Rentenreform? Keine Generationengerechtigkeit in Sicht
Bis zum Jahr 2031 sollen die Renten in Deutschland mit fast 50 Milliarden Euro Steuergeldern gerecht und stabil gehalten werden. Das wurde jüngst von der Regierung als Rentenpaket verabschiedet. Rentenexperten schlagen jedoch Alarm, denn die Maßnahme geht ausschließlich zu Lasten der jungen und arbeitenden Generationen, die dadurch massiv finanziell belastet werden. Auch steht das Rentenpaket massiv in der Kritik, weil es keinerlei strukturelle Reformen beinhaltet, die auf Dauer das Rentenproblem in Deutschland lösen könnten.
Trotz der schwierigen Finanzlage des Bundeshaushalts und eines ebenso schwachen Wirtschaftswachstums soll die Rente durch zusätzliche Finanzmittel gesichert werden, die die Steuerzahler weiter stark belasten werden. Eine grundlegende und durchdachte Rentenreform, die das demografische Problem in Deutschland lösen könnte, bleibt also aus.
Durch das Rentenpaket soll das Rentenniveau bis 2031 auf 48 Prozent des Durchschnittseinkommens festgeschrieben werden. Diese „Haltelinie“ soll garantieren, dass die Renten nicht langsamer als die Löhne steigen. Ohne den Milliardenzuschuss könnte das Rentenniveau bis 2031 auf 47 Prozent und bis 2040 sogar bis auf 45 Prozent absinken. Ferner ist auch eine Anhebung der Mütterrente geplant. Demnach sollen demnächst drei statt bisher zweieinhalb Erziehungsjahre bei der Rente angerechnet werden. Das bedeutet 20 Euro mehr Rente pro Kind. Die Maßnahme allein kostet ab 2027 dann 5 Milliarden Euro jährlich – stolze 25 Milliarden bis 2031. Für die Haltelinie des normalen Rentenniveaus kommen ganze 23,9 Milliarden für diesen Zeitraum hinzu. Das alles muss aus zusätzlichen Steuergeldern finanziert werden, bei aktuellen Hausplänen des Finanzministeriums, in denen bis 2027 noch 170 Milliarden Euro fehlen. Bis 2029 sollen die Ausgaben für die Rente inklusive der Ausgaben für die Krankenversicherung der Rentner von diesjährig 394,4 Milliarden Euro auf 476,3 Milliarden Euro steigen.
Massive Kritik von Wirtschaftsexperten am Rentenpaket der Regierung
Professor Christian Hagist von der Otto Beisheim School of Management warnte bereits in einer Stellungsnahme bei der Bild-Zeitung davor, in diesem Szenario zukünftig bis zu 28 Prozent der Bundessteuereinnahmen in die Umlage für die gesetzliche Rentenversicherung fließen werden. Er sprach in diesem Zusammenhang von „kurzsichtiger Klientelpolitik“ für die ältere Generation. Ebenfalls scharf kritisiert wird wird das Vorgehen gegenüber Bild auch von Axel Börsch-Supan von der Max-Planck-Gesellschaft. Für ihn steht das Rentenpaket in einem massiven Widerspruch zu all den Ankündigungen, die Bundeskanzler Merz vor der Wahl in Bezug auf echte Strukturreformen versprochen hat.
Die Friedrich-Naumann-Stiftung sieht in der Vorgehensweise sogar einen sehr gefährlichen Weg, der sich in den kommenden Jahren schwer rächen wird. Für jedes Jahr, das ohne echte Reformen bei der Rente verstreichen wird und zusätzliche finanzielle Belastungen schafft, verkürzt sich der Zeithorizont, in dem noch innovative, strukturelle Lösungen möglich sind, wie beispielsweise der Aufbau einer Aktienrente. Echte Strukturreformen brauchen Zeit, um ihre Wirkung entfalten zu können und dabei wird die Zeit immer knapper für die Umsetzung. Das gilt nach Ausführungen der Stiftung auch für eine längere Lebensarbeitszeit, mit der längeren Lebenserwartung und der Schrumpfung der Erwerbsbevölkerung Rechnung getragen werden könnte. Die Stiftung bezeichnete es als Skandal, dass dies im Bundestag praktisch kaum thematisiert wird.
