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Gabriel pokert hoch: Deutschland soll CETA stoppen, EU sagt Nein

Lesezeit: 2 min
25.09.2014 14:23
Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel will, dass die Bundesregierung das umstrittene Freihandelsabkommen CETA stoppt. Die EU lehnt das ab. Die Grünen sprechen von einem "Eiertanz" Gabriels. Der SPD-Chef kann bei seinem offenbar nicht zu Ende gedachten Poker eigentlich nur verlieren.

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Deutschland will umstrittene Schutzklauseln für Konzerne im Handelsabkommen Ceta der EU mit Kanada in letzter Minute stoppen. Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erklärte am Donnerstag im Bundestag: «Es ist völlig klar, dass wir diese Investitionsschutz-Regeln ablehnen.» Der Handlungsspielraum des Parlaments müsse komplett gewahrt bleiben. Es dürfe keine Doppelstandards geben, die ausländische Investoren besserstellten als deutsche Firmen. Schon an diesem Freitag soll aber der Abschluss der Ceta-Gespräche beim EU-Kanada-Gipfel in Ottawa verkündet werden.

Einen Abbruch der Verhandlungen mit Kanada - die als Blaupause für das viel größere Abkommen TTIP der EU mit den USA gelten - lehnte Gabriel ab. Man sollte jetzt nicht Ceta «in den Orkus werfen», sondern noch Korrekturen durchsetzen. Millionen Arbeitnehmer in deutscher Industrie und Dienstleistungsbranche seien auf einen freien Welthandel angewiesen.

Die noch amtierende EU-Kommission will von Nachverhandlungen jedoch nichts wissen. «Wenn wir die Verhandlungen neu eröffnen, ist das Abkommen tot», sagte Handelskommissar Karel De Gucht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. Gabriel zeigte sich von den Warnungen des scheidenden Kommissars unbeeindruckt: «Der ist auf dem Weg in die Rente.»

Gabriel muss allerdings aufpassen, dass nicht er selbst vorzeitig in die Rente geschickt wird. Der SPD-Chef hat sich in eine ziemlich verfahrene Situation manövriert: Er hat der Parteilinken versprochen, das Freihandelsabkommen aufzuschnüren, um den strittigen Investitionsschutz aus dem Abkommen zu bekommen. Zuvor hatte er jedoch ein Gutachten in Auftrag gegeben, das den Investitionsschutz als ziemlich unwichtig deklariert hatte. Die ehemalige Justizministerin Herta Däubler-Gmelin sieht die SPD unter Zugzwang: Nach dem Beschluss des Parteikonvents müsse Gabriel nun liefern um seine Glaubwürdigkeit nicht vollständig zu verlieren.

Die Bundesregierung will nun weitere EU-Länder davon überzeugen, den 1500 Seiten starken Vertrag noch einmal zu bearbeiten. Das Kapitel zum Investitionsschutz sei in der vorliegenden Fassung für Deutschland nicht zustimmungsfähig, unterstrich Gabriel. Schiedsgerichte, vor denen ausländische Unternehmen Staaten verklagen könnten, seien zwischen demokratischen Rechtsstaaten überflüssig.

Linke und Grüne haben die schwarz-rote Bundesregierung aber im Verdacht, nicht entschlossen genug gegen die geplanten Sonderrechte für Konzerne zu kämpfen. Auch seien die hohen europäischen Standards bei Umwelt-, Arbeitnehmer- und Verbraucherschutz durch die angepeilten Verträge mit Kanada und den USA in Gefahr, warnen sie. Gabriel sei zwischen Wirtschaftsinteressen und dem linken Flügel seiner SPD eingeklemmt: «Sie haben sich für einen Eiertanz entschieden», meinte Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter.

Die Linke wollte am Donnerstag versuchen, die mitregierende SPD vorzuführen. Der Bundestag sollte über Anträge abstimmen, die jene «roten Linien» aufgreifen, die von der SPD zuvor auf einem kleinen Parteitag bei TTIP aufgestellt worden waren. Linken-Fraktionsvize Klaus Ernst unterstellte Gabriel, sein Widerstand gegen die Schutzklauseln sei nur Show.

Gabriel ließ das nicht auf sich sitzen. Er warf der Linken vor, auf billige Mätzchen zu setzen und keinen Mumm für eine inhaltliche Debatte zu haben. Die Linken wollten Deutschland abschotten, die Bürger gegen Europa und freien Welthandel aufwiegeln: «Sie sind eine richtige Jobkiller-Partei in Deutschland.» Hinter den Kulissen mache die Linkspartei gemeinsame Sache mit der Euro-kritischen Alternative für Deutschland (AfD).

CDU-Generalsekretär Peter Tauber erklärte, die Bundesregierung werde darauf achten, dass Ceta und TTIP nicht zu einem schlechteren Umwelt- und Verbraucherschutz in Europa führten: «Natürlich wollen wir keine Standards preisgeben.»


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