Gefahr aus Fernost: DeepSeek unterläuft die Exportkontrollen
Das chinesische Start-up, das vor einem halben Jahr die Tech-Welt erschütterte, steht unter Druck. Unbestrittener Höhepunkt der Technologieszene zu Jahresbeginn war das KI-Modell R1 des chinesischen Start-ups „DeepSeek“, das laut Unternehmensangaben mit den führenden westlichen Modellen mithalten konnte – bei deutlich geringeren Kosten. „DeepSeek“ rüttelte damit nicht nur an der Vormachtstellung von „OpenAI“, dem Entwickler von „ChatGPT“, sondern auch am Monopol der KI-Chip-Schmiede „Nvidia“, so das litauische Wirtschaftsportal Verslo žinios.
Für sein Modell R1 nutzte das vorwiegend aus jungen Ingenieuren bestehende „DeepSeek“-Team, die erst kürzlich Top-Universitäten in China abgeschlossen hatten, lediglich 2.048 „Nvidia H800“-Prozessoren – weniger leistungsfähige, aber auch erheblich günstigere Chips als jene, die US-Tech-Giganten für ihr KI-Training einsetzen. Der Grund: Wegen US-Exportbeschränkungen für Hochleistungs-KI-Chips musste „DeepSeek“ mit dem auskommen, was verfügbar war. Vor einem halben Jahr wurde genau das zum Trumpf für „DeepSeek“. Die Chinesen nutzten die Chance so geschickt, dass „Nvidia“-Investoren panisch reagierten – am 27. Januar verlor der KI-Chiphersteller 600 Milliarden Dollar an Börsenwert. Die Märkte fürchteten plötzlich, dass generative KI womöglich gar nicht so viele teure, hochmoderne „Nvidia“-Chips benötigt wie angenommen. Es war der größte Tagesverlust an Börsenwert in der US-Geschichte. Seitdem hat sich der „Nvidia“-Kurs erholt – „DeepSeek“ dagegen kämpft mit Problemen.
Chipmangel bremst Entwicklung
Ein Indiz: Die für Mai geplante Präsentation des neuen KI-Modells R2 verzögert sich. Wie das Tech-Portal „The Information“ berichtet, tüfteln die Entwickler bereits seit Jahren an R2, das besser programmieren und mehr Sprachen „verstehen“ soll – nicht nur Englisch. Doch wie „The Information“ meldet, ist „DeepSeek“-Gründer Liang Wenfeng bislang unzufrieden mit der Leistung des Modells und blockiert den Marktstart. Zudem ist das Umfeld seit dem „DeepSeek“-Hype rauer geworden. Nach dem Wahlsieg von Donald Trump wurden die US-Restriktionen für KI-Chip-Exporte nach China nochmals verschärft. Schon zuvor durfte „Nvidia“ etwa den für KI-Rechenzentren konzipierten H100-Chip nicht nach China liefern.
Um frühere Exportvorgaben zu erfüllen, entwickelte „Nvidia“ die schwächere H20-Variante für China. Doch Trumps Regierung schränkt inzwischen auch deren Export ein. „Nvidia“-Chef Jensen Huang erklärte bei der Bilanzvorlage Ende Mai, dass der chinesische Markt im Volumen von rund 50 Milliarden Dollar für US-Konzerne faktisch verschlossen sei. „Aus diesem Grund müssen wir Vorräte im Milliardenwert abschreiben, die wir weder verkaufen noch anderweitig nutzen können“, so Huang im Mai. Die verschärften Regeln treffen auch „DeepSeek“, da „Nvidia“ nach wie vor Monopolist bei KI-Chips ist – alle KI-Entwickler sind von deren Technik abhängig. Laut „The Information“, das sich auf Insider aus Chinas führenden Cloud-Konzernen beruft – über deren Plattformen bietet „DeepSeek“ seine KI-Dienste an –, herrscht inzwischen Chipmangel bei „Nvidia“-Serverprozessoren. Man fürchtet, dass Chinas Cloud-Anbieter die womöglich hohe Nachfrage nach R2 nicht bedienen könnten.
In Europa unerwünscht?
Schon zu Jahresbeginn sorgte der kometenhafte Aufstieg von „DeepSeek“ für Sicherheitsbedenken: Cyber-Experten war die Herkunft des Start-ups suspekt – es schien aus dem Nichts zu kommen. Zudem überträgt die App von „DeepSeek“ Nutzerdaten nach China. Bekanntlich reguliert das autoritär regierte China seinen Technologiesektor weitaus strenger als westliche Staaten. Unternehmen sind verpflichtet, auf Anforderung Nutzerdaten an staatliche Stellen weiterzugeben. Das steht im Widerspruch zu den westlichen Datenschutzstandards. So forderten Deutschlands Datenschützer die US-Konzerne „Apple“ und „Google“ auf, die „DeepSeek“-App in ihren Stores („App Store“ und „Play Store“) in Deutschland zu sperren – die Datenverarbeitung sei nicht mit EU-Datenschutzgesetzen vereinbar. „DeepSeek“ konnte meiner Behörde bislang nicht nachweisen, dass die Daten deutscher Nutzer in China genauso geschützt sind wie in der EU“, zitiert CNBC Meike Kamp, die deutsche Datenschutzbeauftragte. „Chinas Behörden haben weitreichenden Zugriff auf die personenbezogenen Daten von Firmen innerhalb ihres Einflussbereichs.“ Einige von CNBC befragte Experten glauben, ein deutsches Verbot könnte zum Vorbild für ein EU-weites Vorgehen werden. Noch ist es aber nur eine Aufforderung an „Google“ und „Apple“ – die Firmen äußerten sich bisher nicht dazu.
Harter Wettbewerb
Der Kampf um die besten generativen KI-Modelle ist unvermindert intensiv – neue Features, Modell-Upgrades und teils utopische Versprechen prägen das Tagesgeschäft. „DeepSeek“ konkurriert nicht nur mit US-Konzernen oder der französischen „Mistral“, sondern auch mit chinesischen Rivalen wie „Baidu“. Kürzlich kündigte „Baidu“ an, sein KI-Modell „Ernie“ als Open Source freizugeben – jeder kann es künftig nutzen und anpassen. Eigentlich hatte „Baidu“ Open-Source-KI abgelehnt – doch der Erfolg und die Schlagkraft von „DeepSeek“ änderten offenbar die Strategie. Unklar ist, ob „Ernie“ ähnlich einschlagen wird wie „DeepSeek“ Anfang des Jahres. Allerdings ist „Baidu“ ein Tech-Schwergewicht mit großer Forschungsabteilung. Die Öffnung des Modells hat Signalwirkung – für „DeepSeek“, das an Bedeutung verlieren könnte, und für die Branche insgesamt, von „OpenAI“ bis „Anthropic“. „Baidu hat einen Molotowcocktail in die KI-Welt geworfen“, sagt Alecas Strasmore, Gründer der KI-Beratung „Epic Loot“, gegenüber CNBC. „OpenAI“, „Anthropic“, „DeepSeek“ – alle dachten, sie verkaufen Premiumprodukte. Bald werden sie merken, dass „Baidu“ Vergleichbares verschenkt.“ Sein Fazit: „Baidus“ Botschaft an die Start-up-Welt lautet: „Hört auf, überteuerte generative KI zu kaufen.“