Politik

Europäische Armut: Leasing für Jeans und Geschirrspüler

Lesezeit: 2 min
05.12.2013 03:01
Die Europäer können sich die lebensnotwendigen Dinge nicht mehr leisten: Daher gibt es nun Leasing für Jeans und Geschirrspüler. Eine Renaissance erlebt der Tauschhandel, der von Auto bis zum Wohnen alles umfasst. Auch gebrauchte Billig-Möbel finden reißenden Absatz.
Europäische Armut: Leasing für Jeans und Geschirrspüler

Mehr zum Thema:  
Benachrichtigung über neue Artikel:  

Jeans, Jacken und Pullis für jeweils fünf Euro monatlich: Bei einer niederländischen Jeansmarke können Kunden ihre Kleidung entweder kaufen oder für ein Jahr leasen. Das Geschäftsmodell funktioniert folgendermaßen: 20 Euro Kaution müssen einmalig hinterlegt werden, die Leihgebühr für die Kleidungsstücke beträgt fünf Euro im Monat. Nach einem Jahr kann der Kunde entscheiden, ob er die Hose für eine Aufzahlung behält – und somit besitzt –, zurückgibt oder für ein neues Paar Hosen eintauscht.

„Wir wollen, dass jeder unsere Jeans tragen kann“, sagt Bert van Son, Chef von Mud Jeans, dem Wall Street Journal. Die zurückgegebene Ware wird entweder recycelt oder kommt in den Second-Hand-Verkauf.

Teilen, Tauschen und Leasen sind keine neuen Geschäftsmodelle, aber sie boomen seit dem Finanzcrash 2008. Der neue Trend vom Konsum im Verbund nennt sich „Collaborative Consumption“. Diese Art des „Einkaufens“ ist stark im Kommen. Das läge daran, dass die Menschen immer weniger Geld zum Ausgeben hätten, sagt die auf Konsumverhalten spezialisierte Uni-Professorin Lucia Reisch dem WSJ.

120 Millionen Menschen sind in Europa armutsgefährdet, können sich teilweise ihr Essen nicht mehr leisten. In den vergangenen drei Jahren stieg die Zahl jener, die mit Nahrungsmittel versorgt werden müssen, um 75 Prozent, so eine Studie des Roten Kreuz (mehr hier).

Diese Entwicklung ändert das Konsumverhalten, wie eine Studie von L‘Observatoire Cetelem, zugehörig zu BNP Paribas, aufzeigt: Weit mehr als die Hälfte der Befragten können sich heute Tauschgeschäfte vorstellen; 82 Prozent in West-, und 61 Prozent in Osteuropa. Die Bereitschaft, Second Hand zu kaufen, steigert sich ebenfalls. 68 Prozent der Europäer können sich das in den kommenden Jahren vorstellen, 58 Prozent kaufen bereits Second Hand.

Das Magazin Time kürte 2011 das Geschäftsmodell des Teilens als eine der „Zehn Ideen, die die Welt verändern werden“. Es gibt immer mehr Unternehmen und Start-ups, die nach der Ideologie des „Konsums im Verbund“ arbeiten.

Bei der französischen Supermarktkette Intermarché können Geräte wie Smartphones oder Geschirrspüler geleast werden. Ab einem Warenwert von 349 Euro wird ein Leasingvertrag vereinbart, nach zwei bis fünf Jahren kann sich der Kunde zwischen Kauf oder Rückgabe entscheiden.

Carsharing ist aus großen Städten nicht mehr wegzudenken. Es gibt ein eigenes Online-Unternehmen, das ausschließlich gebrauchte Ikea-Möbel verkauft. Bei H&M erhalten Kunden für eine Tüte mit Altkleidern einen Gutschein für ein neues Kleidungsstück.

Immer mehr Touristen nutzen Couchsurfing oder übernehmen gleich die Wohnung mittels Online-Portalen wie Airbnb. Das neue Start-up ist für die traditionelle Hotellerie so ein starker Konkurrent, dass die Schweizer Hoteliers mithilfe der Behörden die Online-Plattform stoppen wollte. (hier).

Mit Amsterdam will sich gleich eine ganze Stadt „teilen“ und so zur „Sharing City“ werden. Vorbild sind hier die USA. Im Juni wurde beim 81. Jahrestreffen der US-Bürgermeister in Las Vegas ein Beschluss vereinbart, mit dem ganze Städte „shareable“ gemacht werden sollen.

Die Hoffnung der amerikanischen Bürgermeister: Der Sharing-Markt schafft Arbeitsplätze, Wohnraum, neue Ideen für Transport, Essen und verbessert die Lebensstile. Somit bleibt zusätzliches Geld für die privaten Haushalte übrig und das Leben in der Stadt bezahlbar. Das Teilen soll die finanzielle Situation der Einwohner verbessern. Dies ist auch nötig, denn in den vergangenen 30 Jahren ist das Durchschnittseinkommen einer US-Familie jährlich nur um 0,36 Prozent angestiegen.


Mehr zum Thema:  

DWN
Politik
Politik SPD-Kanzlerkandidat steht fest: Pistorius zieht zurück und ebnet Weg für Scholz
21.11.2024

Nach intensiven Diskussionen innerhalb der SPD hat Verteidigungsminister Boris Pistorius Olaf Scholz den Weg für die erneute...

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Prognose: Kryptowährung mit Rekordhoch kurz vor 100.000 Dollar - wie geht's weiter?
21.11.2024

Neues Bitcoin-Rekordhoch am Mittwoch - und am Donnerstag hat die wichtigste Kryptowährung direkt nachgelegt. Seit dem Sieg von Donald...

DWN
Panorama
Panorama Merkel-Buch „Freiheit“: Wie die Ex-Kanzlerin ihre politischen Memoiren schönschreibt
21.11.2024

Biden geht, Trump kommt! Wer auf Scholz folgt, ist zwar noch unklar. Dafür steht das Polit-Comeback des Jahres auf der Tagesordnung: Ab...

DWN
Politik
Politik Solidaritätszuschlag: Kippt das Bundesverfassungsgericht die „Reichensteuer“? Unternehmen könnten Milliarden sparen!
21.11.2024

Den umstrittenen Solidaritätszuschlag müssen seit 2021 immer noch Besserverdiener und Unternehmen zahlen. Ob das verfassungswidrig ist,...

DWN
Finanzen
Finanzen Bundesbank: Konjunkturflaute, Handelskonflikte, leere Büroimmobilien - Banken stehen vor akuten Herausforderungen
21.11.2024

Eigentlich stehen Deutschlands Finanzinstitute in Summe noch ganz gut da – so das Fazit der Bundesbank. Doch der Blick nach vorn ist...

DWN
Finanzen
Finanzen Von Dividenden leben? So erzielen Sie ein passives Einkommen an der Börse
21.11.2024

Dividenden-ETFs schütten jedes Jahr drei bis vier Prozent der angelegten Summe aus. Wäre das auch was für Ihre Anlagestrategie?...

DWN
Politik
Politik Weltstrafgericht erlässt auch Haftbefehle gegen Netanjahu und Galant - wegen Kriegsverbrechen im Gaza-Streifen
21.11.2024

Der Internationale Strafgerichtshof hat Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, den früheren...

DWN
Politik
Politik US-Staatsapparat: Tech-Milliardär Elon Musk setzt auf Technologie statt Personal - Unterstützung bekommt er von Trump
21.11.2024

Elon Musk soll dem künftigen US-Präsidenten Trump dabei helfen, Behördenausgaben zu kürzen und Bürokratie abzubauen. Er gibt einen...