Politik

Janukowitsch: „Ich bin immer noch Präsident“

Lesezeit: 2 min
28.02.2014 16:28
Der abgesetzte Präsident der Ukraine, Wiktor Janukowitsch, bezeichnet seine Absetzung als illegal. Die EU habe „Terror, Anarchie und Chaos“ über sein Land gebracht. Janukowitsch ist nach Russland geflohen, da ihm in der Ukraine ein Verfahren wegen Anstiftung zum Massenmord droht.

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Am Freitagnachmittag äußerte sich der abgesetzte Präsident Wiktor Janukowitsch erstmals seit seiner Entmachtung vor einer Woche. Er machte den Westen für die Krise seines Landes verantwortlich.

Er habe an die Anständigkeit der EU-Vermittler geglaubt, als er vor genau einer Woche einen Kompromiss mit der Opposition unterschrieben habe. Doch dann seien „Gesetzlosigkeit, Terror, Anarchie und Chaos“ ausgebrochen, sagte Janukowitsch vor Journalisten im russischen Rostow am Don. „Profaschistische“ Kräfte hätten die Macht in der Ukraine übernommen. Er habe das Land wegen massiver Drohungen verlassen müssen, werde aber weiter für die Zukunft der Ukraine kämpfen.

Die neue Regierung in Kiew bezeichnete er als illegitim, die für Mai angesetzte Präsidentschaftswahl als illegal. Er versicherte, Russland nicht um militärische Hilfe in der Ukraine zu bitten. Er selbst wolle außerdem in sein Land zurückkehren, sobald er internationale Sicherheitsgarantien bekomme.

Der ukrainische Generalstaatsanwalt erklärte, er werde Russland um Janukowitschs Auslieferung bitten. Die Opposition hatte ihn nach monatelangen Massenprotesteten wegen seines pro-russischen Kurses abgesetzt. Die Übergangsregierung ist für eine engere Anbindung der Ukraine an die EU. Bundeskanzlerin Angela Merkel gratulierte dem neuen Ministerpräsidenten Arseni Jazenjuk zu seiner Wahl.

Am Freitag überflogen nach ukrainischen Angaben mehr als zehn russische Militärhubschrauber die ukrainische Halbinsel Krim. Bereits in den frühen Morgenstunden hatten bewaffnete Männer die Flughäfen von Simferopol und Sewastopol besetzt. Innenminister Arsen Awakow sprach von einer Invasion und Besetzung durch russische Truppen. Ein Sprecher der Schwarzmeerflotte wies dies zurück (hier).

Die Halbinsel Krim ist die letzte größere Bastion der Anhänger von Janukowitsch. Rund 60 Prozent der Bewohner sind ethnische Russen. Am Donnerstag hatte das Regionalparlament der Krim ein Referendum über die Souveränität der Halbinsel angesetzt. Es soll am 25. Mai und damit am gleichen Tag stattfinden, an dem auch ein neuer ukrainischer Präsident gewählt wird.

Die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens äußerten sich „zutiefst besorgt“" über die Spannungen auf der Krim und riefen alle Beteiligten zur Mäßigung auf. Es sollte alles unterlassen werden, was die Einheit der Ukraine gefährden könnte, sagten Frank-Walter Steinmeier, Laurent Fabius und Radoslaw Sikorski.

Die Schweizer Regierung ordnete die Sperrung von Konten von Leuten aus dem Umfeld Janukowitschs an. Betroffen seien 20 Personen. Zudem nahm die Staatsanwaltschaft in Genf Ermittlungen gegen Janukowitsch und dessen Sohn Alexander wegen des Verdachts der Geldwäsche auf. Auch Österreich sperrte die Konten von 18 Ukrainern.

Die Zentralbank der vor dem finanziellen Kollaps stehenden Ukraine traf derweil Maßnahmen, um den Abfluss von Devisen zu bremsen. Notenbankchef Stepan Kubiw verhängte eine Obergrenze für Abhebungen in ausländischen Währungen. Sie dürfen nur noch im Wert von bis zu umgerechnet 1.500 Dollar pro Tag abgezogen werden.

Das Land habe genügend Reserven, um alle Gläubiger zu bezahlen, versuchte Kubiw Anleger zu beruhigen. Nach früheren Angaben des Zentralbankchefs haben sich die Reserven des vom Staatsbankrott bedrohten Landes in ausländischen Währungen auf 15 Milliarden Dollar von 17,8 Milliarden Dollar am 1. Februar verringert.

Nach Angaben des IWF fehlen der Ukraine mindestens 35 Milliarden Dollar, um eine Staatspleite abzuwenden. Sein Land sei bereit, alle Bedingungen des IWF für eine finanzielle Unterstützung zu erfüllen, sagte Premier Arseni Jazenjuk. Er hoffe, dass die Hilfen „in naher Zukunft fließen“ (mehr hier).


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Tesla Grünheide - Protesttage: Polizei schützt Autofabrik mit Großaufgebot
10.05.2024

Die Kundgebungen gegen den Autobauer Tesla in Grünheide erreichten am Freitag einen neuen Höhepunkt. Während eines...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Der Chefredakteur kommentiert: Deutsche Bahn, du tust mir leid!
10.05.2024

Liebe Leserinnen und Leser, jede Woche gibt es ein Thema, das uns in der DWN-Redaktion besonders beschäftigt und das wir oft auch...

DWN
Technologie
Technologie Kein Erdgas mehr durch die Ukraine? Westeuropa droht erneute Energiekrise
10.05.2024

Eines der größten Risiken für die europäische Erdgasversorgung im nächsten Winter ist die Frage, ob Gaslieferungen weiterhin durch die...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch: Deutscher Leitindex springt auf Allzeithoch bei über 18.800 Punkten
10.05.2024

Der DAX hat am Freitag mit einem Sprung über die Marke von 18.800 Punkten seinen Rekordlauf fortgesetzt. Was bedeutet das für Anleger und...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Streik am Bau: Gewerkschaft kündigt Proteste in Niedersachsen an
10.05.2024

Die IG Bauen Agrar Umwelt hat angekündigt, dass die Streiks am Bau am kommenden Montag (13. Mai) zunächst in Niedersachsen starten...

DWN
Politik
Politik Selenskyj drängt auf EU-Beitrittsgespräche - Entwicklungen im Ukraine-Krieg im Überblick
10.05.2024

Trotz der anhaltenden Spannungen an der Frontlinie im Ukraine-Krieg bleibt Präsident Selenskyj optimistisch und setzt auf die...

DWN
Politik
Politik Corona-Aufarbeitung: Spahn spricht sich für breite Analyse aus mit allen Blickwinkeln
10.05.2024

Im deutschen Parlament wird zunehmend eine umfassende Analyse der offiziellen Corona-Maßnahmen, einschließlich Masken und Impfnachweisen,...

DWN
Politik
Politik Pistorius in den USA: Deutschland bereit für seine Aufgaben
10.05.2024

Verteidigungsminister Boris Pistorius betont in Washington eine stärkere Rolle Deutschlands im transatlantischen Bündnis. Er sieht den...