Gemischtes

EU vermutet Nervengift in Pestiziden - und schützt die Bürger nicht!

Die EU warnt vor möglichen Schäden durch Insektizide. Das von Bayer und einer japanischen Firma vertriebene Gift kann menschliche Neuronen und die Hirnstrukturen schädigen. Doch die EU-Aufsicht will kein radikales Verbot - die Konzerne sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Sicht zu präsentieren. Bis dahin können dem Gift ausgesetzte Arbeiter, Anrainer und Konsumenten nur hoffen, dass ihr Nervenkostüm noch einige Jahre hält.
18.12.2013 01:23
Lesezeit: 2 min

Zwei Neonikotinoid-Insektizide – Acetamiprid und Imidacloprid – können sich möglicherweise schädlich auf das menschliche Nervensystem auswirken. Das gib die die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) in einer Aussendung bekannt.

Die EU-Behörde schreibt:

„Zwei Neonikotinoid-Insektizide – Acetamiprid und Imidacloprid – können sich unter Umständen auf das in Entwicklung begriffene menschliche Nervensystem auswirken, so die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA). Sachverständige der Behörde schlagen vor, einige der Richtwerte für eine annehmbare Exposition gegenüber den beiden Neonikotinoiden zu senken, während weitere Forschungen unternommen werden, um zuverlässigere Daten zur sogenannten Entwicklungsneurotoxizität (developmental neurotoxicity – DNT) zu gewinnen. Das Gremium der EFSA für Pflanzenschutzmittel und ihre Rückstände (PPR-Gremium) fordert eine Festlegung von Kriterien auf EU-Ebene, um die verpflichtende Vorlage von DNT-Studien im Rahmen des Zulassungsverfahrens für Pestizide zu bewirken. Dies könnte die Entwicklung einer umfassenden Prüfstrategie für die Bewertung des DNT-Potentials von Substanzen, einschließlich aller Neonikotinoide, umfassen.“

Die Behörde kommt zu dem Schluss, dass die beiden Insektizide das in Entwicklung begriffene menschliche Nervensystem, insbesondere das Hirn, schädigen können. Vor allem jene Hirnstrukturen sind betroffen, die mit der Lern- und Gedächtnisfunktion in Verbindung stehen.

Die aktuellen Richtwerte sind offenkundig zu hoch angesetzt, die EFSA empfiehlt deshalb eine Senkung der Grenzwerte. Die Behörde war von der Europäischen Kommission mit der Untersuchung beauftragt worden.

Betroffen sind von der Untersuchung die japanische Nippon Soda, Syngenta und vor allem der deutsche Bayer-Konzern.

Bayer, der Hersteller von Imidacloprid, bestreitet auf Nachfrage der Deutschen Wirtschafts Nachrichten ein Gefährdung für den Menschen:

„Nach Einschätzung von Bayer CropScience hat Imidacloprid kein entwicklungsneurotoxisches Potenzial für den Menschen. Die Bedenken von EFSA zur Entwicklungsneurotoxizität von Imidacloprid gründen sich auf eine Publikation japanischer Wissenschaftler aus dem Jahr 2012, die Untersuchungen an Zellkultursystemen von Ratten beschreibt, also Untersuchungen im Reagenzglas. Die EFSA selbst hält die Aussagekraft dieser Publikation für eingeschränkt. Bayer CropScience hat diese Publikation ausgewertet und kann bestätigen, dass sie in ihrer wissenschaftlichen Aussagekraft sehr eingeschränkt ist.“

Gemeinsam mit zwei weiteren Insektiziden steht Imidacloprid zusätzlich im Verdacht, ein erhebliches Risiko für Bienen darzustellen. Die EU verbietet per Verordnung daher seit 1. Dezember 2013 das Inverkehrbringen von Saatgut, das mit einem der drei Insektizide behandelt wurde.

Bayer und Nippon Soda müssen der EU-Kommission nun erklären, dass die Wirkungen nicht so gefährlich sind wie von der Kommission befürchtet. Nach einem Hearing will Brüssel entscheiden, ob die Grenzwerte für Arbeiter, Anrainer und Konsumenten erhöht werden sollen.

Dieses Vorgehen ist bemerkenswert: Eigentlich möchten man meinen, dass die Grenzwerte schon beim geringsten Zweifel gesenkt  werden - und erst wieder erhöht werden, wenn die Konzerne den Verdacht zweifelsfrei widerlegt haben.

Wie sehr die EFSA unter dem Einfluss der Konzerne steht, lässt der Passus der Aufseher erkennen, in dem sie sich fast bei den Konzernen entschuldigen:

„Die EFSA ist sich der eingeschränkten Aussagekraft der vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnisse bewusst und empfiehlt die Durchführung weiterer Forschungsarbeiten zur Gewinnung zuverlässigerer Daten. Dessen ungeachtet war das PPR-Gremium der Meinung, dass die bei der Auswertung der vorliegenden Daten aufgeworfenen Gesundheitsbedenken berechtigt seien.“

Wenn die EFSA Gesundheitsbedenken hat, soll sie handeln - und zwar sofort.

Menschen seien keine Ratten, sagt Bayer indirekt.

In der Tat: Menschen sind keine Versuchsobjekte, die man so lange einer Gefahr aussetzen kann, bis die Lobbyisten ausreichend Präsentations-Möglichkeiten vor einer von Lobbyisten dominierten Lebensmittelaufsicht erhalten haben.

Denn nach dem Brain-Washing besteht die Gefahr, dass die Experten ihre Meinung ändern.

Daher muss gelten: Forschungsarbeiten ja, und gerne über Jahre.

Aber zuvor muss der Schutz der Bürger kommen.

Nicht erst nach Jahren - wenn die Gutachten so eindeutig sind, dass der Schaden nicht wieder gutzumachen ist.

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