Die Entscheidung des Aufsichtsrats der Deutschen Bahn, das umstrittene Projekt Stuttgart 21 weiterzubauen (hier) ist der Anfang einer vermutlich langen und erbitterten Auseinandersetzung. Diese dürfte, wenn nicht ein Wunder geschieht, vor den Gerichten stattfinden.
Der Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Winfried Kretschmann sagte nach der Aufsichtsrats-Sitzung, man nehme die Entscheidung „zur Kenntnis“. Doch müsse die Bahn als Bauherrin die Kosten allein übernehmen und „alle Mehrkosten tragen“. Denn: „Es ist Aufgabe der Bahn und des Bundes und nicht des Landes, funktionierende Bahnhöfe zu bauen.“
Auch der Stuttgarter Oberbürgermeister, Fritz Kuhn, signalisierte keinerlei Bereitschaft, zusätzliche Milliarden aufzutreiben. Es gäbe eine entsprechenden Gemeinderats-Beschluss: „Die Stadt wird nicht mehr Geld zahlen, als bisher vorgesehen ist.“
Die beiden Grünen dürften sich vor allem über die Finte der Deutschen Bahn ärgern, die ihre Fehlkalkulation von 1,1 Milliarden Euro nun der Posten „Mehrkosten“ unterjubeln will. Noch vor Weihnachten hatte die Bahn gesagt, dass sie dafür aufkommen werde.
Mit insgesamt 6,5 Milliarden Euro ist Stuttgart 21 deutlich teurer als der auch schon vor Baubeginn misslungene Berliner Großflughafen BER. Sowohl das Land als auch die Kommune müssen sich wegen der angespannten Haushaltslage ohnehin auf Kürzungen einstellen – etwas, was rot-grünen Regierungen naturgemäß schwerfällt. Sie wissen auch schlicht nicht, woher sie das Geld nehmen sollen. Einzige Möglichkeit wären neue Schulden, und davor haben in Zeiten der Euro-Krise alle Politiker eine gewisse Scheu.
Vor allem aber wittern die Grünen – und die SPD in Baden-Württemberg wird sie darin großherzig unterstützen – die Chance, das Debakel bei Stuttgart 21 zum Wahlkampf-Thema gegen Angela Merkel aufzubereiten.
Auch wenn Stuttgart nur ein Land ist und sich das Interesse an lokalen Bauprojekten in anderen Bundesländern in Grenzen hält, so hat Stuttgart 21 das Potential zu einer Symbol-Baustelle: Nämlich der der grenzenlosen Misswirtschaft und der Steuer-Verschwendung. Als Mythos des Scheiterns ist Stuttgart allen Deutschen ein Begriff – auch wenn sie noch nie dorthin mit dem Zug gefahren sind.
Fest steht nur eines: Die Steuerzahler in ganz Deutschland werden für das Fiasko aufkommen müssen. Die überhebliche Art, wie die Deutsche Bahn als Staatsbetrieb nun auftritt und beschließt, dass weitergebaut wird – obwohl diejenigen, die bezahlen müssen, gar nicht gefragt wurden, wird einen weiteren Beitrag liefern, um den Bürgern den Blutdruck in die Höhe zu treiben.
Und mit rotem Kopf sind Schwarz oder gar Blau keine rechten Wahl-Alternativen. Daher hat Stuttgart 21 eine bundesweite Dimension, die den im Moment noch sicher scheinenden Wahlsieg Merkel im September ernsthaft gefährden könnte.