Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Russland hat mit 420 Milliarden Dollar die weltweit drittgrößten Währungsreserven. Der russische Präsident Wladimir Putin vertraut darauf, dass die Währungsreserven das Land durch die Krise bringen. Wie ist das zu bewerten?
Robert Halver: Tatsächlich hat Russland große Währungsreserven. Doch diese Reserven schmelzen wie Schnee in der Sonne. Es findet ein drastischer Schrumpfungsprozess statt.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Die russische Notenbank hat den Leitzins kürzlich über Nacht auf 17 Prozent erhöht. Damit will sie die Rubel-Abwertung und die Inflation abschwächen. Wird diese Strategie aufgehen?
Robert Haalver: Einen Zinssatz von 17 Prozent können sie als Bürger oder Unternehmen nicht finanzieren. Russland befindet sich angesichts des Rubel-Verfalls, der massiven Inflation, des fallenden Ölpreises und der Steuererhöhungen in einem Teufelskreis. Spätestens im kommenden Jahr wird das Land voraussichtlich auch ein Haushalts-Defizit aufweisen.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Was bedeutet das für Deutschland?
Robert Halver: Wenn Russland kollabieren sollte, werden weltweit die Deutschen den höchsten Preis dafür zahlen müssen. Russland ist für Deutschland eine Wachstums-Insel. Die Russen hatten immer Interesse daran, deutsches Know-How in ihre Heimat zu ziehen. Unsere Exportindustrie hat in den vergangenen Jahren davon enorm profitiert. Zudem ist Russland ein Ausweichmarkt, falls es exportmäßig in der Eurozone nicht so gut läuft. Die russische Ersatzbefriedigung verschwindet jeden Tag mehr.
Deutsche Wirtschafts Nachrichten: Putin macht unter anderem Spekulanten für die Misere in seinem Land verantwortlich. Hat er recht mit dieser These?
Robert Halver: Spekulanten machen Gewinne über derivate Finanzinstrumente. Mit wenig Geldeinsatz lassen sich hier enorme Gewinne erzielen. Doch Russland hat ein strukturelles Problem, denn es koppelt sich zunehmend vom internationalen Finanzmarkt ab. Das spielt der Spekulation in die Hände gegen den Rubel und die russischen Finanzmärkte in die Hände. Daran besteht kein Zweifel.