Deutschland

NRW: Kraft wie Hollande – Linksrutsch in Europa geht weiter

Der klare Sieg von Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen ist ein Beleg dafür, dass der Linksrutsch in Europa weitergeht. Mit 172 Milliarden Euro Verschuldung ist das Land eigentlich unregierbar. Auch Kraft wird, wie Francois Hollande in Paris, nicht umhin kommen, den Bürgern nach der Wahl heftige Sparprogramme zuzumuten.
14.05.2012 01:31
Lesezeit: 3 min

Erst Francois Hollande in Frankreich, dann die Griechen und nun Rot-Grün in Nordrhein-Westfalen: Das Ergebnis der Landtagswahl im bevölkerungsreichsten Bundesland bestätigt den Trend zu linken Regierungen in Europa. Auch wenn in NRW die Partei Die Linke aus dem Landtag geflogen ist, so ist das Wahlergebnis vom Sonntag doch als Beleg zu interpretieren, dass die Bürger in Zeiten der Krise lieber Versprechungen hören als harte Wahrheiten. Die Neue Zürcher Zeitung bezeichnet Kraft als „Schuldenkönigin“ – und tut ihr damit insoweit unrecht, als dass die Schuldenmacherei in NRW eine lange Tradition hat: Johannes Rau war der Altmeister, und der ehemalige CDU-Ministerpräsident Jürgen Rüttgers wurde zu Recht der „Arbeiterführer vom Rhein“ genannt. Kraft hat den Vorwurf der übertriebenen Schulden stets mit dem Hinweis zurückgewiesen, dass Schuldenmachen in Düsseldorf gewissermaßen zum genetischen Code der Landespolitik gehört.

Allerdings wird auch Kraft nach der Wahl anders agieren müssen, als sie es im Wahlkampf verbal getan hat. Mit 172 Milliarden Euro hat das Land zwar eine etwas geringere Pro-Kopf-Verschuldung als die Stadtstaaten Berlin oder Bremen. Aber dieser Berg kann nicht durch Umverteilungskonzepte abgebaut werden.

Auch NRW wird von den Schulden erdrückt. Jede Neuaufnahme von Schulden zieht neue Zinslasten nach sich. Wie Griechenland und Frankreich muss sich auch NRW das Geld von den Kapitalmärkten leihen. Und diese Märkte trauen den europäischen Staaten immer weniger über den Weg. NRW hat in dieser Hinsicht einige Ähnlichkeit mit Frankreich: Denn auch hier gibt es viele global tätige Konzerne, etwa im Energiebereich. Diese sind zumeist hoch profitabel – weil sie ihre Profite der Auslagerung von Arbeitsplätzen in andere Regionen der Welt verdanken. Für den Staatssäckel bleibt immer weniger übrig – in Düsseldorf wie in Paris.

NRW hat, ähnlich wie Frankreich, keine überbordende Innovations-Branche. Und selbst die ansässigen Technologiefirmen profitieren davon, dass sie – etwa im Dienstleistungs- oder E-Commerce-Bereich – auf Arbeitskräfte aus aller Welt zurückgreifen. Zum großen Wachstumsmotor auf dem Arbeitsmarkt sind selbst die innovativen Unternehmen nicht geworden.

Mit einer Neuverschuldung von 8,4 Milliarden Euro wie im Landeshaushalt 2010 vorgesehen, kam die Landesregierung nicht einmal über die Hürde des Bundesverfassungsgericht: Dieses stoppte den Haushalt wegen zu hoher Schulden.

Möglicherweise ist es aber dennoch leichter, einen Sparkurs zu fahren, wenn dieser von einer sozialdemokratischen Regierung verordnet wird. Hannelore Kraft hat die Wahl so überzeugend gewonnen, weil sie den Bürgern ein Gefühl von Nähe und Wärme vermittelt. Anders als ihr jämmerlich gescheiterter Gegenspieler Norbert Röttgen gilt sie als glaubwürdig und seriös.

Diese Eigenschaften wird sie einsetzen können, wenn sie den Leuten sagen wird müssen, dass das westeuropäische Leben auf Pump an seine Grenzen geraten ist. Überall, auch in NRW, sind die Kurven der Verschuldung exponentiell. Mit gut gemeinten, aber unrealistischen Wachstums-Illusionen wird die Verschuldung nicht abgebaut werden können. Wenn es keine radikale Umkehr bei der Verschuldung gibt, ist der Crash nicht zu vermeiden – auch nicht für die Bürger an Rhein und Ruhr.

