Die Koordinierung der Wirtschaftspolitik in Rahmen des sogenannten Europäischen Semesters funktioniert nicht. Die Mitgliedstaaten ignorieren die Reformvorschläge aus Brüssel.
Das Europäische Semester ist ein fester Ablauf zur Koordinierung der Wirtschaftspolitik. Zunächst erstellt die EU-Kommission zum Jahresanfang einen Bericht zur wirtschaftlichen Lage in den Mitgliedstaaten. Anschließend einigen sich die Mitgliedstaaten auf die wichtigsten zu ergreifenden Maßnahmen.
Bis April müssen dann wiederum die einzelnen Mitgliedstaaten ihre nationalen Haushalte vorlegen. Die darauf basierenden Empfehlungen der Kommission werden anschließend von den Mitgliedsstaaten abgesegnet.
Laut Giegold eröffnet das Europäische Semester die Chance, vor allem Armutsbekämpfung, Klimaschutz und Bildungsqualität voranzubringen. Es sei ein wichtiger Schauplatz, um „gegen die einseitig auf Sparen ausgerichtete Krisenpolitik vorzugehen“.
Doch die Auswertung der Tabellen zur Reformevaluierung der Kommission zeigen „mehr Schatten als Licht“, so Giegold. Die Mitgliedsstaaten haben im Jahr 2013 nur „peinliche 9,2 Prozent der Reformvorschläge“ in die Realität umgesetzt.
„Finnland und Dänemark stehen bei der Umsetzung vorne, Bulgarien und Tschechien tragen die rote Laterne. Unter den großen Mitgliedsstaaten ist die Bilanz von Frankreich und Spanien durchwachsen, auch Deutschland hat Nachholbedarf.“
„Quantität ist hierbei nicht gleichbedeutend mit Qualität. Die Kommissionsvorschläge sind mit Schwächen behaftet und kein wirtschaftspolitisches Allheilmittel. Dennoch sind die meisten der Vorschläge auch aus unserer Sicht unterstützenswert.“
„Bei den Reformempfehlungen der Kommission zum Thema Steuern allerdings sind Vorschläge zur Harmonisierung oder Koordinierung von Unternehmenssteuern, d.h. Maßnahmen, um den Steuersenkungs-Wettlauf zu bremsen, stark unterbelichtet.“
„Die Mitgliedsstaaten dürfen Mängel an den Empfehlungen der Brüsseler Behörde jedoch nicht als Alibi nutzen, um das Europäische Semester zu ignorieren. Eine Währungsunion braucht eine effektive wirtschaftspolitische Koordinierung und das Semester bietet das Werkzeug dafür.“