Zahlreiche Anleger aus Deutschland, der Schweiz und Österreich haben offenbar bei einem Anlageprodukt der Versicherung Swiss Select große Teile ihres Vermögens verloren. Die Produkte nennen sich Swiss Select Garantie und Swiss Select Garantie 3. Neben der Swiss Life hat auch die Vienna Life Liechtenstein, Tochter der Vienna Insurance Group, das gegenständliche Produkt angeboten. Die Swiss Life hält die Fälle für nicht miteinander vergleichbar und teilte den DWN auf Anfrage mit: „Die Fälle „Vienna Life“ und „Swiss Life“ sind insofern nicht miteinander vergleichbar, als dass es sich in faktischer Hinsicht in jedem Einzelfall um unterschiedliche Sachverhalte handelt (z.B. in Bezug auf Versicherungsnehmer, Zeiträume, die zu beurteilen sind, Vertriebskanäle, Wertentwicklung, Gerichtsstände etc.).“
Die Swiss Life verweist auch darauf, dass die fraglichen Geschäfte aus der Zeit vor der Übernahme der CapitalLeben durch die Swiss Life getätigt wurden: „Die von der mit uns in keiner Verbindung stehenden Firma Swiss Select in den Jahren 2003 – 2005 vermittelten Anlagen, die sich im Depot gewisser Versicherungsnehmer befinden, gingen mit der seinerzeitigen Akquisition von CapitalLeben (2007) auf Swiss Life über.“
Die fraglichen Angebote zeigen allerdings beispielhaft, wie seitens der Finanzindustrie Komplexität geschaffen wird – die weder vom Anleger und meist von auch von den Beratern kaum zu durchschauen sind.
Wie der Anwalt der Geschädigten-Gemeinschaft, der Liechtensteiner Rechtsanwalt Hans-Jörg Vogl den Deutschen Wirtschafts Nachrichten sagte, handelt es sich bei dem angebotenen Produkt der Swiss Select um ein Modell, bei dem eine „kaskadenartige Kostenstruktur“ verhindert, dass der Anleger jemals eine Rendite aus der Anlage sehen wird. Vogl spricht daher in Anspielung auf den Namen der Produkte von einer „garantierten Wertvernichtung“, die die Swiss Select in diesem Zusammenhang anbietet. Vogl vertritt die geschädigten Anleger und streitet im Moment vor dem Landgericht Vaduz für die Geschädigten.
Die Swiss Life erweist sich in diesem Zusammenhang als offenbar ausgesprochen kooperations-unwillig, beklagt Vogl. Für ein im Auftrag des Gerichts erstelltes Gutachten weigerte sich die Swiss Life, die zur Erstellung des Gutachtens notwendigen Informationen herauszugeben und reichte nur einige allgemeine Informationen an den Gutachter weiter, so dass dieser den Fall rekonstruieren musste. Die Swiss Life stellt dazu auf Anfrage fest, dass „wir zu hängigen Gerichtsverfahren und Fragen, über die das Gericht möglicherweise befindet, keine Stellung nehmen können. Deswegen kommentieren wir auch keine Einzelfälle, insbesondere nicht, wenn wir nicht Partei sind. In Anbetracht der sehr komplexen und dementsprechend nicht eindeutigen Rechtslage sind wir interessiert daran, dass eine richterliche Klärung vorgenommen wird.“
Das Modell ist kompliziert gemacht – für die Anleger ist vor allem die Kostenstruktur kaum zu durchschauen. Allerdings ist diese, wenn man genau hinsieht auch wiederum sehr einfach: Der Gutachter Dr. Rainer Konrad aus St. Gallen hat den Fall durchleuchtet. Im Kern kommt er zum Ergebnis: Damit der Anleger mit dem Swiss Select Produkt überhaupt jemals eine Rendite erwirtschaften könnte, müsste der Fonds eine durchschnittliche jährliche Rendite von 20 Prozent abwerfen. Der langjährige Durchschnitt vergleichbarer Produkte ist jedoch eine Rendite von maximal 9,4 Prozent. Diese Rendite, so der Gutachter, sei vor allem in den „goldenen Neunzigerjahren“ erzielt worden. Weil die Produkte der Swiss Life mit einer Lebensversicherung gekoppelt waren, geht der Gutachter davon aus, dass im besten Fall mindestens eine Rendite von 11,5 Prozent nötig gewesen wäre, um die Kosten zu decken. Auch das ist äußerst unwahrscheinlich.
Der Fall zeigt das Modell, nach dem Swiss Select vorgegangen ist: Die Kosten wurden dem Anleger in einer frühen Phase des „Investments“ berechnet. Wenn die hohen Renditeerwartungen dann im Lichte der Realität platzen, haben der Fonds und die emittierende Bank – Emittenten waren die Société Générale oder die Barclays Bank, bei den Volksbanken wurden unter anderem die Kredite aufgenommen – ihren „Schnitt“ bereits gemacht. Der Anleger trägt das volle Risiko. Dies ist im vorliegenden Fall besonders unangenehm, weil vielen Geschädigten zum Erwerb des Fonds die Aufnahme von Darlehen empfohlen worden war. Wenn der Fonds jedoch keinen Ertrag abwirft, bleiben die Anleger auf den Darlehen sitzen und zahlen dafür weiter saftige Zinsen.
Rechtsanwalt Vogl warnt daher vor Produkten der Swiss Life: „Schauen Sie genau hin! Wenn Ihnen die Swiss Life eine Garantie verspricht, sollten Sie besonders vorsichtig sein.“ Die Swiss Life hält dagegen, dass es sogar schon eine Gerichtsentscheidung zu ihren Gunsten gäbe: „Das Fürstliche Landesgericht in Liechtenstein hat vor kurzem in einem Swiss Select Gerichtsfall entschieden, die Klage des Versicherungsnehmers vollumfänglich abzuweisen und verurteilte den Kläger darüber hinaus dazu, Swiss Life die angefallenen Kosten zu ersetzen. Dies obwohl sich der Gegenanwalt argumentativ insbesondere auf die Feststellungen des von Ihnen erwähnten OGH Urteils berufen hatte.“
Immerhin: Bei Swiss Life möchte man in Zukunft noch sorgfältiger darauf achten, dass die Kunden ordentlich informiert werden. Man halte sich peinlich genau an alle Vorgaben der staatlichen Regulatoren, sagte eine Sprecherin den Deutschen Wirtschafts Nachrichten.
Den betroffenen Anlegern hilft dieser Blick in die Zukunft freilich nicht: Sie müssen nun hoffen, dass das Gericht in ihrem Sinn entscheidet.