Politik

Mindestlohn 2026: Anstieg bis 2027 auf 14,60 Euro geplant

Der Mindestlohn in Deutschland soll in zwei Schritten weiter steigen – doch der Weg dorthin war steinig. Arbeitgeber, Gewerkschaften und Politik ringen um faire Lösungen. Die Hintergründe.
27.06.2025 11:59
Aktualisiert: 27.06.2025 11:59
Lesezeit: 3 min
Mindestlohn 2026: Anstieg bis 2027 auf 14,60 Euro geplant
Christiane Schönefeld (Mitte), Vorsitzende der Mindestlohnkommission, Steffen Kampeter (rechts) Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) und Stefan Körzell, Mitglied des Geschäftsführenden Bundesvorstands des Deutschen Gewerkschaftsbunds DGB (Foto: dpa). Foto: Michael Kappeler

Mindestlohn steigt bis 2027 auf 14,60 Euro

Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland soll stufenweise auf 14,60 Euro zum 1. Januar 2027 steigen. Bereits zu Beginn des kommenden Jahres wird er auf 13,90 Euro angehoben, wie die Mindestlohnkommission jetzt in Berlin mitteilte. Der Vorschlag zur Vermittlung durch die Vorsitzende der Kommission, Christiane Schönefeld, sei ohne Gegenstimme angenommen worden.

Derzeit beträgt der Mindestlohn 12,82 Euro. Die Mindestlohnkommission prüft alle zwei Jahre mögliche Anpassungen. Dabei verhandeln Spitzenvertreter von Arbeitgebern und Gewerkschaften direkt miteinander. Anschließend setzt die Bundesregierung die Empfehlung per Verordnung um. Der letzte Beschluss, der den aktuellen Mindestlohn brachte, wurde gegen das Votum der Gewerkschaften mit der Stimme der unabhängigen Vorsitzenden Christiane Schönefeld getroffen.

Kompromiss nach zähen Verhandlungen

Schönefeld nannte das Ergebnis einen stabilen Kompromiss, der einen Ausgleich zwischen Arbeitnehmerinteressen und wirtschaftlichen Realitäten darstelle. Im Hinblick auf die öffentliche Forderung nach einem Mindestlohn von 15 Euro – eine zentrale Position der SPD – sprach sie von äußerst komplexen Verhandlungen. Stefan Körzell, der für den Deutschen Gewerkschaftsbund verhandelte, erklärte, es seien "harte Verhandlungen" gewesen. Steffen Kampeter von den Arbeitgebern kritisierte den erheblichen politischen Druck, der in den vergangenen Monaten auf die Mindestlohnkommission ausgeübt worden sei.

Mindestlohnkommission zunächst uneins

Innerhalb des Gremiums bestand wochenlang keine Einigung, wie aus Verhandlungskreisen verlautete. Wäre kein Konsens erzielt worden, hätte der Gesetzgeber eingreifen können. Die SPD, die in Berlin ihren Parteitag veranstaltete, hatte sich im Wahlkampf auf einen Mindestlohn von 15 Euro festgelegt.

Der Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD enthielt keine konkrete Summe. "Die weitere Entwicklung des Mindestlohns wird von der Mindestlohnkommission auf Grundlage einer Gesamtabwägung ermittelt – unter Einbezug der Tarifentwicklung sowie der 60 Prozent des Bruttomedianlohns von Vollzeitbeschäftigten", heißt es laut gesetzlicher Regelung. "So könnte ein Mindestlohn 2026 von 15 Euro erreicht werden."

Mindestlohn Deutschland: Einführung und Besonderheiten

Der Mindestlohn in Deutschland wurde im Jahr 2015 unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) eingeführt. Bei der Erhöhung auf 12 Euro im Oktober 2022 griff der Gesetzgeber einmalig direkt ein. Damals machte der heutige Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) das Thema zum zentralen Punkt seines Wahlkampfs unter dem Motto "Respekt" für die Bürger. Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) erklärte in einem Interview, dass es "keinen gesetzlichen Automatismus" bei der Festlegung gebe. Der Mindestlohn könne "bei dieser Höhe zum 1.1.2026 oder 2027 liegen", so Merz bereits im April.

Relevante Einflussgrößen

Für die Festlegung der Lohnuntergrenze sind vor allem die vergangenen Tariflohnentwicklungen maßgeblich. Diese werden vom Statistischen Bundesamt berechnet. Der sogenannte Medianlohn dient als Kriterium für ein gerechtes Lohnniveau – als angemessener Mindestlohn gelten 60 Prozent dieses Wertes. So soll verhindert werden, dass durch zu niedrige Löhne das Risiko für Armut steigt.

Armutsgefährdung weiterhin hoch

Laut Statistik waren im Vorjahr 15,5 Prozent der Menschen in Deutschland von Armut bedroht – das entspricht rund 13,1 Millionen Personen. Als armutsgefährdet gilt, wer weniger als 60 Prozent des durchschnittlichen Einkommens erzielt. Im Jahr 2024 bedeutete das ein monatliches Nettoeinkommen von 1.378 Euro für Alleinstehende. Die Arbeitgeber warnten in diesem Zusammenhang vor negativen wirtschaftlichen Effekten einer übermäßigen Erhöhung. Bereits 2025 droht Deutschland das dritte Jahr in Folge mit einer Rezession.

Anstieg des Mindestlohns bis 2027 gerechtfertigt?

Der geplante Anstieg des Mindestlohns bis 2027 ist mehr als nur eine Zahl – er ist Ausdruck eines gesellschaftlichen Ringens um Gerechtigkeit, wirtschaftliche Vernunft und sozialen Zusammenhalt. Die Mindestlohnkommission hat geliefert, doch ob der Kurs reicht, bleibt umstritten. Für viele Menschen bedeutet jede Erhöhung ein Stück mehr Würde im Alltag – für Unternehmen stellt sie zugleich eine Herausforderung dar. Der Mindestlohn 2026 könnte ein Wendepunkt sein. Doch was es jetzt braucht, ist mehr als Konsens: Es braucht Mut, Verantwortung – und ein echtes Verständnis dafür, wie Arbeit in Deutschland künftig wertgeschätzt wird.

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