Politik

Arbeiten bis 70 – Dänemark zieht vor, Deutschland zaudert

Dänemark macht vor, was Deutschland nicht wagt: Arbeiten bis 70 soll dort bald Pflicht sein – während Berlin sich weiter um unbequeme Wahrheiten drückt.
29.05.2025 14:38
Lesezeit: 2 min
Arbeiten bis 70 – Dänemark zieht vor, Deutschland zaudert
Das dänische Parlament hat beschlossen, das Renteneintrittsalter schrittweise auf 70 Jahre anzuheben. Die Reform gilt für alle ab Jahrgang 1971. (Foto: dpa) Foto: Karl-Josef Hildenbrand

Lebenszeit als Maßstab – alle fünf Jahre neue Berechnung

Kürzlich hat das dänische Parlament ein Gesetz verabschiedet, das eine schrittweise Anhebung des Rentenalters auf 70 Jahre bis zum Jahr 2040 vorsieht. Derzeit liegt das Rentenalter in Dänemark bei 67 Jahren. Laut Angaben der offiziellen Webseite des Parlaments stimmten 81 Abgeordnete für das Gesetz, 21 Parlamentarier votierten dagegen.

Seit dem Jahr 2006 koppelt Dänemark das Renteneintrittsalter an die erwartete durchschnittliche Lebenserwartung der Bevölkerung. Diese Regelung sieht vor, das Rentenalter alle fünf Jahre zu überprüfen und entsprechend anzupassen.

Bereits 2030 wird das gesetzliche Rentenalter auf 68 Jahre, 2035 auf 69 Jahre steigen. Mit dem jetzt verabschiedeten Gesetz wird schließlich festgelegt, dass alle Personen, die nach dem 31. Dezember 1970 geboren wurden, künftig erst mit 70 Jahren in Rente gehen können.

Regierungschefin stellt Automatismus infrage

Die sozialdemokratische Ministerpräsidentin Mette Frederiksen (47) hatte bereits im vergangenen Jahr angekündigt, dass sie eine grundsätzliche Überprüfung der automatischen Rentenaltersanpassung für notwendig halte. „Wir glauben nicht mehr, dass das Rentenalter automatisch weiter steigen sollte“, sagte Frederiksen im August gegenüber der Tageszeitung Berlingske.

Deutschland im Vergleich: Reformdruck wächst, politische Zurückhaltung bleibt

Auch in Deutschland steht die Frage nach einer langfristigen Finanzierung des Rentensystems immer drängender auf der politischen Agenda – allerdings mit deutlich weniger Klarheit und Planbarkeit als im dänischen Modell.

Aktuell liegt das gesetzliche Rentenalter in Deutschland bei 67 Jahren, eine schrittweise Anhebung von 65 auf 67 wurde bereits 2007 beschlossen und ist für alle ab Jahrgang 1964 gültig.

Im Unterschied zu Dänemark fehlt in Deutschland jedoch ein fester Mechanismus, der das Rentenalter an die Lebenserwartung koppelt. Zwar wird eine „Regelaltersgrenze 68“ regelmäßig in wirtschaftspolitischen Gutachten – etwa vom Sachverständigenrat – diskutiert, jedoch scheuen Bundesregierungen bislang die Umsetzung solcher Vorschläge.

Die letzte Bundesregierung hatte im Koalitionsvertrag 2021 explizit festgelegt, keine weitere Anhebung des Rentenalters über 67 hinaus vorzunehmen. Der damalige Finanzminister Christian Lindner (FDP) forderte dennoch eine neue Debatte über das Renteneintrittsalter, stieß damit jedoch auf Widerstand innerhalb der Koalition.

Prognosen: Ohne Reform drohen Milliardenlücken

Laut Berechnungen des Bundesfinanzministeriums wird der Zuschuss aus dem Bundeshaushalt zur gesetzlichen Rentenversicherung in den kommenden Jahren massiv steigen – von derzeit rund 112 Milliarden Euro auf über 150 Milliarden Euro bis 2028.

Angesichts des demografischen Wandels – weniger Erwerbstätige, mehr Rentner – warnen Ökonomen, dass ohne strukturelle Reformen langfristig nur drei Optionen bleiben: höhere Beiträge, geringere Leistungen oder ein höheres Rentenalter.

Dänemark hingegen wählt den Weg der systemischen Planbarkeit: Die Koppelung an die Lebenserwartung sorgt für Berechenbarkeit bei Staat und Beitragszahlern – auch wenn sie gesellschaftlich umstritten ist.

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