Politik

Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels

Donald Trump bombardiert den Iran, erklärt die Waffenruhe – und feiert sich selbst als Friedensbringer. Experten warnen: Das ist erst der Anfang eines gefährlichen Spiels.
30.06.2025 14:23
Lesezeit: 5 min
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Trumps Schritte im Nahen Osten: Nur der Anfang eines riskanten Spiels
Trumps Team US-Außenminister Marco Rubio (l-r), US-Verteidigungsminister Pete Hegseth und der Sprecher des Repräsentantenhauses Mike Johnson macht riskante Schritte im Nahen Osten. (Foto: dpa) Foto: Mark Schiefelbein

Zwischen Zerstörung und Frieden: Nahost definiert Trumps Amtszeit

US-Präsident Donald Trump hat mit dem Befehl, Irans Atomanlagen zu bombardieren und sich Israels Luftangriffen anzuschließen, genau das getan, was er nie tun wollte: direkt in einen Krieg im Ausland eingreifen. Dabei verkündete Trump am Dienstag siegesgewiss, Israel und Iran hätten einem Waffenstillstand zugestimmt. Doch nur wenige Stunden später warf Israel dem Iran vor, die Vereinbarung bereits gebrochen zu haben. Experten sehen darin Trumps zweischneidige Nahost-Strategie: Ein Waffenstillstand könnte als außenpolitischer Erfolg gelten – doch das Hineinrutschen in einen neuen Konflikt könnte ihn dauerhaft binden.

Aus Sicht des Weißen Hauses sollte die Welt Trumps Rolle so bewerten: Er griff in den Krieg ein, bombardierte, und beendete ihn dann angeblich. Zwei Tage nachdem amerikanische Bomber Irans unterirdische Atomanlagen angegriffen hatten, verkündete Trump einen „umfassenden und endgültigen Waffenstillstand“ zwischen Israel und Iran. „Ich möchte beiden Seiten, Israel und Iran, zu ihrer Ausdauer, ihrem Mut und ihrem Verstand gratulieren, die diesen 12-Tage-Krieg beendet haben“, schrieb Trump auf seinem Netzwerk Truth Social.

Doch trotz dieser Botschaft bleiben drei zentrale Fragen: Funktioniert die Waffenruhe? Kommt ein Folgeabkommen zur Begrenzung von Irans Atomprogramm? Und wird der Nahe Osten nach dem Krieg tatsächlich stabiler? „Viele in Trumps Regierung wollen, dass Amerika sich vom Weltpolizisten verabschiedet oder zumindest die Ressourcen auf den Indopazifik konzentriert, um China einzudämmen. Ein dramatischer US-Eingriff mit anschließendem Waffenstillstand bedeutet noch lange keinen dauerhaften Frieden“, resümiert der Economist.

Trumps Show für die Weltöffentlichkeit

Donald Trump sieht das anders. „Ich glaube, der Waffenstillstand hat kein Ablaufdatum. Er wird ewig halten“, sagte Trump am Montagabend triumphierend gegenüber NBC News. Israel und Iran würden „nie wieder aufeinander schießen“. Angesichts der regionalen Dynamik zweifeln viele Experten an dieser Prognose. „Das ist eine kühne Aussage, zumal die Region häufig zum Friedhof für US-Präsidenten wird. Trotz aller Marketing-Tricks Trumps wird erst die Zukunft zeigen, ob das ein echter Durchbruch ist – oder nur Nebelkerzen“, kommentiert CNN-Analyst Stephen Collinson.

Für dauerhaften Frieden müsste Iran einem neuen Atomabkommen zustimmen. Trump selbst hatte das bisherige Abkommen während seiner ersten Amtszeit einseitig aufgekündigt. Ersten Berichten zufolge wurden Irans Nuklearanlagen in Isfahan, Natanz und Fordo schwer beschädigt – das volle Ausmaß ist noch unklar. „Aus Sicht der Nichtverbreitung von Atomwaffen war Trumps Schlag gegen Iran ein unüberlegter, verantwortungsloser Akt der Eskalation, der Iran langfristig näher an Atomwaffen heranbringen könnte“, erklärt Kelsey Davenport von der US-Rüstungskontrollvereinigung. Teheran habe vermutlich rechtzeitig waffenfähiges Uran an geheime Orte verlagert. Der Analyst Joseph Cirincione warnt: „Man kann Irans Wissen nicht zerstören. Sie können ihre Anlagen wieder aufbauen. Die große Frage ist, ob sie jetzt beschleunigt ein Atomwaffenprogramm anstoßen, bevor die USA oder Israel erneut zuschlagen.“

Die USA haben sich schon einmal in „endlose Kriege“ wie in Afghanistan und Irak verstrickt – Kriege, die Trump selbst als „dumm“ verspottete. Iran bleibt trotz geschwächter Streitkräfte fähig zu asymmetrischen Vergeltungsschlägen.

„Das wird kein schneller Konflikt“, prognostiziert Aaron David Miller, ehemaliger Nahost-Unterhändler für Demokraten und Republikaner.

Politische Folgen: Innen wie außen

Selbst wenn Irans Nuklearprogramm Jahre verzögert wird, bleibt die Bedrohung bestehen. „Militärische Aktionen werden Iran letztlich ermutigen, Atomwaffen als Schutzschild anzustreben. Die Bombenangriffe verzögern das Programm, aber sie stärken Teherans Entschlossenheit zur geheimen Wiederaufnahme“, warnt die Arms Control Association gegenüber der litauischen Wirtschaftszeitung Verslo Zinios. Für Trump birgt das politische Risiken. Sollte der Konflikt eskalieren, gilt seine Siegesfeier als gefährliche Illusion. Beruhigt sich die Lage, könnte er politisch profitieren – zumindest in seiner republikanischen Stammwählerschaft, die ihm den Bruch seines Anti-Kriegs-Versprechens bislang übel nahm. „Ein echter Frieden würde Trumps Amtszeit und Erbe prägen und seine außenpolitischen Misserfolge – etwa in der Ukraine – überstrahlen. Doch wird die Welt dem Chaos-Meister wirklich glauben, wenn er den blutigen Nahen Osten befriedet?“, fragt CNN-Analyst Collinson.

