Wirtschaft

Blackout in Deutschland: Wie wahrscheinlich ist ein Stromausfall?

Kann in Deutschland etwas Ähnliches passieren wie neulich in Spanien und Portugal? In unserer entwickelten Gesellschaft, in der wir auf Strom angewiesen sind, könnte ein großflächiger und längerer Stromausfall katastrophale Folgen haben. Eine Analyse.
29.05.2025 15:56
Lesezeit: 5 min
Blackout in Deutschland: Wie wahrscheinlich ist ein Stromausfall?
Ein Instruktor informiert bei einem Selbsthilfekurs des Medizinischen Katastrophen-Hilfswerks über die Notbevorratung für den Fall eines Blackouts (Foto: dpa). Foto: Uwe Lein

Kürzlich hat ein massiver Stromausfall auf der Iberischen Halbinsel zu absolutem Chaos geführt. Insgesamt 60 Millionen Menschen waren davon betroffen. Innerhalb von nur fünf Sekunden brachen 60 Prozent der Stromproduktion zusammen, ganze Städte waren lahmgelegt. Eine Woche später sind immer noch alle wichtigen Fragen offen, wie so etwas passieren konnte, und die Schuldigen werden weiter in heftigem Streit gesucht. Nach Angaben des halbstaatlichen Netzbetreibers Red Eléctrica de España (REE) waren „anomale Schwankungen im Stromfluss“ in Verbindung mit einem „ungewöhnlich hohen Verlust an Erzeugung“ die Ursache. In der Folge trennte sich das spanisch-portugiesische Stromnetz automatisch vom europäischen Verbundsystem. Besonders stark betroffen waren anscheinend einige Regionen im Südwesten Spaniens, wo besonders viele Solaranlagen installiert sind.

Was versteht man eigentlich genau unter einem Blackout?

Die Küche steht still, der Fernseher geht aus und auch die Heizung stellt ihre Arbeit ein – und das alles für längere Zeit flächendeckend – ein sogenanntes Blackout. Gelegentlich erleben wir auch in Deutschland kurzfristige Stromausfälle, die maximal Minuten oder einige Stunden andauern können. Grund sind oft technische Probleme, die durch Unwetter oder andere Beschädigungen ausgelöst werden. Diese Art von Stromausfällen ist in der Regel unproblematisch und die Ausfälle können schnell behoben werden.

Bei einem echten Blackout geht es nach der Definition der Bundesnetzagentur um einen „unkontrollierten und unvorhergesehenen Ausfall, bei dem mindestens größere Teile des europäischen Stromnetzes ausfallen". In diesem Falle können auch andere öffentliche Netze ausfallen, wie beispielsweise das Netz der Telekommunikation oder der Gasversorgung. Im Gegensatz zu einem derartigen Blackout wird eine lokale, kontrollierte Stromabschaltung als sogenannter „Brownout“ bezeichnet.

Bundesnetzagentur beschwichtigt

Ein umfangreicher Stromausfall, wie in Spanien und Portugal, ist nach Angaben der Bundesnetzagentur in Deutschland nicht zu befürchten. Ein großflächiger und langanhaltender Blackout ist unwahrscheinlich, teilte die Behörde mit. Der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, hält ein entsprechendes Szenario für nicht realistisch. Seinen Aussagen nach ist das deutsche Stromnetz redundant ausgelegt, was bedeutet, dass eine ausgefallene Stromleitung immer durch eine andere ersetzt werden kann. Er erklärte, dass es in Deutschland mehrere Sicherungssysteme im Stromnetz gibt. Für den Fall der Fälle seien auch Kraftwerke verfügbar, die ein entsprechendes Netz wieder aufbauen könnten. Er hält Deutschland für gut vorbereitet auf eventuelle Probleme mit der Stromversorgung. Auch die Sprecherin der Netzagentur verwies auf zahlreiche Sicherungsmechanismen, die kontinuierlich überprüft und angepasst werden.

Auch in Deutschland gibt es Zweifler an der sicheren Stromversorgung

Hierzulande gibt es ebenfalls viele Kritiker, die die zunehmende Energieversorgung mit erneuerbaren Energien als hoch problematisch ansehen. Die Bedenken werden allerdings nicht nur von der Bundesnetzagentur, sondern auch von anderen Experten, wie Prof. Dr. Dirk Witthaut vom Forschungszentrum Jülich, als übertriebene Sorge kategorisiert. Auch das Bundesamt für Bevölkerungsschutz unterstreicht die Sicherheit der deutschen Stromversorgungsnetze und führt aus, dass die deutschen Netzbetreiber aufgrund von vorausschauender Planung und der Entwicklung verschiedener Sicherungssysteme gut aufgestellt sind. Die deutschen Stromnetze seien sehr robust vor einer überfordernden Überlastung geschützt.

Allerdings hat der Bundesrechnungshof bereits Anfang letzten Jahres ein vernichtendes Urteil über die Energiewende gefällt. In seinen Ausführungen in einem Sonderbericht heißt es: „Die Versorgungssicherheit ist gefährdet, der Strom ist teuer und Auswirkungen der Energiewende auf Landschaft, Natur und Umwelt kann die Bundesregierung nicht umfassend bewerten“. Dabei hat sich nach seiner Ansicht die Versorgungssicherheit im Vergleich zum vorangegangenen Bericht aus 2021 nochmals verschlechtert. In diesem Bericht hatte er bereits das mangelhafte Monitoring, unrealistische Verbrauchsprognosen und auch das bestehende Abgabensystem scharf kritisiert, das die Energiepreise für den Endverbraucher massiv in die Höhe treibt. Wer hat nun recht???

