Moskau will am 2. Juni Friedensmemorandum in Istanbul präsentieren
Russland hat vorgeschlagen, am 2. Juni in Istanbul eine neue Runde direkter Friedensverhandlungen mit der Ukraine abzuhalten. Dabei soll ein von Moskau ausgearbeiteter Plan für eine Friedensregelung vorgelegt werden. Die ukrainische Seite reagierte zurückhaltend und machte deutlich, dass sie den Vorschlag im Vorfeld einsehen wolle, damit das Treffen nicht ergebnislos bleibt, so das litauische Portal Verslo Zinios.
Obwohl in den vergangenen Monaten neue diplomatische Bemühungen zur Beendigung des nunmehr dreijährigen Krieges unternommen wurden, hat Moskau wiederholt westliche und ukrainische Forderungen nach einem sofortigen und bedingungslosen Waffenstillstand abgelehnt. Gleichzeitig zeigt Russland keinerlei Bereitschaft, seine maximalistischen Forderungen zu reduzieren.
Erste direkte Gespräche blieben ohne Durchbruch
Am 16. Mai fanden in Istanbul erstmals seit Kriegsbeginn direkte Gespräche zwischen russischen und ukrainischen Delegationen statt – ein Durchbruch blieb jedoch aus. Laut dem ukrainischen Verteidigungsminister Rustem Umerow, der die Delegation leitete, sei man grundsätzlich zu weiteren Gesprächen bereit, aber Russland müsse vorab ein entsprechendes Dokument übermitteln.
„Wir sind weiteren Treffen mit den Russen nicht abgeneigt und warten auf ihr Memorandum“, schrieb Umerow auf X. „Die russische Seite hat noch mindestens vier Tage Zeit, uns das Dokument zur Einsicht vorzulegen. Diplomatie muss sachlich sein – das nächste Treffen muss Ergebnisse liefern.“
Trump setzt Russland Frist – Kiew sieht Verschleppung
US-Präsident Donald Trump, der sich um einen Friedensschluss bemüht, äußerte sich zunehmend enttäuscht über die Verzögerungstaktik Moskaus. Am Mittwoch kündigte er an, innerhalb von „ungefähr zwei Wochen“ entscheiden zu wollen, ob Wladimir Putin ernsthaft an einem Kriegsende interessiert sei.
Die Ukraine ihrerseits erklärte, sie habe Russland ihre Bedingungen bereits übermittelt und verlange Gleiches von Moskau. Russlands Außenminister Sergej Lawrow teilte mit, dass seine Delegation beim Treffen am Montag das Memorandum vorlegen und erläutern werde. Lawrows Stellvertreter Wladimir Medinski, der bereits am 16. Mai die russische Delegation geleitet hatte, soll erneut anführen.
Kremlsprecher Dmitri Peskow kritisierte die Forderung Kiews nach Vorab-Einsicht als „unkonstruktiv“. Bislang habe es keine Reaktion aus Kiew auf die Einladung zum Folgetreffen gegeben, sagte er.
Gleichzeitig: Luftangriffe und Truppenbewegungen an der Front
Die diplomatischen Initiativen finden vor dem Hintergrund fortgesetzter militärischer Eskalationen statt. In den vergangenen Wochen haben beide Seiten ihre Luftangriffe verstärkt: Die Ukraine führte eine der bisher größten Drohnenattacken gegen russisches Gebiet durch, während Russland am Wochenende erneut tödliche Angriffe auf ukrainische Städte flog.
Präsident Selenskyj warf Russland vor, das Gesprächsangebot nur als Deckmantel zu nutzen: „Sie suchen ständig nach Gründen, den Krieg nicht zu beenden.“ Gleichzeitig warnte er vor neuen russischen Offensiven in der Grenzregion Sumy, wo über 50.000 Soldaten für eine Pufferzone zusammengezogen worden seien.
Türkei vermittelt – Vatikan abgelehnt
Die Türkei versucht, als Vermittler präsent zu bleiben. Präsident Recep Tayyip Erdoğan rief beide Seiten dazu auf, den Dialog nicht abzubrechen: „Wir sagen ihnen, sie sollen die Türen nicht zuschlagen, solange sie noch offen sind.“ Sein Außenminister Hakan Fidan wird diese Woche in Kyjiw erwartet, nachdem er Anfang der Woche bereits in Moskau war.
Ein von Trump vorgeschlagenes Gipfeltreffen im Vatikan wurde von Moskau abgelehnt. Außenminister Lawrow begründete dies mit kulturellen Differenzen: „Es ist etwas unelegant, wenn zwei orthodoxe Länder auf einem katholischen Schauplatz über die Ursachen des Kriegs verhandeln.“
Geopolitische Bewertung: Verhandlung oder Verzögerungstaktik?
Der Vorstoß Russlands zu neuen Friedensgesprächen erfolgt nicht zufällig. Angesichts zunehmender Kriegserschöpfung und internationaler Kritik will Moskau offenbar erneut die diplomatische Bühne bespielen – mit einem eigenen „Friedensrahmen“, der auf Abtretung besetzter Gebiete und NATO-Verzicht hinausläuft. Die Ukraine lehnt dies kategorisch ab.
Für den Westen, insbesondere Deutschland, stellt sich nun die Frage: Dialog um jeden Preis? Oder klare Bedingungen für echte Verhandlungen? Die Fortsetzung der Luftangriffe während der Gespräche deutet eher auf eine Kriegsverlängerungsstrategie Moskaus als auf echte Einigungsbereitschaft hin.
Fazit: Friedensgespräch mit doppeltem Boden
Russlands Angebot für neue Friedensgespräche könnte ein Wendepunkt sein – oder ein neuer Versuch, Zeit zu gewinnen. Während die diplomatische Bühne vorbereitet wird, fliegen weiterhin Raketen, sterben Zivilisten und werden Truppen verlegt. Die Türkei vermittelt, Trump will Ergebnisse sehen, und die Ukraine verlangt Transparenz. Ob der 2. Juni ein echter Neustart oder eine geopolitische Inszenierung wird, bleibt offen.