Politik

Handelskonflikt eskaliert: EU prüft bislang ungenutztes Instrument

Die Handelsbeziehungen zwischen der EU und den USA stehen kurz vor einer Eskalation. US-Präsident Trump plant neue Zölle auf eine Vielzahl von Produkten – von Autos bis zu Medikamenten. Die EU bereitet sich auf eine komplexe Antwort vor, bei der auch ein bislang ungenutztes „Anti-Kooperationsinstrument“ eine zentrale Rolle spielen könnte. Während Irland vor einer zu scharfen Reaktion warnt, setzt die Europäische Kommission auf Verhandlungen, um den drohenden Handelskrieg abzuwenden. Die nächsten Tage könnten entscheidend für die Zukunft der transatlantischen Beziehungen sein.
01.04.2025 15:59
Lesezeit: 4 min
Handelskonflikt eskaliert: EU prüft bislang ungenutztes Instrument
Zahlreiche Neuwagen der Marke Volkswagen stehen zur Verladung im Hafen bereit. US-Präsident Trump kündigt Zusatzzölle in Höhe von 25 Prozent auf alle Autoimporte an und verschärft damit den Handelsstreit mit der Europäischen Union. (Foto: dpa) Foto: Lars Penning

Die Europäische Union bereitet sich auf die Einführung von US-Zöllen in Höhe von zehn bis 25 Prozent auf zahlreiche Exporte vor, die voraussichtlich nächste Woche verhängt werden. Im Zuge dieser Entwicklungen arbeiten die EU-Behörden an einer Strategie, die weit über einfache Vergeltungsmaßnahmen wie Zölle auf Blue Jeans hinausgeht.

Laut Informationen aus Brüssel und Washington entwickeln die Handelsbehörden der Europäischen Kommission derzeit ein umfassendes Antwortkonzept. Dieses umfasst sowohl konstruktive Maßnahmen, wie den Kauf von mehr US-Gas und die Senkung eigener Zölle, als auch den Einsatz eines bislang ungenutzten „Anti-Kooperationsinstruments“. Dieses Instrument könnte es der EU ermöglichen, Import- und Exportkontrollen auf bestimmte Güter wie Softwarelizenzen zu verhängen oder ausländische Investitionen sowie öffentliche Ausschreibungen für US-Unternehmen zu beschränken.

Trump verkündet am 2. April neue Zölle

Welche Maßnahmen letztlich ergriffen werden, hängt weitgehend von den Ankündigungen des US-Präsidenten Donald Trump am 2. April ab, dem sogenannten „Befreiungstag“. Trump hatte zuvor angekündigt, in einer Vielzahl von Sektoren, darunter Autos, Pharmazeutika, Computerchips, Holz und Metalle, Zölle zu erheben.

Bereits in der Vergangenheit wurden in den USA Zölle auf Stahl und Aluminium in Höhe von 25 Prozent eingeführt. Zudem droht Trump mit weiteren Zöllen auf Kupfer und hat einen 25-prozentigen Zoll auf Autos und Autoteile angekündigt. Besonders umstritten sind auch die Androhungen von Zöllen auf Alkoholprodukte, die bis zu 200 Prozent betragen könnten – eine Reaktion auf die von der EU angekündigten Vergeltungsmaßnahmen gegen US-Produkte wie Bourbon.

„Sie haben angefangen“ – EU reagiert zögerlich

„Wir wollen nicht reagieren müssen, aber um wie mein dreijähriger Sohn zu klingen: Sie haben angefangen“, sagte der Sprecher der Handelskommission, Olof Gill, vergangene Woche. Bislang hat die EU jedoch noch keine umfassende Antwort gegeben. Zwar sollten einige Vergeltungszölle, darunter auch auf Bourbon und Blue Jeans, bereits am Dienstag in Kraft treten, doch Brüssel hat diese Maßnahmen auf Mitte April verschoben und konsultiert weiterhin die EU-Mitgliedstaaten, welche Produkte konkret betroffen sein sollen.

Diese Verzögerung verschafft unter anderem den irischen Whiskeyherstellern noch Zeit, ihre Lobbyarbeit in den USA zu intensivieren – eine Taktik, die bereits 2019 erfolgreich war, als die EU von einer Erhöhung der Zölle verschont blieb.

Die Zollliste der EU, die unter anderem Produkte wie US-Dairy, Luxusjachten, Soja, Kühltruhen und Motorräder umfasst, zielt mit einem Gesamtwert von 26 Milliarden Euro auf US-Waren ab. Diese Zahl entspricht dem Wert der EU-Exporte von Stahl und Aluminium, die in der ersten Runde der US-Zölle betroffen waren.