Wie passiert eigentlich ein Blackout?

Stromleitungen können nur eine bestimmte Kapazität an Strom transportieren, wird dieser Wert überschritten, können Kurzschlüsse oder Schäden an den Stromleitungen die Folge sein. Um das zu vermeiden, werden in Deutschland die Hochspannungsnetze nach dem Prinzip der sogenannten n-minus-1-Sicherheit konstruiert und gebaut. Diese besagt, dass im Stromnetz ein Bauteil wegen eines Defekts ausfallen darf, ohne dass dadurch die Versorgung mit Strom gefährdet wird. Erst in dem Fall, dass auch das redundante Ersatzbauteil ausfällt, wird ein Stromausfall realistisch.

Umgekehrt liegt es auch im Bereich des Möglichen, dass ein Strommangel zu einem Blackout führt. Dies kann im Bereich der erneuerbaren Energien durchaus passieren. In diesem Fall existieren Gasturbinen und Pumpspeicherwerke, die innerhalb von Sekunden oder Minuten Strom liefern können. Der Fall eines Blackouts durch Stromunterversorgung ist jedoch weit weniger wahrscheinlich als eine Überlastung der Netze, die einen Blackout auslösen könnten.

Wer sind die Betroffenen bei einem Blackout?

Wenn irgendwo der Strom ausfällt ist jeder betroffen, der sich in dieser Region aufhält. Jeder Verbraucher, der auf Elektrizität angewiesen ist, wird dies unmittelbar spüren – das Licht geht aus, elektronische Geräte funktionieren nicht mehr, es wird kalt und auch die Wasserversorgung funktioniert nicht mehr. Die Kommunikation wird ein Problem, denn Internet und Telekommunikation stellen dann ihre Dienste ein. Der Straßenverkehr mündet in ein Chaos - keine Ampeln, keine Busse oder Bahnen. Die eigene Versorgung ist dann auch gefährdet, den die elektronischen Kassensysteme in den Supermärkten funktionieren dann nicht mehr.

Nur wirklich kritische Infrastrukturen, wie Wasserwerke oder Krankenhäuser verfügen in Deutschland über sogenannte Notstromaggregate. Für den Fall, dass hierzulande ein Stromausfall 2 Wochen andauern würde, wären allerdings nicht nur die medizinische Versorgung sondern auch die Nahrungsmittelversorgung, die Mobilität und die Wasserversorgung ernsthaft gefährdet.

Blackout im europäischen Ausland: Hat das Auswirkungen auf Deutschland?

In Sachen Strom ist Europa in einem großen Netzwerk eng miteinander verbunden, im sogenannten europäischen Verbundnetzwerk. In diesem Netzwerk arbeiten die einzelnen Länder nicht autonom und isoliert, sondern miteinander. Rein Theoretisch können also auch Blackout-Probleme in anderen europäischen Ländern Auswirkungen bis nach Deutschland haben. Dennoch ist die Verbundorganisation auch eine gute Absicherung gegen diese Auswirkungen, denn in diesem großen Netzwerk können auch Störungen viel besser aufgefangen werden als in einem rein nationalen System. Zuständig für die Funktionsweise des europäischen Netzes ist der Verbund UCTED (union for the coordination of transmission of electricity), in dem sich die Übertragungsnetzbetreiber europaweit koordinieren und abstimmen, Regeln für die Zusammenarbeit und für Notfallsituationen festlegen und diese auch kontrollieren.

Wie lässt sich die Stromnetzstabilität sichern?

Ein wichtiger Faktor der Stromversorgung ist die Stabilität des Stromnetzes. Diese Stabilität wird durch die erneuerbaren Energien in gewisser Weise gefährdet, denn nicht immer weht der Wind und es scheint auch nicht immer die Sonne. Gerade beim Wind gibt es allerdings auch noch das zusätzliche Thema, dass der durch ihn produzierte Strom dann von Nord- nach Süddeutschland transportiert werden muss und die bestehenden Transportleitungen eventuell in ihrer Kapazität überfordert sind. In solchen Fällen können aber Netzbetreiber eingreifen und in Süddeutschland Kraftwerke hochfahren und die Überlastung bei der Übertragung abmildern. Allerdings sind langfristig noch viele weitere Lösungen notwendig, die sich von einem erweiterten Netzausbau bis hin zu verbesserten Speicherlösungen von Strom erstrecken.

Auch die Möglichkeiten zur Beschaffung von Strom am offenen Markt und dessen Regulierung haben einen großen Einfluss auf die Stabilität der Stromnetzwerke. Stromenergien werden dort in Zeitblöcken gehandelt, die im Normalfall in einstündigen oder fünfzehnminütigen Einheiten gekauft und verkauft werden. Allerdings werden die gekauften Strommengen bei der Netzeinspeisung zunächst sprunghaft hochgefahren und zum Ende der Laufzeit wieder reduziert. Da europaweit die ca. 300 Mio. Verbraucher jedoch konstant die Energie nachfragen, führt dies heute noch zu einem Ungleichgewicht zwischen der zur Verfügung stehenden Energiemenge und der Nachfrage. Auch hier ist noch Optimierungsbedarf.

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