Nach der Kabinettsumbildung in Frankreich strebt der frühere Finanzminister Pierre Moscovici einen Spitzenposten in der EU-Kommission an. Präsident Francois Hollande dürfte dazu in Kürze eine Erklärung abgeben, sagte der sozialistische Politiker am Mittwoch in einem Interview des Senders France 3.
Die Nachrichtenagentur Reuters erfuhr aus Regierungskreisen, dass Hollande den 56-Jährigen voraussichtlich als französischen Kandidaten für das Amt eines EU-Kommissars vorschlagen werde. Moscovici sagte, mit einem Spitzenposten in Brüssel würde seine Rolle beim Kampf gegen die Schuldenkrise in Griechenland und Zypern gewürdigt. Außerdem verwies er darauf, dass Frankreich dank seiner Hilfe zwei Jahre mehr Zeit bekommen hat, das Haushaltsdefizit unter die vorgeschriebene EU-Marke von drei Prozent im Vergleich zur Wirtschaftsleistung zu drücken.
Hollande hatte die Regierung nach der französischen Kommunalwahl umgebildet. Dabei musste seine Partei viele Wahlkreise an die Konservativen abgeben. Moscovici ging bei der Neuverteilung der Posten leer aus.
Die EU-Kommission wird nach der Wahl zum Europaparlament im Mai neu zusammengesetzt. Die Vorschläge für die Kommissare kommen von den Mitgliedstaaten. Frankreich war bisher mit dem Binnenmarktkommissar Michel Barnier vertreten, der den Konservativen angehört.
Nach der Schlappe bei den Kommunalwahlen holt Frankreichs Präsident Francois Hollande überraschend seine Ex-Lebensgefährtin Segolene Royal in die neue Regierung. Das am Mittwoch bekanntgegebene politische Comeback der Sozialistin als Umwelt- und Energieministerin verblüfft, nachdem sich das Paar vor Jahren im Zorn getrennt hat. Beide haben vier gemeinsame Kinder. Royal, die Hollande mangelnden Reformeifer vorgeworfen hat, kandidierte 2007 selbst für das höchste Amt im Staat, verlor damals aber gegen den Konservativen Nicolas Sarkozy. Hollandes Privatleben war jüngst ins Scheinwerferlicht gerückt: Er trennte sich von der Journalistin Valerie Trierweiler, für die er einst Royal verlassen hatte.
Mit dem neuen Kabinett versucht Hollande nach der Niederlage bei den Kommunalwahlen einen Befreiungsschlag: Der neue Ministerpräsident Manuel Valls gilt als Hoffnungsträger, da er anders als Hollande populär ist und zudem als durchsetzungsstark gilt. Wie das Präsidialamt mitteilte, wird der bisherige Arbeitsminister Michel Sapin das Finanzressort übernehmen. Im neuen Amt wird der Vertraute Hollandes mit der Aufgabe konfrontiert, die Defizitauflagen der EU einzuhalten. Dabei kann er offenbar nicht mehr wie sein Vorgänger Pierre Moscovici auf mehr Spielraum hoffen.
Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble mahnte die Regierung in Paris zur Haushaltsdisziplin. "Ich will gerne darauf verweisen, was EU-Kommissar Olli Rehn gesagt hat, dass nämlich Frankreich seine Verpflichtungen kenne und die Frist im laufenden Verfahren schon zweimal verlängert worden sei", sagte Schäuble bei einem Treffen der EU-Ressortchefs in Athen. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann ergänzte, er setze darauf, dass die EU-Kommission ihren Ermessensspielraum eng auslege. Die EU-Partner haben Hollande bereits zwei Jahre mehr Zeit gegeben, um das Defizit unter die erlaubte Obergrenze von drei Prozent zu drücken. Das soll nun bis Ende 2015 gelingen. Ist auch dieses Ziel in Gefahr, würde sich Frankreich weiteren Ärger mit der Europäischen Kommission einhandeln.
Doch der von Brüssel geforderte Sparkurs trifft im linken Flügel der Sozialistischen Partei Hollandes auf Widerstand. Dieser will als Konsequenz aus der Wahlniederlage die Wirtschaftsreformen aufgeben und auf die Erfüllung des EU-Defizitziels verzichten. Mit Arnaud Montebourg erhält nun ein prominenter Vertreter des linken Flügels mehr Kompetenzen im neuen Kabinett: Er wird Minister für Industrieförderung und Wirtschaft.