Politik

Istanbul im Fokus: Kommt jetzt die Wende im Ukrainekrieg?

Russland lädt zu den nächsten Verhandlungsrunden mit der Ukraine – doch Kiew verlangt Einsicht in das Friedensmemorandum, bevor es zustimmt. Während Präsident Trump eine Frist setzt und die Türkei vermittelt, fliegen weiter Drohnen und Raketen. Was steckt hinter Moskaus neuem Friedenssignal?
30.05.2025 08:33
Lesezeit: 3 min
Istanbul im Fokus: Kommt jetzt die Wende im Ukrainekrieg?
Verhandlungen unter Beschuss: Während Moskau einen weiteren Dialog anbietet, wird fleißig weiter bombardiert. Wie wahrscheinlich kann der ein Frieden in der Ukraine sein? (Foto: dpa) Foto: Kay Nietfeld

Moskau will am 2. Juni Friedensmemorandum in Istanbul präsentieren

Russland hat vorgeschlagen, am 2. Juni in Istanbul eine neue Runde direkter Friedensverhandlungen mit der Ukraine abzuhalten. Dabei soll ein von Moskau ausgearbeiteter Plan für eine Friedensregelung vorgelegt werden. Die ukrainische Seite reagierte zurückhaltend und machte deutlich, dass sie den Vorschlag im Vorfeld einsehen wolle, damit das Treffen nicht ergebnislos bleibt, so das litauische Portal Verslo Zinios.

Obwohl in den vergangenen Monaten neue diplomatische Bemühungen zur Beendigung des nunmehr dreijährigen Krieges unternommen wurden, hat Moskau wiederholt westliche und ukrainische Forderungen nach einem sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand abgelehnt. Gleichzeitig zeigt Russland keinerlei Bereitschaft, seine maximalistischen Forderungen zu reduzieren.

Erste direkte Gespräche blieben ohne Durchbruch

Am 16. Mai fanden in Istanbul erstmals seit Kriegsbeginn direkte Gespräche zwischen russischen und ukrainischen Delegationen statt – ein Durchbruch blieb jedoch aus. Laut dem ukrainischen Verteidigungsminister Rustem Umerow, der die Delegation leitete, sei man grundsätzlich zu weiteren Gesprächen bereit, aber Russland müsse vorab ein entsprechendes Dokument übermitteln.

„Wir sind weiteren Treffen mit den Russen nicht abgeneigt und warten auf ihr Memorandum“, schrieb Umerow auf X. „Die russische Seite hat noch mindestens vier Tage Zeit, uns das Dokument zur Einsicht vorzulegen. Diplomatie muss sachlich sein – das nächste Treffen muss Ergebnisse liefern.“

Trump setzt Russland Frist – Kiew sieht Verschleppung

US-Präsident Donald Trump, der sich um einen Friedensschluss bemüht, äußerte sich zunehmend enttäuscht über die Verzögerungstaktik Moskaus. Am Mittwoch kündigte er an, innerhalb von „ungefähr zwei Wochen“ entscheiden zu wollen, ob Wladimir Putin ernsthaft an einem Kriegsende interessiert sei.

Die Ukraine ihrerseits erklärte, sie habe Russland ihre Bedingungen bereits übermittelt und verlange Gleiches von Moskau. Russlands Außenminister Sergej Lawrow teilte mit, dass seine Delegation beim Treffen am Montag das Memorandum vorlegen und erläutern werde. Lawrows Stellvertreter Wladimir Medinski, der bereits am 16. Mai die russische Delegation geleitet hatte, soll erneut anführen.

Kremlsprecher Dmitri Peskow kritisierte die Forderung Kiews nach Vorab-Einsicht als „unkonstruktiv“. Bislang habe es keine Reaktion aus Kiew auf die Einladung zum Folgetreffen gegeben, sagte er.

Gleichzeitig: Luftangriffe und Truppenbewegungen an der Front

Die diplomatischen Initiativen finden vor dem Hintergrund fortgesetzter militärischer Eskalationen statt. In den vergangenen Wochen haben beide Seiten ihre Luftangriffe verstärkt: Die Ukraine führte eine der bisher größten Drohnenattacken gegen russisches Gebiet durch, während Russland am Wochenende erneut tödliche Angriffe auf ukrainische Städte flog.

Präsident Selenskyj warf Russland vor, das Gesprächsangebot nur als Deckmantel zu nutzen: „Sie suchen ständig nach Gründen, den Krieg nicht zu beenden.“ Gleichzeitig warnte er vor neuen russischen Offensiven in der Grenzregion Sumy, wo über 50.000 Soldaten für eine Pufferzone zusammengezogen worden seien.

