Politik

Russland entfesselt Drohnensturm – ist der Westen bereit zum Gegenschlag?

Russland greift die Ukraine mit der größten Drohnenwelle seit Kriegsbeginn an. Während Macron ein Ultimatum fordert und Selenskyj schärfere Sanktionen verlangt, laviert Trump zwischen Empörung und Kritik an Kiew. Die geopolitischen Spannungen spitzen sich zu – und Europa steht vor einem historischen Wendepunkt.
27.05.2025 11:00
Aktualisiert: 27.05.2025 11:02
Lesezeit: 2 min
Russland entfesselt Drohnensturm – ist der Westen bereit zum Gegenschlag?
FPV-Drohnen bereit für den Abschuss auf russische Stellungen. (Foto: dpa) Foto: Iryna Rybakova

Rekordangriff auf die Ukraine: 355 Drohnen in einer Nacht

In der Nacht auf Montag startete Russland den bisher größten Drohnenangriff seit Beginn der großflächigen Invasion im Februar 2022. Nach Angaben der ukrainischen Luftwaffe feuerte Moskau insgesamt 355 Drohnen vom Typ „Shahed“ sowie neun Marschflugkörper auf verschiedene Regionen der Ukraine ab. Laut Armeesprecher Juri Ihnat war dies „der massivste Drohnenangriff seit Kriegsbeginn“, berichtet das litauische Portal Verslo Zinios.

Die Folgen sind verheerend: In mehreren Landesteilen starben mindestens sechs Menschen, über 24 wurden verletzt. Bereits am Wochenende hatte ein vorangegangener Angriff 13 Tote gefordert und rund 60 Personen verletzt.

Selenskyj fordert härtere Sanktionen – Trump schäumt, bleibt aber vage

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj erklärte, Russland agiere aus dem Gefühl völliger Straflosigkeit heraus. „Nur absolute Straflosigkeit ermöglicht solche Angriffe“, schrieb er in sozialen Netzwerken. Er forderte die westlichen Verbündeten auf, mit deutlich schärferen Sanktionen auf die Eskalation zu reagieren.

US-Präsident Donald Trump äußerte sich am Sonntag ungewohnt kritisch: Wladimir Putin sei „völlig durchgedreht“. Gleichzeitig warf er Selenskyj vor, „Probleme zu verursachen“ – ein Zeichen der Ambivalenz, das für Nervosität unter den westlichen Partnern sorgt. Trumps Linie zwischen Zurechtweisung Moskaus und Kritik an Kyjiw bleibt taktisch unklar.

Macron und Merz: Entweder Ultimatum oder Eskalation

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sieht die Zeit für diplomatische Höflichkeit abgelaufen. Er fordert ein „klares Ultimatum an Putin“ – verbunden mit der Androhung massiver Sanktionen. „Wenn Putin danach weiterlügt, braucht es harte Maßnahmen“, so Macron auf einer Südostasienreise. Er hofft, dass Trumps öffentliche Wut in politisches Handeln umschlägt.

Auch Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) äußerte sich deutlich: Putin verstehe jeden Gesprächsversuch als Schwäche. Selbst ein Treffen im Vatikan sei von Moskau abgelehnt worden – ein Indiz dafür, dass der Kreml kein ernsthaftes Interesse an Friedensverhandlungen habe. „Wir müssen uns auf einen langen Krieg einstellen“, so Merz.

Skandinavien fordert maximale Eskalation – Vatikan als Option abgelehnt

Beim Gipfel der nordischen Länder forderte Finnlands Premier Petteri Orpo mehr militärische und wirtschaftliche Unterstützung für die Ukraine. Ohne Druck werde Putin nicht verhandeln. Norwegens Premier Jonas Gahr Støre ergänzte: „Wir sehen keine Anzeichen für Friedensbereitschaft.“

Ein Vorschlag aus Trumps Lager, Friedensverhandlungen im Vatikan abzuhalten, wurde von Russland brüsk zurückgewiesen. Außenminister Sergej Lawrow nannte das „unelegant“ – orthodoxe Länder sollten ihre Konflikte nicht in „katholischen Foren“ lösen. Eine Absage, die diplomatische Hoffnungen weiter schmälert.

Geopolitische Dimension: Testfall für westliche Glaubwürdigkeit

Die gezielte Eskalation durch Russland – unter gleichzeitiger Ablehnung jeglicher Friedensangebote – rückt eine zentrale geopolitische Frage in den Vordergrund: Wie weit ist der Westen bereit zu gehen, um autoritären Aggressoren Grenzen zu setzen? Die Reaktion auf den Drohnensturm wird überall genau beobachtet. Macron und Merz versuchen, eine Linie zu ziehen. Doch die Uneinigkeit über Sanktionen und Rhetorik – gerade aus den USA – lässt Zweifel an der strategischen Entschlossenheit des Westens aufkommen.

Deutschland steht vor einer doppelten Herausforderung: Als wirtschaftlicher Anker der EU muss es härtere Sanktionen gegen Russland mittragen und gleichzeitig den sozialen Rückhalt dafür im eigenen Land sichern. Und als sicherheitspolitischer Pfeiler Europas darf es keine Lücken im transatlantischen Bündnis dulden. Die Frage ist nicht mehr, ob die EU handlungsfähig ist – sondern ob sie willens ist, diese Fähigkeit kompromisslos einzusetzen.

Fazit: Zwischen Drohnenhagel und Diplomatieversagen

Die jüngste Angriffswelle Russlands markiert eine Zäsur: Sie zeigt, dass Moskau weder Verhandlungen sucht noch vor ziviler Eskalation zurückschreckt. Die Reaktion des Westens entscheidet, ob Europa seine strategische Handlungsfähigkeit behauptet – oder sich in endlosen Appellen erschöpft. Die Zeit der Symbole ist vorbei. Nun zählen Entschlossenheit, Härte – und geopolitischer Realitätssinn.

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