Frankreichs neuer Wirtschaftsminister rüttelt an der 35-Stunden-Woche - und zieht damit prompt Kritik der Gewerkschaften auf sich. In einem Interview mit dem Magazin Le Point schlug Emmanuel Macron Ausnahmeregeln für längere Arbeitszeiten in Firmen und ganzen Sektoren vor.
Voraussetzung dafür sei aber eine Übereinkunft mit den Gewerkschaften. Dort wurde der Sozialist indes schroff zurückgewiesen: "Das kommt nicht in Frage. Die Sache ist erledigt", sagte der Chef der Gewerkschaft CFDT, Laurent Berger. Macron habe mit dem Vorstoß "einen Fehler" gemacht.
Die 35-Stunden-Woche war im Jahr 2000 unter dem sozialistischen Ministerpräsidenten Lionel Jospin eingeführt worden. Sie gilt insbesondere im linken politischen Spektrum als soziale Errungenschaft. Weder der konservative Präsident Nicolas Sarkozy noch sein sozialistischer Nachfolger Francois Hollande haben es gewagt, daran zu rütteln.
Der 36-jährige Macron ist erst seit dieser Woche im Amt. Bis vor wenigen Wochen war er noch Hollandes Wirtschaftsberater. Der Präsident hat den vormaligen Investment-Banker zum Nachfolger seines Rivalen Montebourg ernannt (mehr hier). Der Parteilinke Montebourg hatte den Reform- und Sparkurs Hollandes offen kritisiert und damit einen Kabinettskrach ausgelöst. Als Wirtschaftsminister steht Macron vor der Aufgabe, den jahrelangen Niedergang der Industrie zu stoppen.
Insbesondere die hohe Arbeitslosigkeit macht der französischen Wirtschaft zu schaffen. Kanzlerin Merkel zeigte sich jüngst über die Entwicklung im Nachbarland besorgt (mehr hier). Sie forderte von Hollande rasche Strukturmaßnahmen, um die Arbeitslosigkeit in den Griff zu bekommen.
Eine eben solche Maßnahme sei die Arbeitszeitverlängerung nach Wirtschaftsminister Macron. Sie erlaube demnach einen Ausweg aus der Falle, "dass die Anhäufung von immer mehr Rechten für Arbeitnehmer sich in genauso viele Nachteile für diejenigen ohne Arbeit verwandelt."
Ministerpräsident Manuel Valls hatte jüngst vor Arbeitgebervertretern gesagt, der Weg zu mehr Wachstum führe über Stützungsmaßnahmen für die Wirtschaft. Zugleich verlangte er mehr Zeit für den Abbau des Defizits. Diese Forderung griff Präsident Hollande am Donnerstag auf. In der Haushaltspolitik seien auch außergewöhnliche Umstände zu berücksichtigen. "Der Rhythmus des Defizitabbaus muss vereinbar sein mit den Wachstumszielen und einer schwachen Inflation", sagte der Präsident auf der jährlichen Konferenz der Botschafter seines Landes.
Auch der Kurs des Euro ist nach Hollandes Ansicht zu hoch und schwächt damit die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs auf den Weltmärkten. Der europäische Stabilitätspakt sieht vor, dass die Länder ihre Neuverschuldung unter der Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung halten müssen. Frankreich dürfte diese Latte auch 2015 reißen, obwohl es aus Brüssel bereits mehr Zeit zum Erreichen des Ziels erhalten hat. Hollande sprach sich zudem für einen raschen Gipfel der Länder der Euro-Zone aus, um wachstumsfördernde Maßnahmen abzustimmen.