Politik

USA verstärken Militärpräsenz in Osteuropa

Die USA haben Kampfjets nach Litauen verlegt. Sie wollen zudem ihre Militärpräsenz am Ostrand der Nato verstärken. Europa hat aufgrund der Finanzkrise kein Geld für eine Aufrüstung, so ein Rüstungs-Experte.
22.03.2014 13:38
Lesezeit: 2 min

Zu Zeiten des Kalten Krieges standen in den Arsenalen der Bundeswehr über 4600 Kampfpanzer auf ihren Einsatz. Seither haben viele europäische Staaten abgerüstet: Die deutsche Armee wird künftig 225 Kampfpanzer besitzen, die Niederlande haben sie ganz abgeschafft. Eine ähnliche Schrumpfkur fand bei anderen Waffensystemen statt. Dennoch rechnen Experten nicht damit, dass die Europäer wegen der Krim-Krise ihren Sparkurs aufgeben und wieder aufrüsten: Zu klamm seien die Kassen wegen der Finanzkrise und unwahrscheinlich ein russischer Angriff auf einen Nato-Staat.

Abgesehen davon sei für viele europäische Staaten am Ostrand der Nato bereits die Intervention Russlands 2008 in Georgien ein Weckruf gewesen. „Das hat bei all denjenigen, die eine Grenze zu Russland haben, deutliche Warnsignale aufleuchten lassen“, sagt der Rüstungsexperte Christian Mölling von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.

So rüste Polen bereits seit einiger Zeit auf. Inzwischen verfüge das Land über knapp 900 Kampfpanzer, bis 2030 sollen es über 1000 sein. Inzwischen habe dort wieder die Landesverteidigung Priorität, nachdem sich das Land zunächst wie viele westliche Staaten vor allem auf Auslandseinsätze eingestellt habe.

„Ich würde davon ausgehen, dass die kleineren Staaten und die mit einer direkten Grenze zu Russland nachziehen werden, soweit sie das können“, sagt Mölling. „Bulgarien und Rumänien beispielsweise aber haben ohnehin große soziale Problem und könnten den Kauf neuer Panzer wohl nur schwer legitimieren.“ Mit zunehmender Sorge schauten auch die Skandinavier auf ihren mächtigen Nachbarn im Osten. So hätten russische Flugzeuge im vergangenen Jahr einen Bombenangriff auf Stockholm simuliert. Nun heize die Krim-Krise die Debatte über einen Nato-Beitritt Schwedens weiter an. All dies genüge jedoch nicht, um das Rüstungsgeschäft massiv anzukurbeln. „Wir sitzen alle auf riesigen Schuldenbergen, und jetzt wollen wir ein massives Rüstungsprogramm auflegen? Woher soll die Kohle kommen?“, so Mölling.

Tatsächlich sind die Rüstungsetats der EU-Staaten seit 2008 um etwa 15 Prozent geschrumpft. Russland dagegen hat seine Wehrausgaben seither um 30 Prozent gesteigert, wie aus einem Bericht des Londoner Centre for European Reform hervorgeht. Die USA haben Zehntausende ihrer rund 300.000 Soldaten heimgeholt, die während des Kalten Krieges in Europa stationiert waren. Momentan leben noch etwa 80.000 amerikanische Soldaten und zivile Angestellte hier. Trotz der Krim-Krise rechnen Experten nun jedoch nicht mit einer Trendwende: Sie prognostizieren höchstens bescheidene Mehrausgaben in den Wehretats. Dazu dürfte eine verstärkte US-Militärpräsenz in den Staaten am Ostrand der Nato kommen.

Schon vor einigen Tagen hatten die USA Kampfjets nach Litauen verlegt und damit eine Botschaft in Richtung Moskau geschickt. Die Baltenstaaten gelten als empfindlichste Flanke der Militärallianz. Wie in der Ukraine leben hier große russische Minderheiten. Die nach Litauen entsandten US-Kampfjets sind bisher im britischen Lakenheath stationiert. Experten hatten erwartet, dass ihr Geschwader an den Pazifik verlegt werden wird, da die USA ihr Augenmerk zuletzt verstärkt auf Asien gerichtet hatten. Dies erscheint nun unwahrscheinlich.

