Wirtschaft

KI frisst Jobs: Beginnt jetzt der Niedergang der IT-Branche?

Rekordgewinne, aber Stellenabbau: In der IT-Branche ersetzt KI längst ganze Entwicklerteams. Ist das Ende des klassischen Programmierberufs bereits eingeläutet?
12.06.2025 06:01
Lesezeit: 2 min
KI frisst Jobs: Beginnt jetzt der Niedergang der IT-Branche?
Wohin geht die Reise? Droht dem klassischen Programmierberuf das Aus? (Foto: dpa | Peter Steffen) Foto: Peter Steffen

Umsatzrekorde trotz Personalabbau – ein Systemwiderspruch?

Die Umsätze in der US-amerikanischen IT-Branche eilen von Rekord zu Rekord – gleichzeitig befindet sich die Beschäftigung auf dem Rückzug. Das berichtet Puls Biznesu.

Seit dem Jahr 2010 stieg die Nachfrage nach IT-Fachkräften in den USA nahezu ununterbrochen an. Lediglich die COVID-19-Pandemie sorgte für einen kurzfristigen Einbruch. Den Höchststand erreichte die Branche im November 2022 mit rund 2,5 Millionen Beschäftigten. Die aktuellsten Daten vom Mai 2025 zeigen einen Rückgang auf etwas über 2,4 Millionen. Der Beschäftigungsgraph weist klar auf eine Phase der Stagnation mit fallender Tendenz hin. Der Zustrom neuer Arbeitskräfte ist praktisch zum Erliegen gekommen. Es sieht ganz danach aus, als beginne eine neue Ära – eine Ära des Niedergangs des klassischen Beschäftigungsmodells in der IT.

Diese Entwicklung ist umso bemerkenswerter, da sie zeitlich mit einem revolutionären Wendepunkt zusammenfällt: der Markteinführung des ersten massentauglichen Large Language Model (LLM) – ChatGPT von OpenAI.

Gleichzeitig mit dem Rückgang der Beschäftigtenzahlen verzeichneten drei Softwaregiganten im Jahr 2024 historische Umsatzhöchststände: Oracle steigerte seinen Umsatz auf 54,9 Milliarden US-Dollar, Salesforce auf 37,9 Milliarden und Adobe auf 21,5 Milliarden US-Dollar. Auch die Aktienkurse zeigen seit 2022 – trotz vereinzelter Turbulenzen – einen deutlichen Aufwärtstrend.

Ein Paradoxon tut sich auf: Rekordumsätze auf der einen, ein ausbleibender Zustrom an neuen IT-Kräften auf der anderen Seite. Dieses Szenario widerspricht den üblichen wirtschaftlichen Zusammenhängen.

KI als Produktivitäts-Turbo: Ein Entwickler ersetzt drei

Die plausibelste Erklärung: Die KI-Revolution hat die Produktivität radikal gesteigert. Sprachmodelle wie ChatGPT bieten beeindruckende Unterstützung beim Programmieren – das bestätigen nahezu alle, die in irgendeiner Form mit Code arbeiten. Aufgaben, für die früher drei Junior-Entwickler notwendig waren, kann heute eine einzige Person mit KI-Unterstützung erledigen. Und je leistungsfähiger die Modelle werden, desto stärker verstärkt sich dieser Trend. Es ist durchaus denkbar, dass die IT-Beschäftigung in den USA in absehbarer Zeit nicht mehr auf das Niveau von vor November 2022 zurückkehren wird.

Die Signale aus dem Markt bestätigen diese Entwicklung. Im Mai erklärte Microsoft-CEO Satya Nadella, dass inzwischen 30 Prozent des Codes von künstlicher Intelligenz generiert werden. Im selben Monat gab das Unternehmen die Entlassung von 6.000 Mitarbeitern weltweit bekannt – mehr als 40 Prozent davon betrafen Entwickler, die in US-Zentren von Microsoft tätig waren. Salesforce-Chef Marc Benioff verkündete kürzlich: „Wir werden dieses Jahr keine neuen Ingenieure einstellen. Wir beobachten einen Produktivitätszuwachs von 30 Prozent im Bereich Programmierung – und diesen Kurs werden wir fortsetzen.“ Das ist ein klares Signal: In bestimmten Aufgabenbereichen verdrängt KI bereits menschliche Arbeitskraft.

