Bei einem Flugzeugunfall ist der Chef des französischen Ölkonzerns Total, Christophe de Margerie, ums Leben gekommen. Die Maschine sei am späten Montagabend beim Start auf dem Moskauer Flughafen Wnukowo bei Nebel mit einem fahrenden Schneepflug zusammengeprallt, teilten die russischen Behörden am Dienstag mit. Der Fahrer des Räumfahrzeug war offenbar betrunken. „Ärzten zufolge befand sich der Mann im Alkoholrausch“, sagte Wladimir Markin von der Ermittlungsbehörde am Dienstag der Agentur Interfax.
Die russische Verkehrssicherheitsbehörde erklärte, zum Zeitpunkt des Unglücks hätten schlechte Sichtverhältnisse geherrscht. Der Anwalt des Fahrers sagte, sein Mandant bestreite, an dem Unglück Schuld zu sein, berichtet Le Figaro. Er habe sich an die Anweisungen des Dienstleiters gehalten. Zudem hätten Angehörige erklärt, dass der Mann wegen einer chronischen Herzerkrankung nie Alkohol trinke. Sie seien besorgt, dass die Flughafenverwaltung ihm die Schuld für das Unglück in die Schuhe schieben wolle, um teure Schadenersatzklagen zu vermeiden.
Bei dem Zusammenstoß starben alle vier Insassen des Flugzeugs, darunter der 63 Jahre alte Chef von Europas drittgrößtem Ölkonzern. Als wahrscheinlichste Ursache gelte menschliches Versagen, sagte Markin. „Warum sich der Fahrer des Schneeräumfahrzeugs entschieden hat, die Start- und Landebahn vor dem startenden Flugzeug zu überqueren, muss eine Untersuchungskommission klären“, sagte ein Ermittler in Moskau. Der unverletzte Fahrer wurde am Dienstag festgenommen. Fluglotsen sollen als Zeugen vernommen werden. Russlands Vizeverkehrsminister Waleri Okulow sagte: „Für diese Schlamperei habe ich keine Worte.“ Noch am Dienstag sollten drei französische Ermittler in Moskau eintreffen.
Die französische Flugunfalluntersuchungsbehörde BEA hat mittlerweile Untersuchungen wegen Totschlags eingeleitet, berichtet Le Monde. Zudem habe die russische Untersuchungskommission dem Flughafen „kriminelle Fahrlässigkeit“ unterstellt.
In Paris reagierte Frankreichs Präsident François Hollande schockiert. De Margerie habe der französischen Industrie und der Entwicklung des Total-Konzerns sein Leben gewidmet, hieß es in einer Mitteilung. Er habe das Unternehmen auf weltweites Spitzenniveau geführt. Hollande würdigte de Margerie als unabhängigen Charakter mit origineller Persönlichkeit und Hingabe für sein Land.
Margerie hatte die Sanktionen der EU gegen Russland in einem Interview mit der FT als nicht zielführend bezeichnet. Er sagte, dass Unternehmen nicht in politische Konflikte gezogen werden sollten. In der Frage der Energiesicherheit vertrat er klare Positionen: Wenn die Gesellschaften auf Erdöl oder Kohle verzichten würden, gingen die Lichter aus. Daher müsse bei jeder Klima-Diskussion auch die Frage der Energiesicherheit diskutiert werden.
Erst im Juli hatte Margerie das Ende des Petro-Dollars gefordert. Damit hatte er die Amerikaner gegen sich aufgebracht. Seine Kritik war eine Reaktion auf die massiven Strafen gewesen, die die USA gegen französische Banken verhängt hatten.
Auch Kremlchef Wladimir Putin äußerte sein Beileid. Putins Sprecher Dmitri Peskow sagte, de Margerie habe sich stets leidenschaftlich für den Ausbau der bilateralen Beziehungen eingesetzt. Moskauer Medien zufolge hatte sich der Total-Chef am Montag nahe der Hauptstadt mit Regierungschef Dmitri Medwedew getroffen, um über Investitionen zu sprechen.
Der Tod war in der Nacht vom Konzern in Paris bestätigt worden. Das Geschäftsreiseflugzeug vom Typ Falcon 50 sei im Nebel beim Start mit Ziel Paris mit einem Schneeräumfahrzeug zusammengeprallt, hieß es zuvor von russischen Behörden. Die Sicht zum Unfallzeitpunkt habe 350 Meter betragen, teilte der Flughafen mit. Das Flugzeug sei ausgebrannt. Der Flugbetrieb sei kurzzeitig unterbrochen gewesen.
De Margerie arbeitete seit 1974 für das Unternehmen, aus dem später Total wurde, und war seit 2007 Firmenchef. Der Manager, wegen seines großen Schnauzbarts auch „Big Moustache“ genannt, war Vater von drei erwachsenen Kindern und gehörte mütterlicherseits zu den Nachkommen der mit Champagner und Luxushotels groß gewordenen Taittinger-Dynastie.
Total berief noch in der Nacht eine Krisensitzung am Unternehmenssitz im Geschäftsviertel La Défense am Rand von Paris ein. De Margerie hatte den Mineralölkonzern zuletzt stärker ins Geschäft in Russland gebracht, unter anderem durch ein gemeinsames Projekt in Sibirien mit dem russischen Konzern Lukoil. Außerdem ist Total bei der Gasförderung auf der russischen Jamal-Halbinsel mit dabei.
An der Börse in Paris reagierten die Total-Anleger zunächst schockiert. Die Aktie eröffnete 2,3 Prozent im Minus, bevor sie später mit dem Markttrend nach oben gingen. Analysten erklärten, Total verfüge über eine starke Führungsspitze. Der Verwaltungsrat kündigte eine baldige Sitzung an. Als potenzielle Nachfolger für De Margerie werden schon länger die internen Kandidaten Philippe Boisseau und Patrick Pouyanne gehandelt.