Finanzen

„The Small Short“: Star-Investor Burry setzt gar nicht auf den großen Crash

Lesezeit: 5 min
24.08.2023 07:55  Aktualisiert: 24.08.2023 07:55
Jüngst machten Schlagzeilen die Runde, wonach Hedgefonds-Legende „Mr. Big Short“ Michael Burry wieder auf einen großen Einbruch am Aktienmarkt wettet. Die DWN erklären, warum diese Meldungen nicht korrekt sind.

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„Mr. Big Short“ Micheal Burry setzt wieder auf einen Crash. So oder ähnlich lauteten vor einigen Tagen irreführende Schlagzeilen in der englischsprachigen Preise.

Die Medien schrieben das, weil in der jüngsten Offenlegung von Burrys Hedgefonds zwei Positionen herausstachen. Put-Optionen auf einen SP500-ETF im Wert von 886,5 Millionen Dollar und Put-Optionen auf einen Nasdaq-ETF im Wert von rund 739 Millionen. Insgesamt über 1,6 Milliarden Dollar an Put-Optionen, die bei fallenden Kursen des breiten US-Marktes profitieren. Dem gegenüber stehen ein Aktienkorb im Gegenwert von nur rund 110 Millionen Dollar. Zudem hält der Hedgefonds-Veteran etwa 130 Millionen Dollar in Cash, hätte also im Falle eines großen Einbruchs noch mehr als genügend Pulver, um unten einzusammeln. Auf den ersten Blick wirken die Optionen mit einem Anteil von 93 Prozent am gemeldeten Wert des aktiven Portfolios wie eine aggressive Crashwette.

Nominalwert einer Option ist sehr viel geringer als der Marktwert

Das ist inkorrekt. Man muss genauer hinschauen, denn der Teufel liegt im Detail. Optionen werden buchhalterisch speziell erfasst, und zwar mit dem Nominalwert. Der Nominalwert bezieht sich auf den Basiswert, in diesem Fall die Kursentwicklung des SP500- und Nasdaq-ETF, die wiederum eine möglichst exakte Nachbildung der zugrundeliegenden Indizes anstreben. Der Nominalwert der Index-ETF-Optionen berechnet sich aus der Anzahl der Optionen multipliziert mit dem Kurswert des ETF. Es handelt sich nicht einmal annähernd um das tatsächlich investierte Kapital.

Der Zweck von Put-Optionen ist ja gerade, sich gegen fallende Kurse abzusichern oder auf diese zu wetten, ohne dafür allzu viel Geld investieren zu müssen. Put-Optionen berechtigen dazu, den zugrunde liegenden Basiswert (in diesem Fall den Index-ETF) zu einem bestimmten Zeitpunkt zu einem bestimmten „Ausübungspreis“ an die Gegenpartei zu verkaufen. Für den Käufer einer Put-Option sind die möglichen Verluste auf die bezahlte Optionsprämie begrenzt.

Liegt der Basiswert zum Stichtag größer gleich dem vereinbartem Ausübungspreis, verfällt die Option wertlos. Liegt der Basiswert zum Stichtag niedriger als der vereinbarte Ausübungspreis, hat die Option einen positiven Wert und ab einer bestimmten Schwelle macht der Investor damit Gewinn, weil der Optionswert ab dann größer ist als die bezahlte Put-Prämie. Der Wert der Put-Option schwankt dann einerseits aufgrund der Preisentwicklung des Basiswerts und andererseits mit den Erwartungen der Marktteilnehmer.

Mit noch niedrigeren Kursen um das Verfallsdatum herum steigt der Gewinn immer weiter und kann bei extremen Einbrüchen über 1.000 Prozent betragen. Solche Renditen sind aber nur dann möglich, wenn man Put-Optionen hält, die zum Kauf-Zeitpunkt weit aus dem Geld notierten (deren Ausübungspreis also weitaus niedriger ist als der damalige Kurs des Basiswertes). Das ist übrigens Teil der Strategie des „Tail-Risk-Fonds“ von Universa Investments, die vom Schwarzer-Schwan-Autoren Nassim Taleb beraten werden.