Freilich besteht die Gefahr, dass Rot-Grün in Düsseldorf den fundamentalen Trend der Realitäts-Verweigerung in der europäischen Politik verstärken wird. Dann allerdings wird das böse Erwachen erzwungenermaßen kommen: Viele schöne Versprechen sind nicht einzulösen, wenn die Banken das Vertrauen verlieren. Sie werden dem Land den Hahn zudrehen, wenn sie zweifeln, dass sie das geliehene Geld mit Zins und Zinseszins auch eines Tages wiedersehen werden. Verstaatlichte Banken, die besonders dumm spekulieren, sind auch kein Ausweg: An der Wall Street gilt „Dusseldorf“ als Attribut für besonderen Spott, weil die staatlichen Banken von NRW in der Subprime-Krise die dankbarsten Abnehmer von Schrottpapieren waren. Das einst glorreichste Instrument zur Finanzierung von politischen Verbrechen, die WestLB, ist nur noch ein Schatten ihrer selbst.

Viel Freude gab es über die 8 Prozent der FDP. Man kann das auch anders sehen: Gerade mal 8 Prozent unterstützen den Kurs einer Partei, die in der Person von Christian Lindner immerhin versucht hat, den Wählern klarzumachen, dass verantwortlicher Umgang mit Steuergeldern die Voraussetzung von echter Glaubwürdigkeit ist. Die überwältigende Mehrheit hofft immer noch, dass Milch und Honig weiter fließen.

Diese Fiktion kann nicht aufrechterhalten werden. Wenn die Champagnerflaschen leergetrunken sind, wird Hannelore Kraft auch ihren Wählern sagen müssen, dass die Party vorüber ist. Auch dies verbindet Düsseldorf in der europäischen Schuldengemeinschaft eng mit Paris, Rom oder Athen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Politik
Politik Migration und Asylpolitik: Faesers Bilanz und die Kontroversen
01.04.2025

Nancy Faeser zieht Bilanz: Weniger Asylanträge, mehr Abschiebungen – die geschäftsführende Innenministerin ist zufrieden. Doch nicht...

DWN
Politik
Politik Handelskonflikt eskaliert: EU prüft bislang ungenutztes Instrument
01.04.2025

Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA stehen kurz vor einer Eskalation. US-Präsident Trump plant neue Zölle auf eine...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Trumps Zölle - Warum Hyundai jetzt auf Milliarden-Investitionen in den USA setzt
01.04.2025

Geht sein Plan auf? Trumps Zollerhöhungen erzwingen bereits drastische Reaktionen. Hyundai investiert 21 Milliarden US-Dollar in die USA,...

DWN
Politik
Politik AfD holt in Umfrage auf: Union büßt nach Bundestagswahl stark ein
01.04.2025

Nach der Bundestagswahl verliert die Union in den Umfragen, während die AfD kräftig zulegt. Auch SPD und Grüne verzeichnen Rückgänge,...

DWN
Politik
Politik Bamf-Chef Sommer will radikale Asyl-Wende - Rücktritt gefordert
01.04.2025

Bamf-Chef Hans-Eckhard Sommer fordert eine radikale Wende in der deutschen Asylpolitik. Statt individueller Anträge plädiert er für eine...

DWN
Finanzen
Finanzen Europa-ETF-Vergleich: Wie Sie mit Europa-fokussierten ETFs Geld verdienen - und welche Europa-ETF sinnvoll sind
01.04.2025

Da die Trump-Administration die Unterstützung für die Ukraine zurückfährt, protektionistische Zölle erlässt und sich von der...

DWN
Politik
Politik Reform Arbeitszeitgesetz: 8-Stunden-Tag nicht mehr zeitgemäß?
01.04.2025

Union und SPD schlagen vor, aus der täglichen eine wöchentliche Höchstarbeitszeit zu machen. Von der Wirtschaft gibt es Zuspruch, die...

DWN
Politik
Politik Stephan Weil: Niedersachsens Ministerpräsident (SPD) zieht sich aus Politik zurück
01.04.2025

Stephan Weil beendet nach mehr als zwölf Jahren als Ministerpräsident von Niedersachsen seine politische Karriere. Mit einem klaren Kurs...