Wirtschaft

Streit um Stromsteuer belastet Regierungskoalition

In der Bundesregierung eskaliert der Streit um die Stromsteuer. Während Entlastungen versprochen waren, drohen sie nun auszubleiben – besonders für Privatverbraucher. CDU, CSU und SPD stehen sich unversöhnlich gegenüber. Bleibt die Stromsteuer eine Belastung für Mittelstand und Verbraucher?
30.06.2025 16:31
Lesezeit: 2 min

Koalitionsstreit um Stromsteuer wird zum Härtetest

Die Stromsteuer entwickelt sich zunehmend zum zentralen Streitpunkt innerhalb der schwarz-roten Koalition. Politiker von CDU und CSU forderten im Vorfeld des Treffens der Koalitionsspitzen am Mittwoch eine umfassende Senkung der Stromsteuer für sämtliche Verbraucher. CSU-Chef Markus Söder schlug zur Gegenfinanzierung Kürzungen bei Sozialleistungen vor. SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf reagierte darauf ungehalten und forderte Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) auf, "Störfeuer" aus den eigenen Reihen zu unterbinden.

Keine Stromsteuer-Entlastung für alle

CDU, CSU und SPD haben im Koalitionsvertrag festgehalten, dass zur Reduzierung der Energiekosten die Stromsteuer auf das EU-weite Mindestmaß gesenkt sowie Umlagen und Netzentgelte verringert werden sollen. Gleichzeitig steht im Vertrag der Satz: "Alle Maßnahmen des Koalitionsvertrages stehen unter Finanzierungsvorbehalt." Im aktuellen Haushaltsentwurf beschloss das Kabinett Entlastungen bei den Netzentgelten ab dem 1. Januar, außerdem die Abschaffung der Gasspeicherumlage für Gaskunden.

Hinsichtlich der Stromsteuer wurde entschieden, die Senkung für Industrie, Land- und Forstwirtschaft dauerhaft zu etablieren – eine generelle Reduzierung für alle Verbraucher war hingegen nicht mehr Thema. Bundesfinanzminister Lars Klingbeil (SPD) und Kanzler Merz (CDU) verwiesen auf begrenzte Haushaltsmittel. Aktuell liegt die Stromsteuer für Privatkunden bei 2,05 Cent pro Kilowattstunde (kWh), das EU-Minimum beträgt 0,1 Cent je kWh.

Trotz Finanzlücke in Milliardenhöhe: Union fordert umfassende Stromsteuer-Senkung

Die Fraktionschefs von CDU und CSU verlangten eine rasche Stromsteuer-Absenkung auf das EU-Mindestniveau – sowohl für Unternehmen als auch für Privathaushalte. In einem Papier, beschlossen bei ihrer Konferenz im rheinland-pfälzischen Bad Dürkheim, heißt es, weitere Schritte zur Stromsteuer-Entlastung müssten „zeitnah“ und „auf alle Fälle noch in dieser Legislaturperiode“ folgen – „sobald die finanziellen Spielräume dies zulassen“.

Das Problem: Zusätzliche Stromsteuer-Entlastungen würden erhebliche Mittel erfordern. Laut Bundesfinanzministerium würde eine flächendeckende Stromsteuer-Senkung im kommenden Jahr etwa 5,4 Milliarden Euro kosten.

Sparen beim Bürgergeld? SPD zeigt sich irritiert

"Es ist nicht nachvollziehbar, dass beim Bürgergeld Höchstausgaben toleriert werden, während Entlastungen bei der Stromsteuer hintenangestellt werden. Genau das muss im Koalitionsausschuss Thema sein", sagte Söder der Deutschen Presse-Agentur. Die Stromsteuer-Senkung für die Industrie sei ein Anfang. "Wir benötigen aber auch vollständige Entlastung für Mittelstand und Handwerk."

Klüssendorf kritisierte Söder gegenüber der dpa scharf: "Die Union macht genau das, was sie der Ampel stets vorwarf – sie untergräbt Einigkeit von außen." Er betonte, die SPD sei bereit, bei einer gesicherten Finanzierung zusätzliche Stromsteuer-Entlastungen mitzutragen. "Dazu müssten aber auch CDU und CSU eigene Prioritäten überdenken." SPD-Geschäftsführer Dirk Wiese warnte in den Zeitungen der Mediengruppe Bayern: "Die Union sollte nicht den Fehler machen, sich am früheren Ampel-Streitstil zu orientieren." Die frühere Ampelregierung aus SPD, Grünen und FDP war durch häufige öffentliche Konflikte aufgefallen.