Nur eine Absicherungsstrategie

Der Nominalwert einer Option ist ein fiktiver Wert. Der Nominalwert einer Put-Option wird in der Praxis nur dann grob erreicht, wenn der Basiswert auf Null sinkt. Bei einem Index ist das eigentlich unmöglich. Schon ein Rückgang des SP500 um 50 Prozent innerhalb weniger Monate wäre ein Jahrhundert-Ereignis. Der Unterschied zwischen Nominalwert und Marktwert einer Put-Option liegt im Regelfall bei einem Faktor zwischen 100:1 und 20:1. Bei Indizes wie SP500 und Nasdaq ist die Spanne nochmal geringer als etwa bei volatilen Einzelaktien. Die tatsächlichen Kosten der Index-Optionen dürfte demnach um die 15 bis 80 Millionen Dollar betragen haben. Wenn man nun noch bedenkt, dass Burry zugleich circa 110 Millionen Dollar in Aktien hält, bei denen er auf steigende Kurse setzt, kommt man zu einem etwas anderen Ergebnis: Die Hedgefonds-Legende hat nur einen Teil des Portfolios gegen einen Aktiencrash abgesichert.

Wie genau seine Absicherungs-Strategie aussieht, ist nicht bekannt. Dazu müsste man den Ausübungspreis und Verfallstermin der Optionen kennen – dies wird aber nicht gemeldet. Wir wissen nicht einmal, ob Burrys Hedgefonds die Optionen noch hält, ob diese schon ausgelaufen sind und ob man vielleicht das Volumen aufgestockt hat. Wir wissen nur anhand der Kursentwicklung von Nasdaq und SP500, dass die gemeldeten Optionen so grob zwischen 5 und 10 Prozent im Minus notieren dürften, wenn sie noch nicht abgelaufen sind.

„Das ist selbst für einen großen Fonds eine große Position“, meint Gerry Fowler, Leiter der europäischen Aktienstrategie und der globalen Derivatstrategie bei UBS, gegenüber Business Insider. Selbst wenn Burry nur einen winzigen Bruchteil der 1,6 Milliarden Dollar für die Absicherungen gezahlt habe, würden die Optionen eine „erhebliche Hebelwirkung“ aufweisen.

Fest steht aber: Wenn Burry alles auf eine Karte setzen würde, dann hätte er seine Long-Positionen (Aktienportfolio) doch eher abgebaut und wahrscheinlich eine viel größere Position in Put-Optionen etabliert. Andere Short-Positionen können hingegen auch abseits der 13F-Berichte existieren. Leerverkäufe und Verkäufe von Call-Optionen sind nicht meldungspflichtig und wären nur indirekt im hohen Cash-Anteil des Fonds sichtbar. Trotz der oben dargestellten Zusammenhänge wäre es also theoretisch möglich, dass Burry netto-short ist und mit dreistelligen Millionenbeträgen auf einen Markteinbruch setzt.

Andeutungen über einen Crash hatte der Fondsmanager im November 2022 gemacht: „Ihr ahnt nicht, wie stark ich short bin“, heißt es in einem mittlerweile gelöschten Twitter-Beitrag. Im Januar 2023 hatte Burry dann einen viel beachteten Tweet veröffentlicht, in dem es nur hieß „Verkauft“. Danach haben die Aktienmärkte jedoch, gestützt von den Big-Tech-Konzernen, eine ordentliche Rally hingelegt. Schon Ende März ruderte Burry zurück. „Ich hatte Unrecht damit, von Verkaufen zu sprechen“. Man kann nur darüber spekulieren, ob er auf einen Crash gesetzt hatte und wenn ja, wieviel Geld der Hedgefonds-Manager bis zu diesem Zeitpunkt mit nicht gemeldeten Short-Positionen verloren hatte. Denn aus den 13F-Berichten konnte man nur ableiten, dass Burry zwischenzeitlich fast alle Aktien verkauft hatte und am Zenit rund 200 Millionen Dollar an Cash hielt.

