Luxemburgs Verzögerungstaktik im Hinblick auf eine EU-Untersuchung zu fragwürdigen Steuer-Deals für Großkonzerne bringt Jean-Claude Juncker in einen massiven Interessenkonflikt. Denn der frühere Premier des Großherzogtums wird kommende Woche zum neuen Präsidenten der EU-Kommission ernannt.
Juncker ist persönlich für die Errichtung der Luxemburger Steuerregelung verantwortlich, welche die EU-Kommission untersucht. Der Streit zwischen Luxemburg und der Kommission ist im Juni derart eskaliert, dass Brüssel rechtliche Schritte eingeleitet hat. Die Kommission will das Großherzogtum dazu zwingen, Dokument zu übergeben, berichtet die Financial Times.
Die Untersuchung dreht sich um die Frage, ob Luxemburg, Irland und die Niederlande EU-Recht missachtet haben, indem sie Steuerausnahmen für Großkonzerne schufen, die sich bei ihnen niederlassen. Irland und die Niederlande haben den Brüsseler Beamten alle angeforderten Dokumente übergeben, nicht jedoch Luxemburg.
Der Luxemburger Fall konzentriert sich auf die steuerliche Behandlung des dort ansässigen Finanzarms von Fiat. Doch auch der Online-Händler Amazon könnte in die Untersuchung einbezogen werden. Das Großherzogtum hat bis zum Ende der Woche Zeit, die von der Kommission angeforderten Dokumente zu liefern.
Wenn Luxemburg nicht nachgibt, drohen eine Eskalation des Streits und eine massive Geldstrafe. Juncker muss möglicherweise gegen sein eigenes Land vorgehen – wegen Steuerregeln, die während seiner eigenen Regierungszeit geschaffen wurden, um Großkonzerne ins Land zu locken.
Für derartige Interessenkonflikte gibt es im EU-Recht keine Regelung. Zwar gibt es im Verhaltenskodex für Kommissionsmitglieder Regeln für finanzielle Interessenkonflikte, welche die Unabhängigkeit gefährden könnten, nicht aber im Hinblick auf politische Angelegenheiten.
Juncker 18-jährige Regierungszeit endete im vergangenen Jahr, nachdem er bei den Wahlen die Mehrheit im Parlament verloren hatte. In seiner Zeit als Premier machte er Luxemburg zur größten Steueroase der EU. Das Großherzogtum zog Milliarden Dollar und Euro von Privatleuten und Konzernen an, die Steuern im eigenen Land vermeiden wollten. Sein Finanzsektor ist seit 1980 von praktisch null auf 3 Billionen Euro angewachsen.
Während seiner Zeit als Premier widersetzte sich Juncker Plänen der EU, das Bankgeheimnis zu lockern. Die Mehrheit der EU-Staaten will gegen Steuervermeidung vorgehen, indem die Daten der Kontoinhaber innerhalb der EU ausgetauscht werden. Erst die neue Luxemburger Regierung akzeptierte schließlich die Lockerung des Bankgeheimnisses.