Nach dem Sieg der türkischen Regierungspartei bei den Kommunalwahlen haben Tausende Oppositionsanhänger ihre Wut über das Ergebnis auf die Straße getragen. In Ankara setzte die Polizei am Dienstag Wasserwerfer gegen die Demonstranten ein, die sich vor dem Gebäude der Wahlbehörde versammelt hatten. Sie forderten eine Neuauszählung in einigen Wahlkreisen.
Die Partei von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan hatte trotz Korruptionsvorwürfen gegen die Regierung ihre Macht bei der Wahl am Sonntag landesweit ausgebaut und dabei auch die Kontrolle über die Hauptstadt verteidigt. Dort fiel das Ergebnis allerdings besonders knapp aus, Betrugsvorwürfe wurden laut. "Dieb Tayyip" skandierte die Menge, bevor die Bereitschaftspolizei gegen sie vorging.
Im Südosten des Landes kam es Sicherheitskreisen zufolge zu Zusammenstößen zwischen der Polizei und Demonstranten. Die Beamten setzten Tränengas und Wasserwerfer ein. Die Auseinandersetzungen in dem Bezirk Ceylanpinar an der Grenze zu Syrien wurden ausgelöst, als Gerüchte über Wahlbetrug zugunsten der auch hier siegreichen AKP die Runde machten.
Gestärkt durch den Sieg seiner Partei hatte Erdogan seinen Gegnern mit einem noch härteren Kurs gedroht. Die Korruptionsvorwürfe haben ihn vor die größte Herausforderung seiner zwölfjährigen Amtszeit gestellt, auf die er mit massenhaften Strafversetzungen in Polizei und Justiz reagierte. Er führt die Bestechungsvorwürfe auf eine Verschwörung zurück und versucht, den Zugang zu Internetdiensten wie Twitter sperren zu lassen.
Dem Aufruf der Opposition in solchen sozialen Netzen folgten in Ankara nun zahlreiche Studenten und versammelten sich in der Zentrale der Partei CHP. Dort durchforsteten sie in der Nacht zum Dienstag die Wahlergebnisse nach Anzeichen für Manipulation. Offizielle Resultate stehen noch aus. Nach den im Fernsehen veröffentlichten Auszählungen liegt die CHP landesweit mit 26 bis 28 Prozent der Stimmen weit hinter der AKP mit rund 44 Prozent. Der traditionell für die weltliche Elite des Landes stehenden Partei CHP gelang es offenbar trotz des Bestechungsskandals rund um Erdogans Regierung nicht, Wähler über ihr traditionelles Klientel hinaus für sich zu gewinnen.
Die Wahlbehörde will erst allen Betrugsvorwürfen nachgehen, bevor sie Endergebnisse veröffentlicht. Dies kann Wochen dauern. Allein in Ankara hat die CHP 8000 Beschwerden eingereicht. Der in Istanbul knapp unterlegene CHP-Kandidat Mustafa Sarigul forderte eine Neuauszählung der Stimmen in der Finanzmetropole des Landes. Der Bürgermeister-Kandidat der CHP in Ankara, Mansur Yavas, sagte, seine Partei würde im Streit um den Wahlausgang notfalls auch vor das Verfassungsgericht ziehen.