundeskanzler Olaf Scholz sieht keinen Anlass, wegen der Korruptionsvorwürfe die Gaslieferungen aus Katar zu überdenken. Es gehe darum, die Vorwürfe gegen möglicherweise Bestochene und die Bestecher aufzuklären, sagte Scholz am Mittwoch in Brüssel nach dem EU-Asean-Gipfel zu den Korruptionsvorwürfen im Europäischen Parlament.
„Das ist ein Thema für sich. Und das muss für sich aufgeklärt werden“, betonte er auf eine entsprechende Frage nach den Gaslieferungen. Katar wird verdächtig, hinter Bestechungsversuchen zu stehen, weist dies aber strikt zurück. Scholz vertrat auf dem Gipfel den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, der nach Katar zum Halbfinale der Fußball-Weltmeisterschaft zwischen Frankreich und Marokko geflogen war.
Die belgische Staatsanwaltschaft verdächtigt die griechische Europaabgeordnete Eva Kaili sowie drei weitere Abgeordnete, Bestechungsgelder von Katar angenommen zu haben, um die Politik der Europäischen Union zu beeinflussen. „Wir waren ... viel zu lange zu naiv“, sagte ein Sprecher des belgischen Justizministeriums und bezog sich dabei auf geheime Operationen ausländischer Mächte in Belgien.
Der Sprecher bezeichnete die Untersuchung als „einen wichtigen Fall, an dem der (belgische) Staatsschutz seit mehr als einem Jahr in Zusammenarbeit mit ausländischen Geheimdiensten arbeitet, um den Verdacht der Korruption von Abgeordneten durch verschiedene Länder aufzulisten“.
Die belgische Polizei veröffentlichte ein Bild der 1,5 Millionen Euro Bargeld, die sie bei Razzien von Freitag bis Montag sichergestellt hatte, darunter ein Koffer voller 50- und 100-Euro-Banknoten und zwei Aktenkoffer mit 50-Euro-Scheinen, die ordentlich gestapelt waren. Durchsuchungen gab es auch in Italien.