Keine Rentenreform: Ältere Wähler sollen nicht verschreckt werden
Wie der Nordkurier weiter analysierte, zeigt das Rentenpaket auch auf, dass sich die Bundesregierung anscheinend vor einer nachhaltigen Lösung für das Rentenproblem drückt. Die neuen Rentengeschenke müssen ganz überwiegend von den jüngeren, arbeitenden Generationen erwirtschaftet werden, die bereits stark belastet sind durch immer höhere Sozialabgaben und Steuern. Entlastungen sind hier nicht in Sicht. Eine wirkliche Rentenreform, die auch Rentner mit in die Pflicht nehmen würde ist für die Politik heikel. Denn über 40 Prozent der Wahlberechtigten in Deutschland sind bereits im Rentenalter oder kommen sehr bald hinein. Maßnahmen, die sie ebenfalls mittragen müssten, könnten für viel Ärger sorgen.
Das Problem wird seit Jahrzehnten von der Politik nach hinten geschoben
Die Problematik des umlagefinanzierten Rentensystems ist seit langem bekannt, denn die demografischen Entwicklungen in Deutschland sind seit Jahrzehnten kein Geheimnis. Dass immer weniger Junge Menschen die Rente für immer mehr Ältere bezahlen können, ist ausgeschlossen. Um einen echten Umbau des Rentensystems wird Deutschland also sowieso nicht herumkommen – er wird nur weiter verzögert.
Wie auch die Friedrich-Naumann-Stiftung ankreidete, hat es gerade vor Kurzem hierzu auch noch zwei neuere Gutachten von Rentenfachleuten gegeben, die ein weiteres Mal die umfangreichen Herausforderungen in ihrem Ausmaß klar benannt haben. Die Gutachten vom Mitglied des Sachverständigenrates Martin Werding und dem ifo-Institut im Auftrag der Stiftung legen das ganze Ausmaß der bevorstehenden Herausforderungen überzeugend dar. Die Stiftung machte nochmals klar, dass es fast kein anderes zentrales politisches Problem der kommenden Jahrzehnte gibt, das so gut erforscht und prognostiziert ist wie die Finanzierung der Renten. Das liegt daran, dass demografische Entwicklungen sehr gut vorausschaubar sind und in ihrem Trend nur sehr träge reagieren.
Arbeitnehmer immer stärker belastet
Die Auswirkungen der politischen Untätigkeit bei der echten Rentenreform werden die Arbeitnehmer unmittelbar zu spüren bekommen. Soll soll der Rentenbeitragssatz ab 2027 von aktuell 18,6 auf 18,8 Prozent erhöht werden. Die höheren Beitrage teilen sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer wie bisher. Ab 2028 soll der Beitragssatz dann sogar auf 20,0 Prozent steigen, also 10,0 Prozent für die Arbeitnehmer. Ab 2031 rechnet die Bundesregierung mit 20,3 Prozent, ab 2035 mit 21,2 Prozent und ab 2040 mit ganzen 21,4 Prozent des Bruttolohns als Rentenbeitrag.
Außerdem sollen auch die Rücklagen der Rentenversicherung von derzeit 20 Prozent ihrer monatlichen Ausgabe auf 30 Prozent aufgestockt werden. Um dies zu ermöglichen, muss eventuell eine einmalige Sonderabgabe in Form eines höheren Beitragssatzes für ein Jahr erhoben werden. Die Erhöhung des Beitragssatzes für ein Jahr wird aber nur dann durchgeführt, wenn man absehen kann, dass die Rücklage unter die Mindestgrenze von 30 Prozent rutscht. Das ist aktuell nicht absehbar, denn die Rentenversicherung hatte Ende Juni diesen Jahres eine Nachhaltigkeitsrücklage in Höhe von 1,38 Monatsausgaben. Übersteigt diese Rücklage den Wert 1,5 Monatsausgaben, müssen sogar Beiträge wieder gesenkt werden.