Politik

Kleine EU-Staaten fürchten Entmachtung ihrer Parlamente

Brüssel erhält nun noch mehr Macht über die nationalen Haushalte der Mitgliedsländer. Jedes Land muss ein spezifisches Reformprogramm vorlegen und die Kommission gibt entsprechende Anweisungen. Die kleinen EU-Länder fürchten dabei aber um die Souveränität ihrer Parlamente.
29.05.2013 10:56
Lesezeit: 2 min

Am Mittwoch ist es soweit: Die EU-Kommission wird ihre Berichte zur Wirtschaftslage der 27 Mitglieds-Länder veröffentlichen. Darin enthalten sind Empfehlungen für die Mitgliedstaaten bezüglich Reformen oder Einsparungen, die vorzunehmen sind. Vielen kleinen EU-Ländern geht diese Neuerung jedoch zu weit. Sie fürchten eine Entmachtung ihrer nationalen Parlamente.

Bisher hat die Kommission vor allem für Länder, die ein Bailout benötigten, Empfehlungen ausgesprochen. Doch am Mittwoch wird sich dies grundlegend ändern. Jedes Land erhält spezifische Vorgaben. Wie umfangreich diese sein werden und wie stark sich die Länder daran halten müssen, ist jedoch noch unklar. Besonders Bereiche wie die Lohn-, Renten- und Sozialausgaben könnten von den Empfehlungen der Kommission betroffen sein. Schon jetzt ist es umstritten, wenn ausgerechnet Brüssel Äußerungen zur Handhabe der nationalen Haushalte macht. Aber ein Eingriff in die sozialen Strukturen eines Landes ist noch heikler.

„Ich bin besorgt über das Ausmaß der länderspezifischen Empfehlungen", sagt Eva Kjer Hansen, die Leiter des Europa-Ausschusses im dänischen Parlament. „Es ist irgendwie unklar, was das jetzt eigentlich bedeutet“, zitiert sie der EUObserver. Man wisse nicht, ob den Empfehlungen der Kommission anstandslos gefolgt werden müsse oder, ob man erklären muss, „warum man den Empfehlungen nicht folgt".

Mit den neuen Änderungen reiche der bisherige Prozess nicht aus. Bisher ist es so, dass die Kommission nun gegen Ende eines jeden Jahres Wachstums-Prioritäten setzt. Danach legen die nationalen Regierungen ihre spezifischen Reformprogramme vor und die Kommission gibt anschließend Empfehlungen. Vielmehr müssten die nationalen Parlamente das ganze Jahr über mit in den Prozess in Brüssel mit eingebunden sein, so Kjer.

Oftmals werden die nationalen Parlamente einfach nur im Nachhinein über die Entscheidungen und Forderungen aus Brüssel informiert. So habe etwa die niederländische Regierung im vergangenen Jahr das niederländische Reformprogramm nach Brüssel gesandt. Eine vorherige Debatte im Parlament des Landes gab es nicht, so der niederländische Abgeordnete Michiel Servaes. Dies sei „inakzeptabel“.

Vor allem bei Mitgliedsländern, die keinem Bailout-Programm unterstehen, aber die Defizitgrenze nicht erreichen, wird die Kommission stärker eingreifen. Doch genau das fürchten die kleinen Länder, während es für Deutschland Schäuble zufolge kein Problem ist (hier). Miapetra Kumpula-Natri, die Vorsitzende des Großen Ausschusses im finnischen Parlament, verdeutlicht die Unruhe über die neuen Machtbefugnisse für Brüssel. „Ich denke, wir in Finnland haben das Gefühl, dass wir unsere Wirtschaft besser kennen als die Kommission“, sagte sie. Vor allem, wenn es dann um „heiße“ Themen wie die nationale Lohn- und Rentenpolitik gehe. Dies seien eigentlich Bereiche, die das Parlament mit Gewerkschaften und anderen nationalen Organisationen berät und nicht mit Brüssel.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Gold als globale Reservewährung auf dem Vormarsch

Strategische Relevanz nimmt zu und Zentralbanken priorisieren Gold. Der Goldpreis hat in den vergangenen Monaten neue Höchststände...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Vetternwirtschaft und Machtspiele: So scheitert der NATO-Innovationsplan
03.07.2025

Milliarden für die NATO-Innovation, doch hinter den Kulissen regiert das Chaos: Interessenkonflikte, Rücktritte und Streit gefährden...

DWN
Politik
Politik Trump dreht den Geldhahn zu: Kiew kämpft ohne Washington
02.07.2025

Donald Trump kappt Waffenhilfe für die Ukraine, Europa zögert, Moskau rückt vor. Doch Kiew sucht nach eigenen Wegen – und die Rechnung...

DWN
Panorama
Panorama Köln schafft den Begriff "Spielplatz" ab
02.07.2025

Köln verabschiedet sich vom traditionellen Begriff "Spielplatz" und ersetzt ihn durch "Spiel- und Aktionsfläche". Mit neuen Schildern und...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Tusk zieht die Grenze dicht – Spediteure schlagen Alarm
02.07.2025

Grenzkontrollen sollen Sicherheit bringen – doch für Spediteure und Industrie drohen Staus, teurere Transporte und Milliardenverluste....

DWN
Panorama
Panorama EU-Klimapolitik: Soviel Spielraum lässt das 90-Prozent-Ziel
02.07.2025

Die EU-Kommission hat sich ein ehrgeiziges Ziel gesetzt: Bis 2040 sollen die Emissionen massiv sinken, ein großer Schritt Richtung...

DWN
Technologie
Technologie DeepSeek zerstört Milliardenwerte: China-KI soll aus Europa verschwinden
02.07.2025

Ein chinesisches Start-up bringt Nvidia ins Wanken, Milliarden verschwinden in Stunden. Doch für Europa ist das erst der Anfang: Die...

DWN
Politik
Politik Gasförderung Borkum: Kabinett billigt Abkommen mit den Niederlanden
02.07.2025

Die Bundesregierung will mehr Gas vor Borkum fördern und stößt damit auf heftigen Widerstand von Umweltschützern. Das Vorhaben soll...

DWN
Immobilien
Immobilien Klimaanlage einbauen: Was Sie vor dem Kauf wissen müssen
02.07.2025

Die Sommer werden heißer – und die Nachfrage nach Klimaanlagen steigt. Doch der Einbau ist komplizierter, als viele denken. Wer nicht in...