Unternehmen

Genmais-Verbot: Gefährliche Täuschungs-Manöver zugunsten der Saatgut-Konzerne

Lesezeit: 2 min
16.06.2014 00:56
Die neue Genmais-Regelung beinhaltet zu viele juristische Schlupflöcher, warnen Kritiker. Der Vorschlag, einzelne Staaten könnten eine Ausnahme-Genehmigung beantragen, kann Klagen der Gentechnik-Unternehmen provozieren. Die nationalen Anbauverbote würden dann über juristische Tricks ausgehebelt.
Genmais-Verbot: Gefährliche Täuschungs-Manöver zugunsten der Saatgut-Konzerne

Mehr zum Thema:  
Europa >
Benachrichtigung über neue Artikel:  
Europa  

Die von den europäischen Umweltministern beschlossene Neuregelung zum Anbau von Genpflanzen enthält vor allem Ausnahmen. Diese können den Gentechnik-Konzernen den Marsch nach Europa noch vereinfachen.

Die Kommission spricht sich seit Beginn für den Anbau von genetisch veränderten Pflanzen aus. Doch der Agrar-Ministerrat konnte sich im Februar nicht auf den Entwurf einigen (mehr hier).

Mit der nun beschlossenen Regelung können einzelne Regierungen ein nationales Anbau-Verbot aussprechen. Der Vorschlag sieht vor, dass nach der der Prüfung durch die europäische Aufsichtsbehörde EFSA aber vor der EU-Zulassung ein Mitgliedsland einen Saatguthersteller wie Dupont, Bayer, BASF und Monsanto dazu auffordern kann, das Land von der Zulassung auszunehmen. Das geschieht, ohne dass Gründe genannt werden müssen.

Sollten die Saatgutkonzerne auf diesen Vorschlag nicht eingehen, kann das Land nach der Zulassung bei der EU „für das gesamte Land oder Teile des betreffenden Landes“ ein Anbauverbot beantragen. Hier müssen Gründe genannt werden (mehr hier). Ob hier gesundheitliche oder Umwelt-Bedenken vor Gericht als Begründung ausreichen, ist unklar.

Doch Kritiker warnen vor juristischen Schlupflöchern. Denn das betroffene Unternehmen kann ebenfalls gegen das nationale Verbot klagen. Der Genmais werde sich so durch die Hintertür in Europa durchsetzen, so die Befürchtung.

„Der Preis für nationale Anbauverbote ist hoch: Für ein „Nein“ zur Gentechnik im eigenen Land muss ein Mitgliedstaat mit „Ja“ für die Zulassung von Gentech-Pflanzen in der Europäischen Union stimmen. Und auch der Weg zum „Nein“ ist problematisch: Für jede einzelne Gentech-Pflanze, die ein Land verbieten will, muss es zunächst bei Monsanto, Pioneer, Syngenta und Co. um Einverständnis für ein Verbot bitten. Lehnt der Gentech-Konzern ab, muss der EU-Staat etwa allgemeine umweltpolitische Ziele oder sozioökonomische Aspekte anführen, um ein Verbot zu rechtfertigen. Ob diese Argumente möglichen Klagen standhalten, ist ungewiss“, warnt der BUND.

Als „dreistes Täuschungsmanöver“ bezeichnete Grünen-Abgeordneter Harald Ebner die Entscheidung: „Das führt zu mehr Anbauzulassungen und damit zu mehr Gentechnik in Europa und Deutschland“. Das Verschieben der Entscheidungen über die Zulassung von GVO auf die nationale Ebene werde die EU-Mitgliedstaaten zu Bittstellern der Industrie degradieren, wenn diese keine Zulassung erteilen wollen. Ebner unterstellte die Undurchführbarkeit eines Anbauverbotes auf Grundlage des Koalitionsantrags, der ein „Geflecht juristischer Fallstricke“ zur Folge hätte, „bei denen niemand vorhersagen kann, ob das Instrument überhaupt funktioniert“, so der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages.

