Indien hat den Weg für einen historischen Durchbruch bei der Welthandelskonferenz auf Bali geebnet. Damit wurde die größte Hürde für eine weitreichende Vereinbarung zum Abbau von Handelsschranken rund um den Globus beiseite geräumt.
Sein Land stimme dem Entwurf für ein Abkommen zum Abschluss der Verhandlungen der Welthandelsorganisation (WTO) auf Bali zu, sagte der indische Handelsminister Anand Sharma am Freitag. Es sei ein Sieg für die WTO und die Weltgemeinschaft, sich auf eine Lösung geeinigt zu haben.
Mit einem Abkommen der zuständigen Minister aus den 159 Ländern der Welthandelsorganisation gelänge erstmals seit der WTO-Gründung 1995 eine bahnbrechende Vereinbarung. Neben Handelserleichterungen umfasst sie Regeln zum Abbau von Subventionen im Agrarhandel und Verbesserungen für die Entwicklungsländer beim Warenaustausch.
Tagelang hatte Indien eine Einigung blockiert, weil das Land sich nicht auf eine von den USA und anderen Ländern geforderte zeitliche Begrenzung von Subventionen im Nahrungsmittelbereich einlassen wollte. Das nach China bevölkerungsreichste Land der Erde pochte darauf, mit staatlichen Finanzhilfen die Versorgung von Millionen Menschen mit Nahrungsmitteln sicherstellen zu können.
Mit dieser Haltung konnte die indische Regierung nach eigenen Angaben die Unterstützung von immer mehr Schwellen- und Entwicklungsländern aus Afrika, Asien und Südamerika gewinnen. Handels- und Industrieminister Anand Sharma sagte: „Länder mit vermutlich mehr als drei Viertel der Weltbevölkerung stehen in dieser Frage hinter Indien“.
Indiens Regierung plant im kommenden Jahr nicht zuletzt mit Blick auf die kommende Wahl ein umfassendes Wohlfahrtsprogramm. Damit sollen 800 Millionen bedürftige Menschen zu niedrigen Preisen mit Nahrungsmitteln versorgt werden, die die Regierung vorher aufgekauft hat.
Dieses Programm könnte nach Darstellung von Regierungsvertretern in Gefahr kommen, wenn staatliche Finanzhilfen im Agrarbereich auf 10 Prozent der Produktion begrenzt würden. Ein Vorschlag der USA zielte darauf ab, die Subventionen bis 2017 zu befristen.
Den Bedenken Indiens soll entgegengekommen werden, in dem Entwicklungsländer Ausnahmen von den Begrenzungen für Agrar-Subventionen gewährt werden, wenn es um die Sicherung der Nahrungsmittelversorgung für große Teile der Bevölkerung geht.
Abseits des multilateralen Weges, der mit der Bali-Konferenz Auftrieb erhalten hat, treiben seit geraumer Zeit gerade die großen Industrie- und Schwellenländer den Weg bilateraler Freihandelsabkommen voran - wobei die ärmsten Länder dabei außen vor zu bleiben drohen. Am prominentesten sind die im Sommer begonnenen Gespräche zwischen der EU und den USA über eine transatlantische Freihandelszone (mehr hier).
Bei einem bilateralen Freihandelsabkommen mit Indien hat die Schweizer Regierung kürzlich den Schutz der Patente vergessen. Pharma-, Chemie- und Uhrenindustrie müssen nun um ihr geistiges Eigentum fürchten (mehr hier).
Deutschland würde als Exportriese in der Welt von umfassenden globalen Handelserleichterungen besonders profitieren. Daher betonten Vertreter der deutschen Wirtschaft wiederholt, wie hoch sie einen Erfolg der Bali-Gespräche gerade für die hiesige Industrie veranschlagen.
Einer der entscheidenden Punkte bei Freihandelsabkommen ist in der Regel der Umgang mit den sogenannten Investment-Schutzklauseln. Diese Klauseln sollen sicherstellen, dass ein Unternehmen, welches in einem Land investiert, gewisse Sicherheiten erhält, sodass eine Investition nicht willkürlich vom jeweiligen „Gastland“ gefährdet wird.
Vor allem multinationale Konzerne können sich praktisch unbegrenzt an Staaten schadlos halten, wenn sie behaupten, dass ihre Investments durch falsche Behörden-Entscheidungen, neue Gesetze oder lästige Bürgerinitiativen an Wert verloren haben.
Die Ebene, auf der Streitigkeiten zwischen Staaten und internationalen Unternehmen ausgetragen werden, sind Schiedsgerichte: Die Staaten und die Unternehmen einigen sich, Rechtsstreitigkeiten auf außergerichtlichem Wege beizulegen.
Denn der Rechtsweg ist für ein internationales Unternehmen oft mühsam und mit erheblichen Risiken verbunden. Schließlich ist ein ordentliches Gericht für einen Staat meist eine Art Heimspiel, während sich der Investor mit einem ihm fremden Rechtssystem in fremder Sprache herumschlagen muss.
Für viele Staaten ist das eine sehr gefährliche Entwicklung: Vor den Schiedsgerichten werden zwar formal Sachverhalte auf Basis des Völkerrechts diskutiert. Doch das Ergebnis ist nicht ein Urteil durch ein unabhängiges Gericht, sondern ein Deal zwischen den Parteien. Fällt das Ergebnis zum Nachteil der Staaten und der Steuerzahler aus, haben diese keine Möglichkeit mehr, gegen den Deal Berufung einzulegen.