Die Nato wiederum könnte gestärkt aus der Krim-Krise hervorgehen: Der Konflikt verleiht der Militärallianz mit dem Ende des Afghanistan-Einsatzes eine neue Daseinsberechtigung. Beim Nato-Gipfel im September dürften die Staats- und Regierungschefs auch darüber beraten, welche Konsequenzen das Bündnis ziehen soll.

Abgesehen von der inzwischen auf Eis gelegten Lieferung eines 100 Millionen Euro teuren Gefechtsübungszentrums von Rheinmetall an Russland gibt es kaum Rüstungsgeschäfte zwischen den Deutschland und Russland. Die Russen seien zum großen Teil Selbstversorger im Rüstungssektor, sagt Mölling. Immerhin rangiert das Land bei den Exporteuren von Kriegswaffen nach den USA an zweiter Stelle weltweit. Den dritten Platz nimmt mit großem Abstand Deutschland ein.

„Das einzige, was wir in den letzten zehn Jahren an die Russen verkauft haben, waren vier große Dieselmotoren für Schiffe“, erklärt Mölling. „Russland ist kein Rüstungspartner - weder für uns noch für sonst jemand in Europa.“

Das einzige europäische Land mit einem größeren Rüstungsvertrag mit Russland sei Frankreich, sagt der Experte. Russland habe für über eine Milliarde Euro drei Hubschrauberträger bei der französischen Staatswerft DCNS bestellt. Der Betrieb lebe allein vom militärischen Schiffsbau und sei auf den Export angewiesen. „Wenn der Deal platzt, dann steckt die Staatswerft wahrscheinlich in erheblichen Problemen“, prognostiziert Mölling. „Die Frage ist jetzt: Wie kann man den Franzosen in dieser Situation helfen, damit sie nicht in die Verlegenheit kommen, diese Schiffe trotzdem liefern zu müssen?“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.
E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung gelesen und erkläre mich einverstanden.
Ich habe die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Chinas Exporte überraschen - Fokus auf die USA
09.05.2025

Trotz des anhaltenden Handelskonflikts mit den Vereinigten Staaten sind Chinas Exporte überraschend robust geblieben. Der Außenhandel mit...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Reiche fordert den Ausbau von Gaskraftwerken in Deutschland
09.05.2025

Bundeswirtschaftsministerin Katherina Reiche setzt auf einen schnellen Ausbau von Gaskraftwerken in Deutschland. Die Gründe dafür...

DWN
Politik
Politik Putins Parade: Moskau feiert "Tag des Sieges" – Europas Spaltung auf dem Roten Platz sichtbar
09.05.2025

Während Putin mit Pomp den „Tag des Sieges“ feiert, marschieren zwei europäische Regierungschefs an seiner Seite – trotz Warnungen...

DWN
Panorama
Panorama Der stille Anti-Trump? Internationale Reaktionen auf Papst Leo XIV.
09.05.2025

Mit der Wahl von Robert Francis Prevost zum neuen Oberhaupt der katholischen Kirche übernimmt erstmals ein Amerikaner das Papstamt. Welche...

DWN
Finanzen
Finanzen Allianz-Aktie nach Dividendenabschlag im Minus – Chance für Anleger?
09.05.2025

Die Allianz-Aktie zählt 2025 zu den Top-Performern im DAX – doch am Freitagmorgen sorgt ein deutlicher Kursrückgang für Stirnrunzeln...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX-Rekordhoch zur Eröffnung am Freitag
09.05.2025

Zum Handelsbeginn am Freitag hat der DAX ein frisches DAX-Rekordhoch erreicht. Die im April gestartete Erholungswelle nach dem ersten...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Insolvenzen in Deutschland steigen nur noch geringfügig an - ist das die Trendwende?
09.05.2025

Der Anstieg der Insolvenzen in Deutschland hat sich im April deutlich verlangsamt. Laut Statistischem Bundesamt wurden im Monatsvergleich...

DWN
Finanzen
Finanzen Commerzbank-Aktie profitiert von starkem Jahresauftakt - und nun?
09.05.2025

Die Commerzbank-Aktie hat zum Start in den Börsenhandel am Freitag leicht zugelegt. Das deutsche Geldhaus überraschte mit einem...