„Die deutsche Umweltministerin Barbara Hendricks irrt, wenn sie annimmt, dass nun Rechtssicherheit herrscht. Die EU-Mitgliedstaaten, die keine Gentec-Pflanzen anbauen wollen, werden sich nicht nur vor der Kommission, sondern de facto auch vor den Konzernen erklären müssen. Auch ist nicht geklärt, wie der Handel von GVO zwischen den Mitgliedstaaten zukünftig kontrolliert werden kann. Zudem wissen wir alle, dass die Welthandelsorganisation WTO den europäischen Flickenteppich scharf kritisieren wird“, so der grüne EU-Abgeordnete Marin Häusling.

Die Rechtssicherheit sieht auch Naturbund-Chef Leif Miller nicht: „Der Vorschlag würde Klagen der Gentechnik-Unternehmen provozieren und die nationalen Anbauverbote damit kippen“. Ein Zulassungsverfahren für Gentechnik-Produkte auf EU-Ebene werde auf diesem Weg viel mehr beschleunigt, heißt es in einer Erklärung.

Eine Sache, die nicht mit juristischen Schritten zu verhindern ist, ist der Pollenflug im Grenzgebiet zwischen Staaten, die Gentechnik zulassen und jenen, die es verbieten. Die Pollen von Monsanto-Mais haben im vergangenen Jahr den Honig von bayrischen Imkern verunreinigt. Daher wurde dem Honig die Zulassung verwehrt - ohne die geringste Schuld der Imker. Selbst beim Verschenken des Honigs würden sich die Imker strafbar machen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte entschieden: Die Bienen müssen von den Monsanto-Feldern ferngehalten werden. (mehr hier).

 


Mehr zum Thema:  
Europa >

Anzeige
DWN
Panorama
Panorama Kostenloses Experten-Webinar: Die Zukunft der personalisierten Medizin aus der Cloud - und wie Sie davon profitieren

Eine individuelle Behandlung für jeden einzelnen Menschen - dieser Traum könnte nun Wirklichkeit werden. Bei der personalisierten Medizin...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft LNG: EU-Sanktionen bedrohen Russlands Energiegeschäfte
07.05.2024

Russland steht vor möglichen schmerzhaften EU-Sanktionen im Zusammenhang mit seinen Geschäften im Bereich Flüssigerdgas (LNG). Die...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Freie Lehrstellen erreichen kritisches Niveau: Was Unternehmen jetzt tun müssen
07.05.2024

Der Lehrstellenmangel verschärft sich: Demografischer Wandel und veränderte Berufspräferenzen der Generation Z führen zu einem...

DWN
Politik
Politik Erbschaftssteuer: Droht durch Klage Bayerns ein Wettbewerb der Länder beim Steuersatz?
07.05.2024

In Karlsruhe wird es diesen Sommer mal wieder um den Dauerbrenner Erbschaftssteuer gehen. Schon zweimal hat das Verfassungsgericht von der...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Investitionsschreck Deutschland: Internationale Investoren meiden deutsche Projekte
07.05.2024

Ausländische Unternehmen haben im vergangenen Jahr immer weniger in Deutschland investiert. Die Anzahl der Projekte ausländischer...

DWN
Weltwirtschaft
Weltwirtschaft Nachlassende Nachfrage: Deutsche Industrie verzeichnet erneut weniger Aufträge
07.05.2024

Trotz einer vielversprechenden Entwicklung im März kämpfen Deutschlands Exporteure nach wie vor mit erheblichen Schwierigkeiten.

DWN
Finanzen
Finanzen Der DWN-Marktreport: US-Arbeitsmarktdaten lassen erneut Zinssenkungsfantasie aufkommen
07.05.2024

Die internationalen Finanz- und Rohstoffmärkte verbleiben im Spannungsfeld wechselnder Indikatoren hinsichtlich des zukünftigen Zinspfads...

DWN
Politik
Politik Israels Armee nähert sich dem Grenzübergang von Rafah
07.05.2024

Israels Regierung bleibt bei der geplanten umfangreichen Offensive gegen Rafah bestehen, während die Hamas einer Waffenruhe zustimmt -...

DWN
Immobilien
Immobilien Gesundheitsimmobilien: Investmentmarkt stolpert – wie sieht die Pipeline weiter aus?
07.05.2024

Nach robustem Transaktionsvolumen in den vergangenen Jahren herrschte auf dem Investmentmarkt für Pflegeheime, Seniorenimmobilien und...