Türkei vermittelt – Vatikan abgelehnt

Die Türkei versucht, als Vermittler präsent zu bleiben. Präsident Recep Tayyip Erdoğan rief beide Seiten dazu auf, den Dialog nicht abzubrechen: „Wir sagen ihnen, sie sollen die Türen nicht zuschlagen, solange sie noch offen sind.“ Sein Außenminister Hakan Fidan wird diese Woche in Kyjiw erwartet, nachdem er Anfang der Woche bereits in Moskau war.

Ein von Trump vorgeschlagenes Gipfeltreffen im Vatikan wurde von Moskau abgelehnt. Außenminister Lawrow begründete dies mit kulturellen Differenzen: „Es ist etwas unelegant, wenn zwei orthodoxe Länder auf einem katholischen Schauplatz über die Ursachen des Kriegs verhandeln.“

Geopolitische Bewertung: Verhandlung oder Verzögerungstaktik?

Der Vorstoß Russlands zu neuen Friedensgesprächen erfolgt nicht zufällig. Angesichts zunehmender Kriegserschöpfung und internationaler Kritik will Moskau offenbar erneut die diplomatische Bühne bespielen – mit einem eigenen „Friedensrahmen“, der auf Abtretung besetzter Gebiete und NATO-Verzicht hinausläuft. Die Ukraine lehnt dies kategorisch ab.

Für den Westen, insbesondere Deutschland, stellt sich nun die Frage: Dialog um jeden Preis? Oder klare Bedingungen für echte Verhandlungen? Die Fortsetzung der Luftangriffe während der Gespräche deutet eher auf eine Kriegsverlängerungsstrategie Moskaus als auf echte Einigungsbereitschaft hin.

Fazit: Friedensgespräch mit doppeltem Boden

Russlands Angebot für neue Friedensgespräche könnte ein Wendepunkt sein – oder ein neuer Versuch, Zeit zu gewinnen. Während die diplomatische Bühne vorbereitet wird, fliegen weiterhin Raketen, sterben Zivilisten und werden Truppen verlegt. Die Türkei vermittelt, Trump will Ergebnisse sehen, und die Ukraine verlangt Transparenz. Ob der 2. Juni ein echter Neustart oder eine geopolitische Inszenierung wird, bleibt offen.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen MTS Money Transfer System – Sicherheit beginnt mit Eigentum.

In Zeiten wachsender Unsicherheit und wirtschaftlicher Instabilität werden glaubwürdige Werte wieder zum entscheidenden Erfolgsfaktor....

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis fällt stark: Erinnerungen an 2011: „Kaufen und halten“ funktioniert nicht
23.10.2025

Ein Kurssturz beendet die Rekordrally des Edelmetalls und erinnert Anleger an bittere Verluste vor 13 Jahren.

DWN
Finanzen
Finanzen Gold im Portfolio: Experten diskutieren 15 bis 30 Prozent Anteil
23.10.2025

Gold ist wieder im Fokus der Investoren, doch viele halten bisher nur geringe Mengen. Eine Analyse historischer Daten zeigt, dass ein...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Gewinneinbruch bei Kühne+Nagel: bis zu 1.500 Stellen weg
23.10.2025

Handelskrieg, hohe Zölle und der starke Franken setzen Kühne+Nagel zu: Der Umsatz bricht um sieben Prozent ein – und jetzt droht vielen...

DWN
Politik
Politik Steuerschätzung: Steuereinnahmen höher als erwartet - trotz Wirtschaftskrise
23.10.2025

Der Staat schwimmt im Geld: Bund, Länder und Kommunen können laut Steuerschätzung in den kommenden Jahren mit 33,6 Milliarden Euro mehr...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Rally: Warum die Euphorie trügerisch sein könnte
23.10.2025

Der Bitcoin zieht wieder an, doch die Stimmung schwankt zwischen Euphorie und Panik. Während Anleger von neuen Rekorden träumen, warnen...

DWN
Immobilien
Immobilien Betongold in der Krise: Immobilienmarkt zwischen Zinsschock, Baukrise und Inflation
23.10.2025

„Jeder Mensch bezahlt im Laufe seines Lebens mindestens eine Immobilie. Und meistens ist es nicht die eigene.“ Dieser Spruch kursiert...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Silicon Valley in Bewegung: Amazon Web Services verliert Priorität bei Startups
23.10.2025

Das Silicon Valley steht vor tiefgreifenden Veränderungen. Start-ups verschieben ihre Prioritäten und verändern die Nutzung klassischer...

DWN
Politik
Politik Reaktion auf den Ukraine-Krieg: US-Regierung verhängt Sanktionen gegen russische Öl-Firmen
23.10.2025

Trump drängt schon länger auf ein Ende des Ukraine-Kriegs, schwankt aber bei seinen Bemühungen darum. Nun verkünden die USA neue...