Der zweite Faktor: Der Pandemie-Boom war überhitzt

Ein weiterer Aspekt ist die Überinvestition. Während der Pandemie haben viele Tech-Konzerne – begünstigt durch historisch niedrige Zinsen – massiv investiert: Es wurde im großen Stil Personal eingestellt, Projekte gestartet und digitale Infrastruktur aufgebaut. Die Annahme: Die Pandemie habe die Digitalisierung dauerhaft beschleunigt – Homeoffice werde bleiben, die digitale Transformation sei unumkehrbar. Doch die Realität hat diese Hoffnung teilweise widerlegt. Irgendwann war zu viel Kapital und zu viel Arbeitskraft in den Markt geflossen. Der gegenwärtige Beschäftigungsstillstand könnte daher schlicht eine Normalisierung nach einem überhitzten Boom darstellen.

KI verdrängt nicht die Arbeit – sie verschiebt sie

Doch aus diesen Entwicklungen zu schließen, dass KI in der Gesamtwirtschaft den Menschen ersetzt, wäre voreilig. Weniger Programmierer bedeuten nicht zwangsläufig weniger Jobs: Gleichzeitig steigt etwa der Bedarf an Experten für Cybersicherheit. Die meisten wirtschaftlichen Analysen deuten darauf hin, dass die aktuelle Innovationswelle insgesamt mehr Arbeitsplätze schaffen wird, als sie vernichtet.

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
X

DWN Telegramm

Verzichten Sie nicht auf unseren kostenlosen Newsletter. Registrieren Sie sich jetzt und erhalten Sie jeden Morgen die aktuellesten Nachrichten aus Wirtschaft und Politik.

E-mail: *

Ich habe die Datenschutzerklärung sowie die AGB gelesen und erkläre mich einverstanden.

Ihre Informationen sind sicher. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten verpflichten sich, Ihre Informationen sorgfältig aufzubewahren und ausschließlich zum Zweck der Übermittlung des Schreibens an den Herausgeber zu verwenden. Eine Weitergabe an Dritte erfolgt nicht. Der Link zum Abbestellen befindet sich am Ende jedes Newsletters.

DWN
Finanzen
Finanzen Bitcoin-Kurs aktuell: Stabilisierungsversuch nach Kursverlusten
13.11.2025

Nach der kräftigen Korrektur in den vergangenen Tagen zeigt sich der Bitcoin-Kurs aktuell moderat erholt – was steckt hinter dieser...

DWN
Wirtschaft
Wirtschaft Gender Pay Gap in der EU: Was die neue Richtlinie wirklich fordert
13.11.2025

Die EU hat mit der Richtlinie 2023/970 zur Gehaltstransparenz die Gender Pay Gap im Fokus. Unternehmen stehen vor neuen Pflichten bei...

DWN
Finanzen
Finanzen Telekom-Aktie: US-Geschäft treibt Umsatz trotz schwachem Heimatmarkt
13.11.2025

Die Telekom-Aktie profitiert weiter vom starken US-Geschäft und einer angehobenen Jahresprognose. Während T-Mobile US kräftig wächst,...

DWN
Politik
Politik Shutdown in den USA: Demokraten beenden 43-tägigen Stillstand
13.11.2025

Haben die US-Demokraten ein politisches Eigentor geschossen? Sie haben sich dem Willen der Republikaner gebeugt und dem Haushalt...

DWN
Finanzen
Finanzen Droneshield-Aktie stürzt ab: Insiderverkäufe und Börsenaufsicht verunsichern Anleger – die Hintergründe
13.11.2025

Die Droneshield-Aktie sorgt nach ihrem drastischen Kurseinbruch für Unruhe am Markt. Massive Insiderverkäufe, Kommunikationspannen und...

DWN
Politik
Politik Finnland im Schatten Russlands: Grenzregion kollabiert wirtschaftlich
13.11.2025

Finnlands Grenzregionen rutschen in eine wirtschaftliche und sicherheitspolitische Krise. Der einst florierende Handel mit Russland ist...

DWN
Finanzen
Finanzen DAX aktuell: Zwischen Rekorden, Stimmungswechsel und Ende des US-Shutdowns
13.11.2025

Der DAX zeigt am Donnerstag Stärke, hat alte Rekorde im Blick. Doch der deutsche Leitindex profitiert noch nicht von der politischen...

DWN
Finanzen
Finanzen Wirecard-Aktionäre: BGH blockiert Schadenersatz im Insolvenzverfahren
13.11.2025

Die Ansprüche von Wirecard-Aktionären auf Schadenersatz sind vorerst blockiert. Der Bundesgerichtshof stellte klar, dass einfache...