Auch Israels Politik ist instabil. Premier Netanjahu zögert mit einem Waffenstillstand gegen Hamas, sein Vorgehen gegen Iran wird als Ablenkung von innenpolitischen Skandalen gesehen – darunter seine Verantwortung für die Hamas-Angriffe am 7. Oktober 2023. Doch eine relative Beruhigung der Lage könnte Netanjahu innenpolitisch ebenfalls stärken. „Trumps Verhältnis zu Netanjahu bleibt spannend. Der US-Präsident sucht ständig nach Druckmitteln. Er könnte Israels neue Abhängigkeit nutzen, um Frieden in Gaza zu erzwingen“, sagt Collinson.

Das jüngste Trump-Drama endet bald – doch die nächste Eskalation kommt bestimmt.

Trumps erste Amtszeit verlief außenpolitisch ruhig. Sechs Monate nach Beginn seiner zweiten Amtszeit steckt er mitten in einer internationalen Krise. Obwohl Trump auf ein begrenztes, kurzfristiges US-Engagement hofft, zeigen die Erfahrungen: Solche Konflikte haben für US-Präsidenten oft unvorhersehbare Folgen. „Trumps Motto ‚Frieden durch Stärke‘ wird auf die härteste Probe gestellt – gerade mit einer neuen militärischen Front“, heißt es. Seine Versprechen, die Kriege in Gaza und der Ukraine rasch zu beenden, sind gescheitert.

„Trump ist zurück im Kriegsgeschäft. Glaubte in Moskau, Teheran oder Peking wirklich jemand, dass er ein Friedensstifter ist? Es wirkte immer mehr wie ein Wahlkampfslogan als Strategie“, sagt Richard Gowan vom International Crisis Group.

Der ehemalige Obama-Berater Eddie Fishman analysiert: „Trump glaubt, entschlossene Machtausübung – wirtschaftlich oder militärisch – erzwingt maximalistische Ziele. Er vertraut darauf, dass Amerikas Übermacht reicht, um andere einzuschüchtern.“ Politico sieht darin ein Muster:

  • Trump blufft nicht bei militärischer Gewalt, selbst extremen Maßnahmen gegenüber.
  • Er glaubt an Diplomatie – aber ohne Geduld, besonders gegenüber Schwächeren.
  • Seine Drohungen werden Realität: „Wenn Trump sagt, er entscheidet binnen zwei Wochen über Bombenangriffe, sollten Sie besser jetzt Schutz suchen“, warnt Politico-Analystin Nahal Toosi.

Fokuswechsel: Auswirkungen auf Russland und Europa

Ein geschwächter Iran trifft Moskaus Verbündeten. Zugleich profitieren russische Ölexporte von der Nahost-Krise. Der Konfliktverlauf entscheidet, wie sehr Putins Kriegskasse gefüllt wird. Analyst Ihar Tyschkevich erwartet, dass die Raketenangriffe zwischen Israel und Iran das Medienthema Nr. 1 werden – die Ukraine gerät ins Abseits. „Der größte Effekt für Russland und die Ukraine ist der Fokuswechsel der Weltöffentlichkeit auf den Nahen Osten – inklusive Trumps Regierung“, sagt Jenny Mathers von der Universität Aberystwyth.

Doch nicht alle Analysten teilen diese Sicht: „Die Sorge, dass ein Nahost-Krieg die Ukraine verdrängt, ist überholt. Seit dem Amtsantritt des 47. US-Präsidenten erleben wir eine klar feindselige Haltung gegenüber Kiew“, so Ukrinform. Die Ukraine verteidigt ihre Front mit Hilfe europäischer Verbündeter. Der Nahost-Krieg bietet Trump eine willkommene Ausrede, sein Versprechen, den Ukraine-Krieg binnen 24 Stunden zu lösen, aufzugeben. Sanktionen gegen Russland und Militärhilfe für die Ukraine rücken in den Hintergrund, während Washington sich in den Nahost-Konflikt verstrickt.

Was wirklich hinter dem Waffenstillstand steckt

Für Deutschland als NATO-Mitglied und wirtschaftlichen Partner im Nahen Osten ist Trumps Eskalation ein geopolitisches Risiko. Steigende Ölpreise, neue Flüchtlingsbewegungen und ein möglicher transatlantischer Fokusverlust auf die Ukraine bedrohen europäische Stabilität. Deutschlands Abhängigkeit von Energieimporten und politischer Berechenbarkeit macht solche Konflikte besonders gefährlich.

Trumps Nahost-Abenteuer bleibt brandgefährlich – sein Versprechen von „Frieden durch Stärke“ könnte schnell in Chaos umschlagen. Europa und Deutschland müssen vorbereitet sein.

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Marius Vaitiekūnas

Zum Autor:

Marius Vaitiekūnas ist ein ausgewiesener Experte für Geopolitik und internationale Wirtschaftsverflechtungen. Geboren 1985 in Kaunas, Litauen, schreibt er als freier Autor regelmäßig für verschiedene europäische Medien über die geopolitischen Auswirkungen internationaler Konflikte, wirtschaftlicher Machtverschiebungen und sicherheitspolitischer Entwicklungen. Seine inhaltlichen Schwerpunkte sind die globale Energiepolitik und die sicherheitspolitischen Dynamiken im osteuropäischen Raum.

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