Finanzministerium verteidigt Vorgehen – Kritik aus der Wirtschaft

Ein Sprecher des Finanzministeriums sagte, die Stromsteuer-Entlastung des produzierenden Gewerbes komme breit gefächert an. Auch kleinere Betriebe, Mittelstand und Handwerk würden profitieren. Bedingung sei ein Jahresverbrauch von 12,5 Megawattstunden oder eine Stromsteuerbelastung ab 250 Euro – eine niedrige Hürde. Wirtschaftsvertreter zeigten sich enttäuscht. Die Mehrheit der Betriebe bleibe ohne Stromsteuer-Entlastung, sagte Achim Dercks von der Deutschen Industrie- und Handelskammer der dpa. Kaufhäuser, Rechenzentren, Wäschereien oder Autohäuser würden nicht profitieren. "Wir brauchen eine Stromsteuer-Senkung für die gesamte Wirtschaft."

Zusätzlich müsse eine Entlastung bei der Stromsteuer beantragt werden. „Das lohnt sich erst bei hohem Verbrauch und ist erneut ein bürokratischer Aufwand“, so Dercks. „Wir brauchen einfachere und schnellere Strompreis-Entlastung für alle.“ Auch im Handwerk profitieren nur stromintensive Betriebe wie Bäckereien von der Stromsteuer-Senkung. Textilreiniger oder Kfz-Werkstätten bleiben außen vor.

Grüne kritisieren Hin und Her

Michael Kellner von den Grünen warf der Koalition Unsicherheit beim Thema Stromsteuer vor: „Schwarz-Rot verunsichert Menschen und Betriebe mit ihrem Hin und Her zur Stromsteuer. Am Mittwoch muss Klarheit her – mit Entlastung für alle.“ Zudem wandte er sich gegen Unionsforderungen, die Förderung für die Wärmewende zu drosseln.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Open Source: Warum Gemeinschaftsprojekte die Basis für Innovation bilden

Was einst als Nischenphänomen engagierter Entwickler begann, ist heute ein globales Innovationsökosystem, das von Freiwilligen,...

X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Technologie
Technologie Forscher enthüllt: Neue Perowskit-Solarzellen liefern 30 % mehr Energie als Silizium
23.10.2025

Perowskit-Solarzellen gelten als der nächste große Sprung in der Photovoltaik. Der slowenische Forscher Marko Jošt erklärt, warum sie...

DWN
Technologie
Technologie KI im Fokus: Wie Künstliche Intelligenz das Gesundheitswesen günstiger machen könnte
22.10.2025

Künstliche Intelligenz verändert das Gesundheitswesen und könnte Diagnosen schneller und kostengünstiger machen. Besonders in der...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Deutsche Industrie: Was hinter dem Misstrauen gegenüber der Merz-Regierung steckt
22.10.2025

Die deutsche Industrie steht vor einem Nervenzusammenbruch: Energiepreise, Bürokratie und globale Konkurrenz rauben ihr die Perspektive....

DWN
Finanzen
Finanzen US-Aktienmarkt: Warum die nächste Rekordrally näher ist als der Crash
22.10.2025

Nach den Kursstürzen an den Börsen herrscht Unruhe, doch die Panik bleibt aus. Während regionale US-Banken wanken und Investoren über...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Chipkrise durch Nexperia-Lieferstopp: VW warnt vor möglichen Engpässen
22.10.2025

Die Krise um den Chip-Zulieferer Nexperia spitzt sich zu. VW schließt kurzfristige Engpässe nicht mehr aus.

DWN
Immobilien
Immobilien Preisdynamik am Mietmarkt: Mietanstieg auf Immobilienportalen schwächt sich ab
22.10.2025

Die Nachfrage auf dem Wohnungsmarkt ist hoch, doch die Preisdynamik verlangsamt sich. Was ist die Ursache? Der Experte des Kiel Instituts...

DWN
Finanzen
Finanzen Goldpreis auf Rekordniveau: Warum Anleger jetzt vorsichtig sein sollten
22.10.2025

Der weltweite Goldhandel boomt wie nie zuvor. Doch hinter glänzenden Preisen lauern Risiken: Gold kann entweder Sicherheit oder Rendite...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Sanierungsfall Webasto: Rettungsplan für den Autozulieferer scheint in trockenen Tüchern
22.10.2025

Der Rettungsplan für den Automobilzulieferer Webasto steht: Der für seine Autodächer und Standheizungen bekannte Zulieferer hat seine...