Politik

Syriza-Ökonom: „Gerechtigkeit oder Ende des Euro mit einem großen Knall“

Der Ökonom Yanis Varoufakis soll neuer griechischer Finanzminister werden. Er dürfte, wenn er Kurs hält, den Finanzministern der Euro-Zone einiges Kopfzerbrechen bereiten. Denn Varoufakis hat die Probleme der griechischen Volkswirtschaft unverblümt beim Namen genannt. Eine Fortsetzung des bisherigen Kurses im Euro-Raum scheint mit ihm nicht denkbar.
26.01.2015 23:50
Lesezeit: 2 min

Die griechische Zeitung Kathimerini berichtet, dass der Ökonom Yanis Varoufakis neuer Finanzminister im Kabinett Tsipras werden soll. Als sein Stellvertreter wird Euclid Tsakalotos gehandelt. Die Deutschen Wirtschafts Nachrichten haben Varoufakis mehrfach interviewt. Seine Positionen sind solide, jedoch undogmatisch. Wenn er seiner Linie treu bleibt, dürfte der theoretischen Analyse ein grundlegender Wechsel in der griechischen Wirtschaftspolitik folgen.

Varoufakis zum Zustand der griechischen Banken:

„Die griechischen Banken sind vollkommen insolvent mit einem Anteil fauler Kredite von 40 Prozent und anderen „Vermögenswerten“, die reiner Betrug sind. In jedem gut verwalteten Bankensystem hätte man diese übernommen, umstrukturiert und an neue Besitzer verkauft. Nur in einem bankrotten Eurozonen-Land ist ein solcher Vorgang unter den geltenden „Regeln“ nicht möglich.

Stattdessen borgte sich der Steuerzahler unter der Aufsicht der EZB und unserer sogenannten Bankenunion 40 Milliarden Euro, um es den Banken zu geben. Der gescheiterte Bankenvorstand und die großen Aktionären wurden in ihren Positionen belassen. Und kurz nachdem zugelassen wurde, dass die staatlichen Anteile aufgebraucht wurden, damit Manager und Großaktionäre ihre „Eigentumsrechte“ über die Banken wiedererlangen konnten, können sie weder Geld leihen noch borgen – was erklärt, warum die Kreditvergabe weiterhin so rapide zurückgeht.

Und als ob das nicht genug wäre, hat der Staat diesen Banken auch noch versteckte Garantien im Umfang von vielen zehn Milliarden Euro bereitgestellt, ohne Zustimmung des Parlaments.“

Zum griechischen Anleihemarkt:

„Seit Sommer 2012 weise ich darauf hin, dass Draghi es ziemlich geschickt bewerkstelligt hat, eine unglaubwürdige Drohung gegen Anleihehändler zu nutzen, um die Zinsaufschläge nach unten zu drücken. Man sollte ihm gratulieren, denn ohne eine einzige Anleihe zu kaufen, hat er eine große Menge Zeit für die Politiker gekauft, etwas gegen die zugrunde liegende Krankheit zu tun. Leider haben die Politiker nichts anderes getan, als auf derselben Mischung aus giftiger, selbstzerstörerischer Austerität und makroökonomisch bedeutungslosen „Reformen“ zu bestehen.

Also bewegte sich die Eurokrise vom Anleihemarkt hin zur Realwirtschaft, indem die deflationären Kräfte gegen Investitionen und die gesamtwirtschaftliche Nachfrage wüteten. Im Großteil der Eurozone hat dies die Anleihezinssätze auf unglaublich niedrige Stände gedrückt, nicht weil die Investoren den Regierungen vertrauen, sondern weil sie (a) eine niedrige Inflation oder Deflation erwarten, sodass ihre realen Zinserträge aus Eurozonen-Anleihen steigen, und weil sie (b) darauf vertrauen, dass Draghi ihnen die italienischen, irischen und spanischen Anleihen abkauft, wenn er muss.“

Zum Wesen und der Zukunft des Euro:

„Schneeballsysteme brechen früher oder später unter der Last ihrer eigenen Selbstüberschätzung, unter ihren eigenen Hybris zusammen. Und dieses Schema wird ebenfalls zusammenbrechen. Der einzige Grund, weshalb dies noch nicht geschehen ist, ist, weil die Europäische Union, die EZB und die Deutsche Bundesregierung dies bislang noch nicht zugelassen haben. Allerdings werden sie dieses System nicht ewig aufrechterhalten können. Denn dieses System geht weit über Griechenland hinaus.

