Finanzen

Ölpreis fällt wegen Überangebots: Markt sieht den Ölpreis bei 50 US-Dollar pro Barrel

Die OPEC-Staaten drehen den Ölhahn wieder auf und der Ölpreis droht sich zu halbieren. Saudi-Arabien kämpft um Marktanteile, während Analysten ein Überangebot erwarten. Doch geopolitische Risiken und die Ukraine-Krise könnten die Preisentwicklung erneut kippen.
13.10.2025 13:30
Lesezeit: 4 min
Ölpreis fällt wegen Überangebots: Markt sieht den Ölpreis bei 50 US-Dollar pro Barrel
Saudi-Arabien spielt riskant und setzt den Ölpreis dafür ein. (Foto: dpa) Foto: Jerod Foster

Ölpreis fällt: OPEC kehrt zur Förderausweitung zurück

Auf dem Ölmarkt wird ein Rohölüberangebot erwartet, nachdem die OPEC-Staaten (insbesondere Saudi-Arabien) zur Förderung zurückkehren, auf die sie zuvor freiwillig verzichtet hatten, um den Ölpreis anzuheben. Nun ändert sich die Lage drastisch: Statt der im Vorjahr von Riad angestrebten 100 US-Dollar pro Barrel wird Anfang kommenden Jahres ein Ölpreis von rund 50 US-Dollar erwartet.

In der vergangenen Woche stiegen die globalen Ölpreise deutlich. Die Nordseesorte Brent verteuerte sich in der Handelswoche ab dem 22. September von 66,57 auf 70,13 US-Dollar pro Barrel. Es war der höchste Handelsschlusskurs seit Juli, wie Bjarne Schieldrop, Chefrohstoffanalyst der SEB Bank, berichtet. Anleger führten den Anstieg auf das russische Exportverbot für Erdölprodukte, Störungen wie den Ausfall des kurdischen Exports über die Türkei und auf eine solide Nachfrage zunächst in China und danach in den USA zurück. Beobachter verweisen zudem auf technische Faktoren, da sich der November-Kontrakt seinem Ende näherte. John Kemp, früherer Rohstoffanalyst bei Reuters, kommentierte auf der Plattform X, die Brent-Futures für November 2025 zeigten kurz vor Laufzeitende Anzeichen einer Preisverengung. „Dadurch sind die Berichtspreise gestiegen, selbst während OPEC+ die Produktion ausweitet“, schrieb Kemp.

Bemerkenswert ist, dass Investoren trotz erwarteter Überproduktion zum Jahresende verstärkt November-Kontrakte zu aktuellen Preisen kauften. „Der Preisunterschied zwischen November- und Dezember-Kontrakten stieg am 29. September auf fast 1 US-Dollar pro Barrel, verglichen mit nur 0,28 US-Dollar am 9. September, obwohl die meisten Analysten im vierten Quartal ein Angebotsüberhang am Ölmarkt erwarten“, so Kemp.

OPEC-Entscheidung und Richtungswechsel in Riad

Bereits am 29. September drehten die Ölpreise wieder nach unten. Brent notierte am 30. September bei 67,21 US-Dollar pro Barrel. Nach der Entspannung einiger geopolitischer Spannungen geriet der Markt erneut unter Druck, da Händler mit Spannung die virtuelle OPEC+-Sitzung am Freitag erwarteten. Vertreter der acht wichtigsten Mitgliedsstaaten wollten per Videokonferenz über die Förderquoten für November entscheiden. Beobachter rechneten mit einer weiteren Erhöhung um 137.000 Barrel pro Tag, also genau wie im Vormonat.

Zum Vergleich: Die weltweite Ölnachfrage lag laut Internationaler Energieagentur (IEA) im Jahr 2024 bei durchschnittlich 101,7 Millionen Barrel pro Tag. Auffällig ist, dass die Schätzungen der drei großen Marktbeobachter (der IEA, der OPEC und der US-Energieinformationsbehörde (EIA)) oft deutlich voneinander abweichen.

All dies deutet auf eine grundlegende Kehrtwende in der OPEC-Politik im Vergleich zum Vorjahr hin. In den letzten Jahren hatte das Kartell die Produktion, insbesondere in den Mitgliedsstaaten, gesenkt. Laut der EIA ging die saudi-arabische Förderung 2024 um 7 Prozent zurück, nach einem Rückgang um 9 Prozent im Jahr 2023. Auch Kuwait und Algerien reduzierten ihre Förderung um 7 Prozent, ebenso die Vereinigten Arabischen Emirate und Kasachstan. In Russland sank die Förderung um 3 Prozent.

Das Kartell hatte damit versucht, den Ölpreis zu stützen. In Medienberichten hieß es mehrfach, Riad habe Wege gesucht, den Ölpreis auf 100 US-Dollar pro Barrel zu bringen. Zu diesem Zweck reduzierten Saudi-Arabien und andere Golfstaaten seit November 2022 ihre Förderung zunächst um 2 Millionen Barrel pro Tag, im Mai 2023 um weitere 1,65 Millionen Barrel. Im August 2023 kündigten Saudi-Arabien und Russland eine zusätzliche Kürzung um 1,5 Millionen Barrel an. Im November 2023 einigten sich acht OPEC-Staaten auf eine weitere Reduzierung um 0,7 Millionen Barrel pro Tag ab 2024. Diese Maßnahme wurde bis Anfang 2025 verlängert.

