Knapp zwei Monaten nach den tödlichen Schüssen auf dem Maidan, häufen sich Hinweise, die an der offiziellen Version der Übergangsregierung zweifeln lassen.
Vor einer Woche sind zwölf Mitglieder der inzwischen aufgelösten Berkut-Bereitschaftspolizei wegen des Verdachts auf Massenmord verhaftet worden (mehr hier). „Die Polizisten wurden für Sondereinsätze trainiert, zu denen auch die Tötung von Menschen gehört“, so der Sprecher der Generalstaatsanwaltschaft über die Verhaftungen. „Sie wurden direkt vom Präsidialamt überwacht.“
Doch Ermittler zweifeln an der Version der Staatsanwaltschaft. Es sei unwahrscheinlich, dass die Schüsse ausschließlich von Seiten Janukowitschs ausgingen.
„Meine Untersuchungsergebnisse stimmen nicht mit dem überein, was die Staatsanwaltschaft in der Pressekonferenz erklärt hat“. So ein an den Untersuchungen beteiligtes hochrangiges Mitglied des Ermittler-Teams der ukrainischen Übergangsregierung zum WDR über die Vorgänge am blutigen 20. Februar.
Ein Funkverkehr zwischen Scharfschützen, die Janukowitsch zuzurechnen ist, wurde von einem Amateur-Funker mitgeschnitten. Die Männer waren auf verschiedenen Dächern im Zentrum von Kiew positioniert. Darauf ist zu hören, wie ein Scharfschütze einen anderen über Funk fragt: „Wer hat da geschossen? Unsere Leute schießen nicht auf Unbewaffnete.“ Kurze Zeit später antwortet ein anderer: „Den hat jemand erschossen. Aber nicht wir.“ Dann fügt er hinzu: „Gibt es da noch mehr Scharfschützen? Und wer sind die?“. Das berichtet die ARD.
Auf Videos sei zudem zu erkennen, dass Demonstranten auch vom Hotel Ukraina beschossen wurde. Ein Zeuge sagt im Interview mit dem WDR: „Wir wurden von vorn beschossen und auch von hinten, etwa aus der achten oder neunten Etage des Hotels Ukraina. Das waren auf jeden Fall Profis.“ Im Hotel waren Journalisten aus aller Welt untergebracht. Am Morgen des 20. Februar wurde der Eingang von Oppositionellen streng bewacht.
Die Generalstaatsanwaltschaft wird auch von Anwälten der Angehörigen und Verwundeten angegriffen. Sie hätten keinerlei Zugang zu den Ermittlungen. „Wir haben nicht gesagt bekommen, welcher Typ Waffen verwendet wurde, wir bekommen keinen Zugang zu den Gutachten, wir bekommen die Einsatzpläne nicht. Die anderen Ermittlungsdokumente haben wir auch nicht. Wir können gar nicht sagen, was aus Sicht der Staatsanwaltschaft eigentlich passiert ist“, zitiert sie die ARD.
Die EU hatte bereits am 26. Februar glaubwürdige Informationen, dass die Heckenschützen am Maidan nicht im Auftrag des gestürzten Präsidenten Viktor Janukowitsch, sondern im Auftrag einer Gruppe gehandelt haben sollen, die der neuen Koalitionsregierung angehören (hier).
In einem abgehörten Telefonat zwischen EU-Außenbeauftragte Catherine Asthon und dem Außenminister von Estland, Urmas Paet, sagt dieser, dass hinter den Scharfschützen vom Maidan „jemand aus der neuen Koalition“ steht.
Paet spricht auch von einem Gespräch mit einer Ärztin, welche die Verletzten vom Maidan behandelte. Sie soll gesagt haben, dass Regierungs-Gegner und Polizisten von den gleichen Leuten erschossen wurden (hier).
Mehr als 100 Menschen kamen bei den Protesten auf dem Maidan ums Leben. Viele wurden von Scharfschützen erschossen.