Irland, Spanien und Portugal werden auf dieselbe Art und Weise „aufrechterhalten“. Während mit dem Schneeballsystem die Staatshaushalte künstlich flüssig gehalten werden, verschlechtern sich die sozialen Verhältnisse und drohen, zusammenzubrechen. Es wird der Moment kommen, in dem die Risse unter der Oberfläche zum Zusammenbruch des Systems führen werden, was noch größere soziale Kosten für unsere Gesellschaft bedeuten würde. Es gibt zwei Möglichkeiten, wie das Ganze enden kann: Die eine Möglichkeit ist, dass sich Europa reinigt, sich von Grund auf neu strukturiert und die entstandenen Verluste des Schneeballsystems auf eine gerechte und tragbare Art und Weise verteilt werden. Die andere Möglichkeit ist, dass die Eurozone mit einem großen Knall zerbricht.“

Mehr zum Thema
article:fokus_txt
Anzeige
DWN
Finanzen
Finanzen Geldanlage: Mit einem Fondsdepot mehr aus dem eigenen Geld machen

Wer vor zehn Jahren 50.000 Euro in den Weltaktienindex investiert hat, kann sich heute über mehr als 250.000 Euro freuen! Mit der...

DWN
Politik
Politik Wie wähle ich bei der Bundestagswahl? Deutschland verweigert wahlberechtigten Auslandsdeutschen ihre Stimme abzugeben
22.02.2025

Mehrere Auslandsdeutsche berichten, zu spät oder bislang noch gar keine Wahlunterlagen erhalten zu haben. Nun drohen die Stimmen dieser...

DWN
Politik
Politik Rente mit 63: Wer wirklich von der abschlagsfreien Rente profitiert
22.02.2025

Die abschlagsfreie Rente nach 45 Beitragsjahren ist für Menschen gedacht, die beruflich sehr stark belastet sind. Doch aktuelle DIW-Zahlen...

DWN
Politik
Politik Alternativen zu Trumps Appeasement-Politik gegenüber Russland
22.02.2025

US-Präsident Donald Trump sagt, er wolle der Ukraine Frieden bringen. Aber sein Ansatz kann nicht funktionieren, weil er das Problem der...

DWN
Panorama
Panorama Deutschland "kaputt": Münchaus düstere Prognose für die Wirtschaft
22.02.2025

Deutschland steckt in der Krise – und es gibt kaum Hoffnung auf Besserung. Der deutsch-britische Autor Wolfgang Münchau sieht das Land...

DWN
Unternehmen
Unternehmen Kündigung rechtssicher zustellen: So vermeiden Sie teure Fehler
22.02.2025

Wie Sie eine Kündigung korrekt übermitteln – von der persönlichen Übergabe bis zum Gerichtsvollzieher. Welche Methoden wirklich...

DWN
Panorama
Panorama Kaffee bald Luxus? Wie durch ein EU-Gesetz, Abholzung und das Wetter die Preise explodieren
22.02.2025

Der Preis für Kaffee ist an den Börsen in den letzten fünf Jahren um das Vierfache gestiegen. Die Ursachen für die Rekordpreise, die...

DWN
Technologie
Technologie Mobilfunk Bahn: Empfang unterwegs verbessert sich endlich
22.02.2025

Wer im Zug telefoniert oder surft, stößt oft auf Funklöcher und langsames Internet. Jetzt verbessert eine neue Technik die Verbindung...

DWN
Politik
Politik 630 Sitze, 29 Parteien, 4.506 Kandidaten: Zahlen zur Wahl
22.02.2025

Die Bundestagswahl 2025 bringt große Veränderungen mit sich: weniger Kandidaten, ein neues Wahlrecht und eine alternde Wählerschaft. Wer...