Kampf um Marktanteile und globale Preisprognosen

Der gewünschte Anstieg des Ölpreises blieb aus. Der Grund war die wachsende Produktion in großen Nicht-OPEC-Staaten. In den USA, Kanada und Nigeria nahm die Fördermenge 2024 um jeweils 4 Prozent zu, in China und Katar um 2 Prozent. Der nicht durch OPEC-Quoten begrenzte Iran steigerte seine Förderung um 12 Prozent, also ein Plus von 36 Prozent seit 2019. Bereits Ende des vergangenen Jahres deutete sich an, dass Saudi-Arabien eine Phase niedrigerer Ölpreise akzeptieren würde. Das Königreich, das zu den Ländern mit den niedrigsten Förderkosten weltweit gehört, begann, aggressiv um Marktanteile zu kämpfen. „Die Gruppe mag hohe Preise, aber derzeit geht es ihr vor allem um Marktanteile“, erklärt SEB-Analyst Schieldrop.

In den vergangenen Monaten erhöhte das von Saudi-Arabien geführte Bündnis die Förderquote um 2,2 Millionen Barrel pro Tag, ohne umfassende Abstimmung mit anderen Marktteilnehmern. Der befürchtete Preissturz blieb jedoch aus, da China die zurückkehrenden Mengen aufkaufte, um seine strategischen Reserven aufzufüllen. Zudem werden nicht alle geplanten Quotensteigerungen tatsächlich umgesetzt, da manche Produzenten die Ausweitung technisch nicht so schnell realisieren können. Nun plant die Gruppe, weitere 1,66 Millionen Barrel pro Tag schrittweise in den Markt zurückzuführen. „Die Gruppe verfolgt klar eine Marktanteilsstrategie“, zitiert Bloomberg Kim Fustier, leitende Öl- und Gasanalystin bei HSBC. „Wir bezweifeln, dass OPEC+ nachgeben wird. Es sei denn, der Ölpreis fällt deutlich.“

Dennoch rechnen Analysten mit weiter sinkenden Preisen. „Wir erwarten, dass der Brent-Ölpreis in den kommenden Monaten deutlich zurückgeht: von 68 US-Dollar im August auf durchschnittlich 59 US-Dollar im vierten Quartal 2025 und etwa 50 US-Dollar Anfang 2026“, heißt es in einem im September veröffentlichten EIA-Bericht. Niedrige Preise könnten jedoch mittelfristig die Förderung bremsen, was ab Ende 2026 zu einer Stabilisierung führen dürfte. „Wir prognostizieren für das nächste Jahr einen durchschnittlichen Brent-Preis von 51 US-Dollar pro Barrel“, so die EIA.

Eine zusätzliche geopolitische Komponente bildet die seit August laufende ukrainische Angriffskampagne gegen russische Raffinerien. Laut Marktanalysten dürfte sie die Rohölmärkte zweifach beeinflussen. Die Angriffe zwangen Russland, den Export von Ölprodukten (insbesondere Diesel) bis Jahresende stark einzuschränken. „Die Ukraine hat offenbar einen effektiven Weg gefunden, Russland zu treffen und wird ihre Strategie fortsetzen“, so Schieldrop. Die Situation im russischen Raffineriesektor werde sich daher „wahrscheinlich weiter verschlechtern“. Ein vollständiges Exportverbot russischer Ölprodukte könnte zu Rationierungen im Inland führen, wovon die verbleibenden Raffinerien mit hohen Gewinnmargen profitieren würden.

Das wiederum hätte zweifache Auswirkungen auf den globalen Ölpreis: Einerseits würde Russland mehr unverarbeitetes Rohöl exportieren, was das Angebot erhöht. Andererseits würden die hohen Raffineriemargen die Nachfrage nach Rohöl ankurbeln – was den Ölpreis stabilisieren könnte.

Der Ölpreis bleibt politisch

Für Deutschland ist die Entwicklung des Ölpreises doppelt relevant. Zum einen droht bei einem Überangebot und sinkenden Preisen eine Entwertung der Energieimporte, die den Markt für erneuerbare Energien wirtschaftlich schwächt. Zum anderen wächst die geopolitische Abhängigkeit Europas von OPEC-Entscheidungen und US-Energieexporten erneut. Während Saudi-Arabien versucht, durch Produktionsausweitung seinen globalen Einfluss zu sichern, riskiert die EU eine Verschiebung ihrer energiepolitischen Balance – weg von Klimazielen, hin zu Preisstabilität. Für die deutsche Industrie bedeutet das kurzfristig Entlastung bei den Energiekosten, langfristig jedoch strategische Unsicherheit.

Der globale Ölpreis ist längst mehr als ein Marktindikator. Er spiegelt Machtkämpfe zwischen OPEC-Staaten, den USA, China und Russland wider. Während Förderentscheidungen kurzfristige Preisschwankungen auslösen, zeigen die strategischen Entwicklungen eine strukturelle Verschiebung: Riad strebt nicht mehr maximale Preise, sondern maximale Kontrolle über Marktanteile an. Das kommende Jahr dürfte daher von einem niedrigen, aber hochpolitischen Ölpreis geprägt sein.

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