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E.ON: Trennung von Gas, Kohle und Atomkraft

Lesezeit: 2 min
01.12.2014 09:58
E.ON stößt unter dem Druck der Energiewende seine Atom- und Kohlekraftwerke in eine neue Gesellschaft ab. Der größte deutsche Energiekonzern will sich nur noch auf das Geschäft mit Ökostrom konzentrieren. Mit der Abspaltung reagiert E.ON auf den Preissturz bei den Großhandelspreisen für Strom.
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E.ON stößt unter dem Druck der Energiewende seine Atom- und Kohlekraftwerke in eine neue Gesellschaft ab. Stattdessen will sich der bislang größte deutsche Energiekonzern auf das Geschäft mit Ökostrom konzentrieren. Analysten sprachen am Montag von einem mutigen Schritt, der auch Vorbild für andere Versorger in Europa sein könne. Die Mehrheit an der im Jahr 2016 geplanten Gesellschaft sollen die bisherigen E.ON-Aktionäre halten. Den Rest will der Versorger schrittweise an die Börse bringen. Die Abspaltung soll auch die Rückstellungen für den Abriss der Kernkraftwerke übernehmen. Dies könnte die Idee einer Atomstiftung erneut anfachen, in der die AKW-Betreiber E.ON, RWE, EnBW und Vattenfall ihre Risiken auslagern.

Mit der Abspaltung der Atom-, Kohle- und Gaskraftwerke reagiert E.ON auf den Preissturz bei den Großhandelspreisen für Strom. Diese sind wegen der Überkapazitäten an Kraftwerken und dem Ausbau des Ökostroms allein seit Anfang 2013 um mehr als ein Viertel gefallen. „Das bisherige breite Geschäftsmodell von E.ON wird den neuen Herausforderungen nicht mehr gerecht“, sagte Vorstandschef Johannes Teyssen. Deshalb wolle sich der Konzern radikal neu aufstellen. 2015 wolle das Management die Voraussetzungen für die Abspaltung und den Börsengang der konventionellen Kraftwerke schaffen. Mit dem Spin-Off folgt E.ON dem Beispiel der Bayer -Abspaltung Lanxess oder Osram bei Siemens. Mit der Neuaufstellung sei kein Stellenabbau verbunden.

Zu dem abgespalteten Teil würden auch der globale Energiehandel sowie die Bereiche Exploration und Produktion gehören. Das Unternehmen soll 20.000 Mitarbeiter beschäftigen. Die Analysten von Bernstein Research sprachen von einer Art „Bad Bank“. Das unter der Rubel-Schwäche leidende Geschäft in Russland gehört ebenso dazu wie die Verluste schreibende Beteiligung in Brasilien.

Offen ist, was aus der Gas- und Ölförderung in der Nordsee wird. E.ON will dies noch vor der Neuaufstellung strategisch überprüfen. Analysten spekulierten umgehend, dass es wie die RWE-Tochter Dea verkauft werden könnte.

Denkbar ist auch, dass beide künftigen Gesellschaften auf Dauer zu klein sind und damit zu Übernahmekandidaten werden. Bernstein Research zufolge könnte die Anteile der neuen Gesellschaft rein rechnerisch 2014 auf einen Betriebsgewinn (Ebitda) von 4,4 Milliarden Euro kommen und der übrige E.ON-Teil auf vier Milliarden. Damit wären beide kleiner als die bisherige deutsche Nummer zwei RWE mit angepeilten 6,4 bis 6,8 Milliarden Euro.

Das verbleibende Unternehmen mit 40.000 Mitarbeitern soll noch aus der Erzeugung von Ökostrom sowie dem Betrieb der Strom- und Gasnetze und dem Vertriebsgeschäft bestehen. E.ON hat bereits seit 2007 das Geschäft mit der Erneuerbaren Energie rund zehn Milliarden Euro investiert.

In den vergangenen Jahren hatte E.ON rund 20 Milliarden Euro aus Beteiligungsverkäufen eingenommen. Dennoch drücken den Konzern Schulden in Höhe von 31 Milliarden Euro. Der Versorger hatte unter anderem Milliardensummen bei Zukäufen in Südeuropa versenkt. Die Geschäfte in Spanien und Portugal verkaufte er nun wie von Reuters bereits in der vergangen Woche berichtet an den australischen Investor Macquarie für einen Unternehmenswert von 2,5 Milliarden Euro.

Der Versorger muss aber wohl im laufenden Quartal noch Abschreibungen in Höhe von 4,5 Milliarden Euro vornehmen, nachdem es bereits im bisherigen Jahresverlauf rund 700 Millionen Euro waren. Damit wird E.ON das Geschäftsjahr 2014 mit einem erheblichen Nettoverlust abschließen. Für die Jahre 2014 und 2015 sollen die Aktionäre eine Dividende von 50 Cent je Aktie erhalten. Für 2013 hatte der Konzern noch 60 Cent je Anteilsschein ausgeschüttet.

Unklar war zunächst, ob E.ON für seine Pläne die Zustimmung der Bundesregierung benötigt. Die neue Gesellschaft soll schuldenfrei sein und finanziell solide ausgestattet werden. Dafür übernimmt sie die Rücklagen zum Abriss der Atomkraftwerke und für die Einlagerung des Atommülls. Umweltschützer haben immer wieder gefordert, die milliardenschweren Rückstellungen bereits jetzt den AKW-Betreibern zu entreißen, damit sie im Fall einer Pleite der Unternehmen nicht verloren gehen könnten.

Der Verkauf dürfe keinesfalls dazu führen, dass E.ON sich seiner Verantwortung für den Rückbau der Atomkraftwerke und die Endlagerung des Atommülls entziehe, sagte der Grünen Fraktionsvize Oliver Krischer. „Der Konzern hat mit der Atomkraft jahrzehntelang Milliarden verdient. Deshalb muss E.ON für alle Folgekosten seiner Atomkraftwerke aufkommen, auch wenn jetzt die Atomsparte verkauft wird.“


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