Im Vergleich dazu waren die Exporte der EU von Autos in die USA 2022 rund 37 Milliarden Euro wert. Die EU-Exporte von Pharmazeutika in die USA beliefen sich 2023 auf rund 90 Milliarden Euro. Allein Irland war für die Hälfte dieser Exporte verantwortlich.

Risiken für die EU bei Vergeltungsmaßnahmen

Sollten wichtige Exportsektoren der EU durch die US-Zölle getroffen werden, könnte die EU Schwierigkeiten haben, genügend US-Produkte als Gegenmaßnahme zu finden, ohne sich selbst wirtschaftlich zu schaden. David Henig, Direktor des European Centre for International Political Economy (ECIPE), warnte, dass die EU-Importe aus den USA in erster Linie Öl, Gas und Pharmazeutika umfassen – Sektoren, in denen Vergeltungsmaßnahmen problematisch wären.

„Wenn man diese Sektoren ausschließt, bleibt nur noch eine Vielzahl von Lebensmitteln und Getränken sowie anderen Produkten, bei denen es leicht Ersatz gibt. Doch schnell wird die Liste der Produkte, bei denen Vergeltungsmaßnahmen ohne negative Auswirkungen für die EU verhängt werden können, kürzer“, so Henig.

Das „Anti-Kooperationsinstrument“ – Die EU bereitet sich vor

In diesem Zusammenhang könnte das „Anti-Kooperationsinstrument“ der EU eine Schlüsselrolle spielen. Dieses Instrument wurde ursprünglich als Antwort auf das US-Sektion-232-Instrument entwickelt, das es der US-Regierung erlaubt, Zölle und Importkontrollen aus Gründen der nationalen Sicherheit zu verhängen. Obwohl das „Anti-Kooperationsinstrument“ bislang nicht zum Einsatz kam, steht es nun als Option auf dem Tisch.

Henig erklärt: „Angesichts der begrenzten Anzahl an Waren, die als Vergeltungsmaßnahme genutzt werden können, ist es zu erwarten, dass die EU auch Dienstleistungen ins Visier nehmen könnte, auf die Zölle keine Anwendung finden.“ Mögliche Maßnahmen könnten etwa die Einschränkung des Zugangs von US-Unternehmen zu Beschaffungsmärkten oder die Begrenzung von Investitionen betreffen.

Skepsis in einigen EU-Staaten

Trotz der Optionen zur Eskalation des Konflikts gibt es in der EU Bedenken, vor allem in Irland. Auch die italienische Premierministerin Giorgia Meloni und der scheidende deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz warnten davor, in der Handelskonfliktpolitik zu überreagieren und riefen zu Ruhe und Besonnenheit auf.

Jack Chambers, der irische Minister für öffentliche Ausgaben, betonte, dass Vergeltungsmaßnahmen mit Vorsicht behandelt werden sollten. „Irland ist am stärksten betroffen, wenn sich die Situation zuspitzt. Es geht nicht nur um unmittelbare Auswirkungen, sondern auch um die Unsicherheit, die Investitionen und Handelsbeziehungen hemmt“, sagte Chambers.

In der EU gibt es zudem interne Beratungen darüber, wie die Auswirkungen der Zölle auf die Wirtschaft minimiert werden können, ohne die eigenen Interessen zu gefährden.

Europäische Kommission setzt auf Verhandlungen

Die Europäische Kommission bemüht sich derzeit, einen Dialog mit den USA zu führen, bereitet sich jedoch gleichzeitig auf die negativen Auswirkungen der US-Zölle vor. In diesem Zusammenhang haben EU-Vertreter die Industrie dazu aufgerufen, sich auf die kommenden Handelsbarrieren vorzubereiten, während im Hintergrund weiter an einem Kompromiss gearbeitet wird, um die Zölle zu verringern.

Mögliche Verhandlungspunkte könnten der verstärkte Kauf von US-Gütern, wie etwa Flüssigerdgas, oder die Reduzierung von regulatorischen Handelshemmnissen sein. Es bleibt jedoch abzuwarten, wie weit die US-amerikanische Seite bereit ist, Zugeständnisse zu machen, insbesondere bei Themen wie der digitalen Regulierung oder der Lebensmittelsicherheit.

„Wir müssen sehr strategisch vorgehen“, sagte Olof Gill. „Wir bedauern all diese Zölle, aber wir bereiten uns auf alle Eventualitäten vor.“

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