Lkw-Fahrermangel: Wie die EU das Problem lösen möchte
Ende März hat das Europäische Parlament zusammen mit dem EU-Rat beschlossen, das Mindestalter für den Erwerb eines Lkw-Führerscheins (Klasse C) von 21 auf 18 Jahre zu senken. Voraussetzung hierfür ist, dass die jungen Fahrer nachweislich über die notwendige berufliche Eignung verfügen. Zudem können die EU-Mitgliedstaaten Jugendlichen im Alter von 17 Jahren gestatten, unter Aufsicht eines erfahrenen Fahrers Lkw oder Lieferwagen zu steuern. Mit dieser Maßnahme möchte die EU dem gravierenden Fahrermangel entgegenwirken, für den in Europa bereits zwischen 250.000 und 500.000 Fahrer fehlen. Diese Zahl dürfte sich mit der Alterung der Branche weiter verschärfen.
Die geplante Regelung muss nun noch vom EU-Rat und dem Europäischen Parlament formell genehmigt werden. Anschließend haben die Mitgliedstaaten vier Jahre Zeit, die Änderungen umzusetzen. In Litauen beispielsweise liegt das Mindestalter für Lkw-Fahrer derzeit bei 21 Jahren, es gibt jedoch Ausnahmen, die es 18-Jährigen unter bestimmten Voraussetzungen ermöglichen, Lkw zu fahren.
Einige europäische Experten und Verbandsvertreter sind zwar grundsätzlich positiv gegenüber der Altersreduzierung eingestellt, erwarten jedoch keinen wesentlichen Impuls für den Sektor. Erlandas Mikėnas, Präsident des litauischen Verbands „Linava“, stellt fest, dass junge Menschen heutzutage häufig Berufe mit weniger körperlicher Anstrengung bevorzugen, sodass die Attraktivität des Lkw-Fahrerberufs weiterhin begrenzt bleibt. Auch Povilas Drižas, Generalsekretär der International Transport and Logistics Alliance, sieht die Maßnahme vor allem in großen Ländern als potenziell wirksam an, während die Auswirkungen auf kleinere Märkte minimal bleiben dürften.
Der Schritt der EU ist allerdings nicht unumstritten. Kritiker warnen vor den Sicherheitsrisiken, die mit der Senkung des Mindestalters verbunden sind. Ellen Townsend, Leiterin der Politikabteilung des Europäischen Verkehrssicherheitsrats, bezeichnet die Entscheidung, Jugendlichen das Fahren von Lastwagen zu ermöglichen, als „schreckliche Idee“. Dennoch betonen Experten wie Drižas, dass Unternehmen grundsätzlich sicherstellen, dass ihre Fahrer, unabhängig vom Alter, ausreichend ausgebildet und vorbereitet sind.
Autonome Lkw: Die technologische Lösung aus den USA
Während Europa auf regulatorische Änderungen setzt, verfolgt das US-amerikanische Unternehmen Aurora Innovation eine technologische Lösung für das Problem: autonome Lkw. In den kommenden Monaten plant Aurora, in Texas zwischen Dallas und Houston, einer Strecke von fast 400 km, bis zu zehn fahrerlose Lastwagen für den gewerblichen Einsatz auf die Straße zu bringen. Das Unternehmen arbeitet in Zusammenarbeit mit großen Transportunternehmen wie Volvo, Uber und FedEx und setzt auf eine Technologie, die auf Lösungen des US-IT-Giganten Nvidia basiert.
Aurora ist Teil einer wachsenden Zahl von Unternehmen, die die Entwicklung von autonomen Lkw vorantreiben. Konkurrenten wie Kodiak Robotics und Einride verfolgen ähnliche Ziele, mit dem langfristigen Ziel, eine „Stufe vier“ der Autonomie zu erreichen, bei der für das Fahren des Lkw keine menschliche Intervention mehr erforderlich ist. Eine solche Technologie würde die Effizienz im Transportwesen erheblich steigern, birgt jedoch auch erhebliche gesellschaftliche Herausforderungen, da sie zu massiven Arbeitsplatzverlusten im Fahrerbereich führen könnte.