Ein bunt gemischtes Aktienportfolio

Michael Burrys Hedgefonds heißt „Scion Asset Management“. Die für größere Investment-Fonds verpflichtendeForm 13F“ der US-Aufsichtsbehörde SEC gibt der Öffentlichkeit quartalsweise mit einer Verzögerung von 45 Tagen Auskunft über die jüngsten Geldflüsse. Burry hat demzufolge das Aktienportfolio im Vergleich zum letzten Quartal fast komplett umgeschichtet – typisch für den berüchtigten Fondsmanager.

Ein Großteil der günstig erworbenen US-Bankaktien und alle China-Techwerte sind schon wieder draußen. Jetzt besteht das Aktienportfolio aus einem regelrechten Sammelsurium an US-Firmen. Die größten Positionen sind der Reisevermittler „Expedia“ und der Telekommunikationsanbieter „Charter Communications“. Darüber hinaus hat Burry überwiegend in Pharma-, Energie- und Bergbauaktien investiert.

Man sieht einen Fokus auf defensive Branchen. Die Absicherungen passen da gut ins Bild. Der Hedgefonds-Veteran bleibt vorerst skeptisch, was die Erholung am Aktienmarkt angeht. Andere Käufe (zum Beispiel Warner Brothers) fallen in die Kategorie des klassischen „Value-Investierens“ und antizyklischen „Bottom-Fishing“, wovon Burry schon immer ein Anhänger war.

Value bezeichnet eine Strategie, bei der Anleger versuchen, fundamental unterbewertete Aktien (zum Beispiel aufgrund von irrational starken Abverkäufen in einem Bärenmarkt oder einfach nur versteckten Vermögenswerte in der Bilanz) zu finden und von der postulierten langfristigen Rückkehr zum fairen Wert zu profitieren. Das hiermit teils einhergehende Bottom Fishing“ bezeichnet das Kaufen von Aktien, die – so die These des Investors – so stark gefallen sind, dass wirklich alles denkbar Negative eingepreist ist. Von hier könne es quasi nur noch aufwärts gehen.

Wie Burry zur Legende wurde

Als einer von ganz wenigen an der Wall Street hatte Michael Burry schon 2006 den Kollaps des US-Häusermarktes vorausgeahnt und eine durchaus riskante Wette dagegen abgeschlossen – die sich im Nachhinein als Goldgrube erwies. Sein Hedgefonds erzielte von November 2000 bis Juni 2008 eine Rendite (nach Abzug von Gebühren und Kosten) von 490 Prozent. Durch die branchenüblichen Erfolgsbeteiligungen erhielt Burry grob 100 Millionen Dollar, für seine Investoren blieben etwas mehr als 700 Millionen übrig.

Heute gilt Burry als Anlagegenie. Als Profiteur der Subprime-Krise wurde er zur Investment-Legende, sein Charakter im Film „The Big Short“ verewigt und bis heute schauen Profis wie Kleinanleger ganz genau hin, was Burry an den Finanzmärkten so treibt und welche (mitunter kontroversen) Aussagen er auf Twitter tätigt. Burry ist vor allem für seine pessimistischen Prognosen bekannt. Er ist dabei bereit, für antizyklische Investment-Ideen große Risiken einzugehen.

Den Hedgefonds „Scion Capital“ schloss Burry im Sommer 2008 – unter anderem, weil er immer noch enorm unter den Auseinandersetzungen mit einigen seiner Anlegern litt, die die zwischenzeitlich hohen Buchverluste (diese entstanden durch die Spekulation gegen den Immobilienmarkt) nicht aussitzen wollten und sich trotz der letztlich massiven Gewinne betrogen sahen. 2013 legte „Mr. Big Short“ einen neuen Hedgefonds auf. Dort verwaltet er sein eigenes Vermögen und Gelder einer Handvoll nicht öffentlich bekannter Investoren.

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Jakob Schmidt ist studierter Volkswirt und schreibt vor allem über Wirtschaft, Finanzen, Geldanlage und Edelmetalle.


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