Deutschland

Armenhaus Europa: Millionen Menschen haben kein Geld für Lebensmittel

Die Finanzkrise hat dramatische Folgen für die gesamte europäische Bevölkerung. Die Lebenssituation hat sich in allen untersuchten Ländern verschlechtert, 120 Millionen Menschen sind armutsgefährdet. Auch in Deutschland wächst die Zahl der Notleidenden.
11.10.2013 21:25
Lesezeit: 2 min

Was ist bloß aus Europa geworden?

Die Armen werden immer ärmer, große Teile des Mittelstands rutschen in die Armut und die Arbeitslosigkeit bei Jungen und Älteren steigt. Diese drei Aspekte hat die Internationale Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften (IFRC) als Folgen der Finanzkrise festgehalten. Für die Studie wurden 42 Landesorganisationen befragt.

In den vergangenen drei Jahren stieg die Zahl jener, die mit Nahrungsmitteln versorgt werden müssen, in 22 europäischen Ländern um 75 Prozent. 43 Millionen Menschen können sich ihr Essen nicht mehr leisten, 120 Millionen sind armutsgefährdet, so die Studie. Dazu steigen die Kosten für den Lebensunterhalt schneller als die Löhne, vor allem für Essen und Energie, In Spanien beispielsweise, dass besonders hart von den Folgen betroffen ist, sind die Strompreise 2012 um unglaubliche 50 Prozent gestiegen.

Die Jugendarbeitslosigkeit ist in vielen Ländern alarmierend, ein Viertel der untersuchten Länder zeigt dort katastrophale Statistiken. In Griechenland ist die Jugendarbeitslosenquote von 22,1 Prozent (2008) auf 55,3 Prozent (2012) gestiegen. Aber auch 50- bis 64-Jährige gelangen schneller in die Erwerbslosigkeit: Von insgesamt 2,8 Millionen Arbeitslosen im Jahr 2008 auf 4,6 Millionen im Jahr 2012.

Die nationalen Rotkreuz-Organisationen im Balkan, aber auch in Frankreich, Italien und Portugal berichten von einer neuen Gruppe Menschen, die um Hilfe fragen müssen: Arbeitende Familien, die sich am Ende des Monats nichts mehr zu essen leisten können. Viele Mittelklasse-Familien leben nur von Tag zu Tag und haben keine Möglichkeit, etwas zu sparen. Außerdem verringert sich die Anzahl jener, die zur Mittelschicht gehören. 2008 zählten in Rumänien 20 Prozent zur Mittelklasse, heute sind es nur noch zehn Prozent. Dasselbe gilt für Kroatien und Serbien.

In Deutschland sind ebenfalls die Folgen der Finanzkrise zu spüren. Eine Bertelsmann-Studie vom Dezember 2012 zeigt, dass die Mittelklasse von 65 Prozent im Jahr 1997 auf 58 Prozent im Jahr 2012 geschrumpft ist. 5,5 Millionen Deutsche haben ihren Mittelklasse-Status verloren und zählen jetzt zu den Geringverdienern. In derselben Zeitspanne wurde eine halbe Million Deutscher zu Großverdienern.

Das deutsche Rote Kreuz hat eine weitere Beobachtung gemacht: 45 Prozent der Arbeitsverträge die in Deutschland seit 2008 abgeschlossen wurden, sind so genannte Mini-Jobs – sehr oft ohne irgendeine sozialen Absicherung. Ein Viertel der arbeitenden Deutschen sind Niedriglohnverdiener und die Zahl jener, die sich mit ihrer Arbeit den Lebensunterhalt nicht mehr verdienen können, steigt kontinuierlich. Im August 2012 mussten fast 600.000 Deutsche trotz Sozialversicherung um zusätzliche Hilfe bitten, und 1,22 Millionen Deutsche können nicht durch ihre Arbeit alleine leben. Das alles in einem Land, dass nicht dafür bekannt ist, besonders hart von der Krise getroffen worden zu sein. Auch, weil es nur eins von fünf Ländern mit einer höheren Erwerbstätigenrate als vor der Krise ist.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Experten-Webinar: Ist Bitcoin das neue Gold? – Chancen, Risiken und Perspektiven

Inflation, Staatsverschuldung, geopolitische Unsicherheiten: Viele Anleger fragen sich, wie sie ihr Vermögen in Zeiten wachsender...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Panorama
Panorama Klimakrise verdoppelt Zahl der Hitzetage in Deutschland
30.05.2025

Es wird heißer: Forscher haben berechnet, wie viele Tage mit Extremtemperaturen auf den Klimawandel zurückzuführen sind. Für...

DWN
Politik
Politik Von der Leyen: Unser Auftrag ist europäische Unabhängigkeit
30.05.2025

Er ist die wichtigste Auszeichnung für Verdienste um die europäische Einigung: der Internationale Karlspreis. Die diesjährige...

DWN
Politik
Politik Istanbul im Fokus: Kommt jetzt die Wende im Ukrainekrieg?
30.05.2025

Russland lädt zu den nächsten Verhandlungsrunden mit der Ukraine – doch Kiew verlangt Einsicht in das Friedensmemorandum, bevor es...

DWN
Technologie
Technologie Schwedisches Start-up stellt KI-Giganten in Frage
30.05.2025

Ein schwedisches Start-up stellt das gängige KI-Paradigma auf den Kopf: Maschinen sollen nicht mehr mit riesigen Datensätzen trainiert,...

DWN
Finanzen
Finanzen Digitaler Euro: EZB gibt Gas bei der Einführung
30.05.2025

Noch befindet sich der digitale Euro in der Testphase, doch die Europäische Zentralbank (EZB) treibt das Projekt „Digitaler Euro“...

DWN
Technologie
Technologie 50 Jahre Esa: Europas Raumfahrt zwischen Anspruch und Realität
29.05.2025

Die USA und China planen ehrgeizige Missionen zu Mond und Mars, auch Indien und Russland mischen kräftig mit. Wie ist Europas Position 50...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Blackout in Deutschland: Wie wahrscheinlich ist ein Stromausfall?
29.05.2025

Kann in Deutschland etwas Ähnliches passieren wie neulich in Spanien und Portugal? In unserer entwickelten Gesellschaft, in der wir auf...

DWN
Politik
Politik Arbeiten bis 70 – Dänemark zieht vor, Deutschland zaudert
29.05.2025

Dänemark macht vor, was Deutschland nicht wagt: Arbeiten bis 70 soll dort bald Pflicht sein – während Berlin sich weiter um unbequeme...