Laut einer Analyse des Beratungsunternehmens McKinsey könnte der weltweite Markt für autonome Lkw bis 2035 ein Volumen von 616 Milliarden Dollar erreichen, davon 112 Milliarden Dollar allein in Europa. Besonders vielversprechend erscheint der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) derzeit im Bereich der schweren Maschinen in Steinbrüchen und Bergwerken, wo autonome Lkw auf breiten Straßen mit geringerem Kollisionsrisiko operieren.
In Europa stehen autonome Lkw noch am Anfang ihrer Entwicklung. Zahlreiche Hersteller, darunter Volvo, Iveco und MAN, testen bereits entsprechende Technologien. Der Weg zur flächendeckenden Einführung wird jedoch noch Jahre dauern. Laut David Liu, CEO von Plus, einem Entwickler für selbstfahrende Fahrzeuge, sind insbesondere die hohen Sicherheitsanforderungen beim Transport auf Autobahnen eine Herausforderung. Autonome Lkw müssen in der Lage sein, ihre Umgebung präzise zu erfassen und längere Bremswege sicher zu managen.
Herausforderungen der Regulierung und Infrastruktur
Die Einführung autonomer Lkw wird durch uneinheitliche regulatorische Rahmenbedingungen in Europa und den USA erschwert. Während 39 US-Bundesstaaten den Einsatz selbstfahrender Lkw bereits erlauben, existiert in den USA noch keine einheitliche Regelung. Auch in Europa gibt es Fortschritte, doch die gesetzlichen Bestimmungen variieren von Land zu Land. Nils Jaeger, Präsident von Volvo Autonomous Solutions, betont, dass eine harmonisierte Regelung für die Zulassung autonomer Fahrzeuge notwendig wäre, um die Technologie effizient einzuführen.
Die langfristige Lösung des Fahrermangels im Transportsektor könnte daher eine Kombination aus flexibler Arbeitsmigration und technologischen Innovationen wie autonome Lkw sein. Doch während sich die Technologie weiterentwickelt, bleibt der Mangel an Fahrern in Europa vorerst eine drängende Herausforderung.
Lkw-Fahrermangel: Was Unternehmen in Europa jetzt tun können
Um dem Lkw-Fahrermangel aktiv zu begegnen, können europäische – insbesondere deutsche – Unternehmen auf mehrere strategische Hebel setzen. Eine zentrale Maßnahme ist die gezielte Arbeitskräftegewinnung aus Drittstaaten. Länder wie Kasachstan, Georgien oder die Philippinen verfügen über motivierte Fahrer mit guter Qualifikation. Die Bundesregierung hat bereits 2023 mit dem Gesetz zur Regelung der Entsendung von Kraftfahrern und Kraftfahrerinnen den Zugang für Fachkräfte aus dem Ausland erleichtert.
Attraktivitätssteigerung des Berufsbildes ist ein weiterer Schlüssel. Unternehmen können durch moderne Fahrzeuge, geregelte Arbeitszeiten und digitale Tools für Routenplanung und Kommunikation den Alltag von Fahrern erheblich verbessern. Die Einführung von Fahrer-Apps oder Sprachassistenzsystemen reduziert Stress und administrative Belastung. Darüber hinaus bieten Ausbildungskooperationen mit Berufsschulen, etwa über duale Modelle oder verkürzte Umschulungen, Potenzial, neue Zielgruppen – zum Beispiel Quereinsteiger oder junge Erwachsene – für die Branche zu gewinnen. Förderprogramme wie Wege in den Berufskraftverkehr der Bundesagentur für Arbeit unterstützen dies finanziell.
Auch die Teilautomatisierung des Fahrbetriebs, etwa durch Fahrerassistenzsysteme, kann bestehende Fahrer entlasten und den Beruf attraktiver machen. Pilotprojekte mit „Platooning“ (Fahrzeugverbund) zeigen erste Erfolge in Deutschland. Langfristig sollten Unternehmen aktive Branchen-PR betreiben, um das Image des Berufs zu verbessern – mit echten Fahrerporträts, Social Media-Kampagnen und Partnerschaften mit Schulen. So kann der Lkw-Fahrerberuf wieder als krisensicher und zukunftsorientiert wahrgenommen werden.
Die Kombination aus Zuwanderung, Digitalisierung und gezieltem Ausbildungsmarketing bietet damit realistische Wege aus der Krise.